Lieber Eckhard, wenn Volkes Stimme der Ansicht ist, mit ihrem Wahlzettel eh' nichts in ihrem Sinne ausrichten zu können, dann sucht sie sich andere Ventile - die dann allerdings noch weniger bringen.
In verschiedener Hinsicht kann man schon glauben, dass die Wahl ein "Würfelspiel" ist. Wir werden mit geschönten Argumenten oder mit Nullaussagen gefüttert, bis wir dann ein Kreuz an einer Stelle machen, die uns als das geringste Übel und nicht als die überzeugendste Lösung erscheint.
Dann bekommen wir anschließend die Quittung, indem uns ein "Ensemble" als künftige Regierung vor die Nase gesetzt wird, das sich notdürftig über ein Kompromissflickschusterwerk aus allein nicht regierungsfähigen Gruppen und Grüppchen zusammengefunden hat, weil ein klarer Wählerwille in der zersplitterten Pateienlandschaft "verschollen" ist.
Nun schlüpfen alle so gewählten hinter ihre neuen "Masken", mit denen sich die vorher nicht ausgesprochenen schmerzlichen Wahrheiten viel leichter vertreten lassen - zumal es ja einer auf den anderen schieben kann!
So schrecklich das alles ist - wir haben es zum Glück noch ganz schön gut! Besser das kleinste Übel wählen zun können, als das größte Übel hinnehmen zu müssen!
Die Abschlussrede des großen Diktators, die Carsten eingestellt hat, kann durch keine andere Rede übertroffen werden, lieber Eckhard- und wenn man unsere und besonders "deinen" Guido hört, der vor Selbstbewusstsein strotzt- da kann einem schlecht werden. Man kann dann die Hoffnung wieder verlieren, die Charlie Chaplin so herrlich in uns weckte. Gert
Kerstin schrieb:
... nicht anonym bleiben, in allen Bereichen, seitens des einzelnen Menschen, des Volkes und ihrer gewählten Vertreter, das wäre ein verbindendes, Vertrauen schaffendes Ziel.
Lieber Eckhard, nachdem ich den Beitrag über die höchst interessante Entstehung und Zusammensetzung des Beatles-Liedes „A Day In The Life“ gelesen hatte, entstand bei mir sogleich der Eindruck, dass dein Bild mit den verlinkten Fotos und Beiträgen ähnlich und fast in Strophenform aufgebaut ist. Man könnte es abstrahiert sogar als zeitversetztes Spiegelbild betrachten. Ich nehme natürlich an, dass Du das bewusst so gestaltet hast und ich finde die Idee, die als solche zunächst sehr unterschiedlichen Aufnahmen und Meldungen miteinander zu verknüpfen, sehr schön und für die fc innovativ!
„Lennon schrieb den Hauptteil und bezog seine Inspiration dabei aus einem Artikel der Daily Mail vom 17. Januar 1967. In der ersten Strophe bezieht er sich auf einen Bericht über den Tod von Tara Browne, einem jungen Millionär, der mit den Beatles und anderen britischen Bands befreundet war. Er starb bei einem Verkehrsunfall am 18. Dezember 1966, als er mit seinem Lotus Elan gegen einen geparkten Kleinbus prallte. In der zweiten Strophe zeigt sich Lennon als teilnahmsloser Betrachter, der zusieht, wie die englische Armee den Krieg ge-winnt. Mit ziemlicher Sicherheit bezieht er sich dabei auf Richard Lesters Film Wie ich den Krieg gewann, in dem Lennon drei Monate zuvor mitgewirkt hatte. Ob er damit auch auf den Vietnamkrieg eingehen wollte, ist nicht geklärt. In der dritten Strophe greift er einen Zeitungs-bericht über Schlaglöcher in Blackburn, Lancashire auf. Diese wurden aufgrund einer Anwei-sung gezählt und die Schätzung aufgestellt, dass es zirka 4000 Löcher waren, wonach ein Loch auf 26 Bewohner des Landkreises kam. Diesen absurden Vergleich verstärkte Lennon, in dem er sagte, jetzt wisse man, wie viele Löcher man brauche, um die Royal Albert Hall zu füllen.
Zwischen Strophe zwei und drei befindet sich eine kleine musikalische Skizze von Paul Mc-Cartney über ein von Routine beherrschtes Leben: Aufwachen, frisieren, den Bus erwischen, eine Zigarette rauchen, etc. McCartney dachte dabei an seine Schulzeit. Dieser Bezug zur Banalität des Alltags kann als ergänzender Gegenpol zu Lennons Teil gesehen werden, der eher moralisch-gesellschaftliche Probleme anspricht.“ http://de.wikipedia.org/wiki/A_Day_in_the_Life
Die Idee, einen ansonsten für andere und im Lauf der Geschichte vielleicht anonymen Tag im Leben herauszunehmen und ihn zum Mittelpunkt der Betrachtung zu machen, ihn als Einzelaufnahme aus einemin den Fokus zu bringen, einmalig oder regelmäßig wiederkehrend, ist nicht neu. Gedenktage sind mit dieser Thematik in Verbindung zu bringen - wie auch heute ein wichtiger Gedenktag ist - und auch in der Literatur kennt man diese Herangehensweise als gestalterisches Mittel. Schon Maxim Gorki rief u.a. zu Vergleichbarem auf, da ihm vorschwebte, aus vielen Einzeltexten ein Monumentalmosaik entstehen zu lassen; die Schriftstellerin Christa Wolf folgte der Idee, indem sie vierzig Jahre lang die Ereignisse an einem 27. September in einem Tagebuch notierte und daraus ein sehr interessantes Buch machte. http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/eintagimjahr-r.htm
Nun geht es auch bei dem Werbeplakat vordergründig um einen bestimmten Tag im Leben, einen Tag, an dem man in einem demokratisch aufgebauten Staat wählen soll und sich entscheiden darf im Rahmen einer Kommunalwahl beispielsweise, einer Landtagswahl oder der Bundestagswahl im Jahr 2009. - Wenn man das Bild betrachtet, gewinnt man allerdings zunächst den Eindruck, dass das Plakat für einen ganz anderen Zweck bestimmt ist ... am 25. September begehen wir in Deutschland den Tag der Zahngesundheit ;-))... und das heitere Lächeln der Menschen mit durchweg gebleckten Zähnen könnte zeigen, dass bei unserer Bevölkerung alles in bester Ordnung ist ... oder nicht? Mit der sogenannten neuen Armut im Lande klaffen u.a. auch immer mehr direkt oder symbolisch aufzufassende Zahnlücken in den Gebissen - leider sind entsprechende Fotos aus einer Ausstellung noch auf meiner Festplatte vergraben - wobei auch dies kleine Steine auf dem Weg zu einer Entscheidungsfindung für oder wider ein Parteiprogramm nebst entsprechenden öffentlichen Vertretern sind oder gar zu einer zunehmende Politikverdrossenheit beitragen dürften.
Was diese Politikverdrossenheit betrifft, so ist man ja scheinbar schon froh - und dies wird mit großen Gesten in den Medien verbreitet - wenn zwei Prozent mehr Wahlbeteiligung zustande kommt, wobei man hier nicht etwa von 85 oder 90 Prozent spricht, sondern sich in einem Bereich knapp über 50 bewegt, was auch bedeutet, dass fast die Hälfte der Wahlberechtigten eben nicht entscheiden will oder kann, ob aus Unentschlossenheit, Unwissen, Protest oder aus welchem Grund auch immer.
Vielen Menschen werden die Ziele der Parteien zu anonym, zu undurchsichtig sein, vielleicht haben sie auch den Eindruck, dass sie lokal auf diese oder jene Weise ausgelegt oder entsprechend der aktuellen Entwicklungen modifiziert werden. Hinzu kommen Meldungen, wie die unter den verlinkten Bildern, die an der Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit so mancher Bemühung rütteln und das Vertrauen auf einen starken Staat und eine kompetente, weitsichtige Führung möglicherweise beeinträchtigen. Der Eindruck, es in der Politik manchmal mit zu tun zu haben, deren Fäden hinter den Kulissen von anderen mächtigen Größen geführt werden, mag da hin und wieder nicht abwegig erscheinen.
Wirft man jedoch wiederum einen Blick auf das Bild (das Plakat, nicht das Foto! :-)), das ich ganz schrecklich finde, nicht nur, weil es technisch sehr eigenartig gestaltet ist, sondern weil es zudem den Betrachter nötigt, sich in eine Position der Unterwürfigkeit zu begeben, emporzublicken, sich einzureihen in die Schar der offenen Münder, so findet man sich eben in einer Herde herzlich lachender Schafe wieder, die sinnbildlich zu ihrem Helden, ihrem Idol - zu anderen Zeiten hätte man möglicherweise den Begriff Führer bemüht - aufschaut, als hätte der gerade einen unflätigen Witz gerissen. Das kann einem fast schon peinlich sein und man möchte sich eigentlich gern abwenden.
Aber hier wird ja nicht ein Portrait einzelner Menschen gezeigt, es geht bei den abgebildeten Personen auch nicht um ein persönliches Erscheinungsbild, es geht vielmehr um die exemplarische Spiegelung eines Bevölkerungsquerschnittes unseres Landes; die Flagge im Hintergrund verbindet. Was es in meinen Augen noch bedeutsamer macht. Haben wir es hier mit einer etwas zu gut gemeinten, sprich übertriebenen Darstellung zu tun oder in der Tat mit einer unkritisch schauenden Menge, die sich um ihren Fels in der Brandung schart und diesem blindes Vertrauen entgegenbringt?
Der Link und die Meldung bezüglich des Erfolges im bewusst geführten Busen-Wahlkampf in Berlin und ein Bericht beispielsweise, den ich in den letzten Tagen im Radio hörte, und der ganz klar benannte, dass es bei einem Unentschlossenen bereits ausreichend sein kann, wenn er ein attraktives Gesicht mit der dazugehörigen Parteibezeichnung am Straßenrand sieht, um eine Wahlentscheidung herbeizuführen, lässt diese Überlegung, auch wenn es nur wenige Prozente ausmacht, nicht ganz von der Hand weisen ... und ein Prozent kann entscheidend für Sieg oder Niederlage sein. Und könnte es vielleicht sogar sein, dass man mit genau diesem Bild vom Volk rechnet und dies, wenn auch nicht forciert, so doch nicht ungern sieht, weil es in der Form leichter lenkbar ist? Ein Blick auf Inhalt, Ausrichtung und Qualität der Medien und nicht zuletzt auch auf solche Plakate könnte den einen oder anderen Mitmenschen diesbezüglich ins Grübeln geraten lassen. - Dies sind natürlich nur rein philosophische Gedankenfragmente, die sich schwer beantworten lassen dürften.
Aber die Fragmente sollen doch einen bestimmten Aspekt herausstellen. Betrachtet man das Einstelldatum, so wird man über ein Jubiläum - den 90. Geburtstag Wolfgang Wagners am 30. August 2009 - auf das Werk seines Großvaters Richard Wagner kommen und hier natürlich über das Gerangel um die Macht in einem Wahlkampf allgemein und in dieser Familie speziell auch auf den „Ring des Nibelungen“, dessen Uraufführung ebenfalls an einem 30. August (1876) mit der
seinen Abschluss fand.
Nur zwei Zitate möchte ich in diesem Zusammenhang aufführen:
1. „Er [Wagner] wollte für die neue deutsche Nation sinnstiftende Festspiele für ein immer noch unmündiges Volk. Aber statt ‚Volk’ wurde sein gesellschaftskritisches Werk von den ‚Mächtigen’, von den Etablierten und vom Adel besucht, denen er mit seinem Werk doch eigentlich einen Spiegel vorhalten wollte.“
2. „Wer den Text nicht genau gelesen hat - einen klugen, tiefsinnigen, bewusst das Stab-reimschema einsetzenden Text, der höchsten Respekt verdient und nicht den Spott derjenigen, die in Opern keineswegs nachdenken wollen - wer den Text nicht genau gelesen und sozusagen Wort für Wort begriffen hat, der wird in den Aufführungen des RINGs das tun, was nur die Rheintöchter dürfen, er wird ‚schwimmen’.“ (Joachim Kaiser: Leben mit Wagner. München 1990) http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Ring_des_Nibelungen#cite_note-64
Die Begriffe „unmündiges Volk“ und „schwimmen“ bei ungenügender Kenntnis des Textes fielen mir hier besonders ins Auge. Um Nachrichten einordnen zu können, Zusammenhänge zu erkennen, um bewusst entscheiden zu können, braucht es Wissen um die Dinge, für die man seine Stimme erhebt oder abgibt. Nicht zuletzt und ganz besonders bei einer Wahl. Es genügt nicht, zu schimpfen, hinterherzulaufen oder resignierend abzuwinken, auch wenn dies in vielen Fällen zunächst berechtigt erscheint ... das öffnet Gruppierungen Türen, die, wie aus historischer Sicht gerade vor dem heutigen Datum deutlich wird, schlimmstes Unheil herbeiführen können.
Wenn der Mensch als mündiges Mitglied einer Gemeinschaft ernstgenommen werden will, muss er sich auch mündig verhalten. Vor 90 Jahren wurde nicht nur Wolfgang Wagner geboren, vor 90 Jahren erhielten die Frauen in Deutschland auch erstmals ein Wahlrecht und vor 90 Jahren wurde von der Weimarer Nationalversammlung die Annahme der neuen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold verabschiedet.... nicht anonym bleiben, in allen Bereichen, seitens des einzelnen Menschen, des Volkes und ihrer gewählten Vertreter, das wäre ein verbindendes, Vertrauen schaffendes Ziel.
Karl-Dieter Frost 08/09/2009 23:10
Lieber Eckhard, wenn Volkes Stimme der Ansicht ist, mit ihrem Wahlzettel eh' nichts in ihrem Sinne ausrichten zu können, dann sucht sie sich andere Ventile - die dann allerdings noch weniger bringen.In verschiedener Hinsicht kann man schon glauben, dass die Wahl ein "Würfelspiel" ist. Wir werden mit geschönten Argumenten oder mit Nullaussagen gefüttert, bis wir dann ein Kreuz an einer Stelle machen, die uns als das geringste Übel und nicht als die überzeugendste Lösung erscheint.
Dann bekommen wir anschließend die Quittung, indem uns ein "Ensemble" als künftige Regierung vor die Nase gesetzt wird, das sich notdürftig über ein Kompromissflickschusterwerk aus allein nicht regierungsfähigen Gruppen und Grüppchen zusammengefunden hat, weil ein klarer Wählerwille in der zersplitterten Pateienlandschaft "verschollen" ist.
Nun schlüpfen alle so gewählten hinter ihre neuen "Masken", mit denen sich die vorher nicht ausgesprochenen schmerzlichen Wahrheiten viel leichter vertreten lassen - zumal es ja einer auf den anderen schieben kann!
So schrecklich das alles ist - wir haben es zum Glück noch ganz schön gut! Besser das kleinste Übel wählen zun können, als das größte Übel hinnehmen zu müssen!
Gruß KD
Gert Rehn 05/09/2009 11:00
Die Abschlussrede des großen Diktators, die Carsten eingestellt hat, kann durch keine andere Rede übertroffen werden, lieber Eckhard- und wenn man unsere und besonders "deinen" Guido hört, der vor Selbstbewusstsein strotzt- da kann einem schlecht werden. Man kann dann die Hoffnung wieder verlieren, die Charlie Chaplin so herrlich in uns weckte. Gert
Carsten Mundt 03/09/2009 19:42
Lieber Eckhard,jedenfalls bleibt Chaplins' Rede haften.
Dass das heute nicht mehr immer so ist, zeigt ja die berühmte Neujahrsrede eines Ex-Kanzlers .. :)
Olaf Hüttemann 02/09/2009 12:05
Kerstin schrieb:... nicht anonym bleiben, in allen Bereichen, seitens des einzelnen Menschen, des Volkes und ihrer gewählten Vertreter, das wäre ein verbindendes, Vertrauen schaffendes Ziel.
schön gesagt, genau darum geht es!
Carsten Mundt 01/09/2009 16:45
http://www.youtube.com/watch?v=TlhwbdzalV4Kerstin Stolzenburg 01/09/2009 16:28
Lieber Eckhard, nachdem ich den Beitrag über die höchst interessante Entstehung und Zusammensetzung des Beatles-Liedes „A Day In The Life“ gelesen hatte, entstand bei mir sogleich der Eindruck, dass dein Bild mit den verlinkten Fotos und Beiträgen ähnlich und fast in Strophenform aufgebaut ist. Man könnte es abstrahiert sogar als zeitversetztes Spiegelbild betrachten. Ich nehme natürlich an, dass Du das bewusst so gestaltet hast und ich finde die Idee, die als solche zunächst sehr unterschiedlichen Aufnahmen und Meldungen miteinander zu verknüpfen, sehr schön und für die fc innovativ!„Lennon schrieb den Hauptteil und bezog seine Inspiration dabei aus einem Artikel der Daily Mail vom 17. Januar 1967. In der ersten Strophe bezieht er sich auf einen Bericht über den Tod von Tara Browne, einem jungen Millionär, der mit den Beatles und anderen britischen Bands befreundet war. Er starb bei einem Verkehrsunfall am 18. Dezember 1966, als er mit seinem Lotus Elan gegen einen geparkten Kleinbus prallte. In der zweiten Strophe zeigt sich Lennon als teilnahmsloser Betrachter, der zusieht, wie die englische Armee den Krieg ge-winnt. Mit ziemlicher Sicherheit bezieht er sich dabei auf Richard Lesters Film Wie ich den Krieg gewann, in dem Lennon drei Monate zuvor mitgewirkt hatte. Ob er damit auch auf den Vietnamkrieg eingehen wollte, ist nicht geklärt. In der dritten Strophe greift er einen Zeitungs-bericht über Schlaglöcher in Blackburn, Lancashire auf. Diese wurden aufgrund einer Anwei-sung gezählt und die Schätzung aufgestellt, dass es zirka 4000 Löcher waren, wonach ein Loch auf 26 Bewohner des Landkreises kam. Diesen absurden Vergleich verstärkte Lennon, in dem er sagte, jetzt wisse man, wie viele Löcher man brauche, um die Royal Albert Hall zu füllen.
Zwischen Strophe zwei und drei befindet sich eine kleine musikalische Skizze von Paul Mc-Cartney über ein von Routine beherrschtes Leben: Aufwachen, frisieren, den Bus erwischen, eine Zigarette rauchen, etc. McCartney dachte dabei an seine Schulzeit. Dieser Bezug zur Banalität des Alltags kann als ergänzender Gegenpol zu Lennons Teil gesehen werden, der eher moralisch-gesellschaftliche Probleme anspricht.“ http://de.wikipedia.org/wiki/A_Day_in_the_Life
Die Idee, einen ansonsten für andere und im Lauf der Geschichte vielleicht anonymen Tag im Leben herauszunehmen und ihn zum Mittelpunkt der Betrachtung zu machen, ihn als Einzelaufnahme aus einemin den Fokus zu bringen, einmalig oder regelmäßig wiederkehrend, ist nicht neu. Gedenktage sind mit dieser Thematik in Verbindung zu bringen - wie auch heute ein wichtiger Gedenktag ist - und auch in der Literatur kennt man diese Herangehensweise als gestalterisches Mittel. Schon Maxim Gorki rief u.a. zu Vergleichbarem auf, da ihm vorschwebte, aus vielen Einzeltexten ein Monumentalmosaik entstehen zu lassen; die Schriftstellerin Christa Wolf folgte der Idee, indem sie vierzig Jahre lang die Ereignisse an einem 27. September in einem Tagebuch notierte und daraus ein sehr interessantes Buch machte. http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/eintagimjahr-r.htm
Nun geht es auch bei dem Werbeplakat vordergründig um einen bestimmten Tag im Leben, einen Tag, an dem man in einem demokratisch aufgebauten Staat wählen soll und sich entscheiden darf im Rahmen einer Kommunalwahl beispielsweise, einer Landtagswahl oder der Bundestagswahl im Jahr 2009. - Wenn man das Bild betrachtet, gewinnt man allerdings zunächst den Eindruck, dass das Plakat für einen ganz anderen Zweck bestimmt ist ... am 25. September begehen wir in Deutschland den Tag der Zahngesundheit ;-))... und das heitere Lächeln der Menschen mit durchweg gebleckten Zähnen könnte zeigen, dass bei unserer Bevölkerung alles in bester Ordnung ist ... oder nicht? Mit der sogenannten neuen Armut im Lande klaffen u.a. auch immer mehr direkt oder symbolisch aufzufassende Zahnlücken in den Gebissen - leider sind entsprechende Fotos aus einer Ausstellung noch auf meiner Festplatte vergraben - wobei auch dies kleine Steine auf dem Weg zu einer Entscheidungsfindung für oder wider ein Parteiprogramm nebst entsprechenden öffentlichen Vertretern sind oder gar zu einer zunehmende Politikverdrossenheit beitragen dürften.
Was diese Politikverdrossenheit betrifft, so ist man ja scheinbar schon froh - und dies wird mit großen Gesten in den Medien verbreitet - wenn zwei Prozent mehr Wahlbeteiligung zustande kommt, wobei man hier nicht etwa von 85 oder 90 Prozent spricht, sondern sich in einem Bereich knapp über 50 bewegt, was auch bedeutet, dass fast die Hälfte der Wahlberechtigten eben nicht entscheiden will oder kann, ob aus Unentschlossenheit, Unwissen, Protest oder aus welchem Grund auch immer.
Vielen Menschen werden die Ziele der Parteien zu anonym, zu undurchsichtig sein, vielleicht haben sie auch den Eindruck, dass sie lokal auf diese oder jene Weise ausgelegt oder entsprechend der aktuellen Entwicklungen modifiziert werden. Hinzu kommen Meldungen, wie die unter den verlinkten Bildern, die an der Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit so mancher Bemühung rütteln und das Vertrauen auf einen starken Staat und eine kompetente, weitsichtige Führung möglicherweise beeinträchtigen. Der Eindruck, es in der Politik manchmal mit zu tun zu haben, deren Fäden hinter den Kulissen von anderen mächtigen Größen geführt werden, mag da hin und wieder nicht abwegig erscheinen.
Wirft man jedoch wiederum einen Blick auf das Bild (das Plakat, nicht das Foto! :-)), das ich ganz schrecklich finde, nicht nur, weil es technisch sehr eigenartig gestaltet ist, sondern weil es zudem den Betrachter nötigt, sich in eine Position der Unterwürfigkeit zu begeben, emporzublicken, sich einzureihen in die Schar der offenen Münder, so findet man sich eben in einer Herde herzlich lachender Schafe wieder, die sinnbildlich zu ihrem Helden, ihrem Idol - zu anderen Zeiten hätte man möglicherweise den Begriff Führer bemüht - aufschaut, als hätte der gerade einen unflätigen Witz gerissen. Das kann einem fast schon peinlich sein und man möchte sich eigentlich gern abwenden.
Aber hier wird ja nicht ein Portrait einzelner Menschen gezeigt, es geht bei den abgebildeten Personen auch nicht um ein persönliches Erscheinungsbild, es geht vielmehr um die exemplarische Spiegelung eines Bevölkerungsquerschnittes unseres Landes; die Flagge im Hintergrund verbindet. Was es in meinen Augen noch bedeutsamer macht. Haben wir es hier mit einer etwas zu gut gemeinten, sprich übertriebenen Darstellung zu tun oder in der Tat mit einer unkritisch schauenden Menge, die sich um ihren Fels in der Brandung schart und diesem blindes Vertrauen entgegenbringt?
Der Link und die Meldung bezüglich des Erfolges im bewusst geführten Busen-Wahlkampf in Berlin und ein Bericht beispielsweise, den ich in den letzten Tagen im Radio hörte, und der ganz klar benannte, dass es bei einem Unentschlossenen bereits ausreichend sein kann, wenn er ein attraktives Gesicht mit der dazugehörigen Parteibezeichnung am Straßenrand sieht, um eine Wahlentscheidung herbeizuführen, lässt diese Überlegung, auch wenn es nur wenige Prozente ausmacht, nicht ganz von der Hand weisen ... und ein Prozent kann entscheidend für Sieg oder Niederlage sein. Und könnte es vielleicht sogar sein, dass man mit genau diesem Bild vom Volk rechnet und dies, wenn auch nicht forciert, so doch nicht ungern sieht, weil es in der Form leichter lenkbar ist? Ein Blick auf Inhalt, Ausrichtung und Qualität der Medien und nicht zuletzt auch auf solche Plakate könnte den einen oder anderen Mitmenschen diesbezüglich ins Grübeln geraten lassen. - Dies sind natürlich nur rein philosophische Gedankenfragmente, die sich schwer beantworten lassen dürften.
Aber die Fragmente sollen doch einen bestimmten Aspekt herausstellen. Betrachtet man das Einstelldatum, so wird man über ein Jubiläum - den 90. Geburtstag Wolfgang Wagners am 30. August 2009 - auf das Werk seines Großvaters Richard Wagner kommen und hier natürlich über das Gerangel um die Macht in einem Wahlkampf allgemein und in dieser Familie speziell auch auf den „Ring des Nibelungen“, dessen Uraufführung ebenfalls an einem 30. August (1876) mit der seinen Abschluss fand.
Nur zwei Zitate möchte ich in diesem Zusammenhang aufführen:
1. „Er [Wagner] wollte für die neue deutsche Nation sinnstiftende Festspiele für ein immer noch unmündiges Volk. Aber statt ‚Volk’ wurde sein gesellschaftskritisches Werk von den ‚Mächtigen’, von den Etablierten und vom Adel besucht, denen er mit seinem Werk doch eigentlich einen Spiegel vorhalten wollte.“
2. „Wer den Text nicht genau gelesen hat - einen klugen, tiefsinnigen, bewusst das Stab-reimschema einsetzenden Text, der höchsten Respekt verdient und nicht den Spott derjenigen, die in Opern keineswegs nachdenken wollen - wer den Text nicht genau gelesen und sozusagen Wort für Wort begriffen hat, der wird in den Aufführungen des RINGs das tun, was nur die Rheintöchter dürfen, er wird ‚schwimmen’.“ (Joachim Kaiser: Leben mit Wagner. München 1990) http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Ring_des_Nibelungen#cite_note-64
Die Begriffe „unmündiges Volk“ und „schwimmen“ bei ungenügender Kenntnis des Textes fielen mir hier besonders ins Auge. Um Nachrichten einordnen zu können, Zusammenhänge zu erkennen, um bewusst entscheiden zu können, braucht es Wissen um die Dinge, für die man seine Stimme erhebt oder abgibt. Nicht zuletzt und ganz besonders bei einer Wahl. Es genügt nicht, zu schimpfen, hinterherzulaufen oder resignierend abzuwinken, auch wenn dies in vielen Fällen zunächst berechtigt erscheint ... das öffnet Gruppierungen Türen, die, wie aus historischer Sicht gerade vor dem heutigen Datum deutlich wird, schlimmstes Unheil herbeiführen können.
Wenn der Mensch als mündiges Mitglied einer Gemeinschaft ernstgenommen werden will, muss er sich auch mündig verhalten. Vor 90 Jahren wurde nicht nur Wolfgang Wagner geboren, vor 90 Jahren erhielten die Frauen in Deutschland auch erstmals ein Wahlrecht und vor 90 Jahren wurde von der Weimarer Nationalversammlung die Annahme der neuen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold verabschiedet.... nicht anonym bleiben, in allen Bereichen, seitens des einzelnen Menschen, des Volkes und ihrer gewählten Vertreter, das wäre ein verbindendes, Vertrauen schaffendes Ziel.
Kerstin