Wenn das Essen gerade kocht und die letzte Aufmerksamkeit fordert, ein letztes Wenden zwischen gelungen und verkohlt entscheidet, wenn nur noch der Schnauzbart einer Rasur bedarf, das Wasser gerade warm ist oder kocht, wenn man gerade gemütlich sitzt, der Roman an der spannendsten Stelle ansetzt, kurz: Wenn man eigentlich keinen Besuch erwarten möchte, dann schellt er an der Tür.
Ihm wird immer geöffnet, obwohl aus der Gegensprechanlage allerhöchstens das Flüstern eines Feuers vernommen werden kann. Die Nachbarn behaupten, es sei das Knistern des Fegefeuers.
Doch auch sie bitten ihn herzlich über die Türschwellen und schenken ihm Kaffee ein, den er wider jedweder Erwartungen mit Zucker und viel Milch, nervend und mit geschlossenen Augen schlürft, die hinter einer spiegelnden und leicht gräulich getönten Kassengestellbrille keine Farbe erkennen lassen.
Das Grau seines Anzugs wird durch eine fast beleidigend wirkende grellgrüne Krawatte hervorgehoben, seine Wildlederschuhe wirken wie gerade neu gekauft und seine Frisur, die an Gustav Gans erinnert, ankert so exakt auf seinem schmalen Kopf wie seine Bügelfalten sitzen oder seine Uhr tickt.
Dennoch ist mir, als würde die Zeit den Atem anhalten wenn er in meiner Küche sitzt und sein kleiner Mund dezent schmunzelnd mich, meine Dekorationen, meine Ordnung, mein Leben also, betrachtet, Dinge wieder zu erkennen scheint, da er regelmäßig jedoch ohne nachvollziehbaren Rhythmus bei mir hausiert, und wieder erkennbare Strukturen in dem Chaos, was ich zu seinem Amüsement Wohnen nenne, abwertend belächelt, den Profit zu wittern scheint; denn es ist mir, als würde jedes Mal keine Zeit vergehen, wenn er bei mir gastiert. Obwohl das Essen dann doch verbrannt in der Pfanne liegt, ich ein letztes Wenden verpasst haben musste, spielt das Küchenradio immer noch das Lied, was seinen ganzen Aufenthalt untermalt hatte.
Er erscheint grundsätzlich ohne Zeugen, denn noch nie ist er in eine Gemeinschaft geplatzt, nie können mir die Nachbarn sagen, wann er bei ihnen zu Besuch war, auch redet man nicht über ihn oder das, was man bei ihm erstanden hat.
Noch nie hat er eine Visitenkarte hinterlegt, einen Arbeitgeber erkennen lassen oder nur seinen Namen gesagt. „Wir sehen uns bei Zeiten“, sagt er zur Verabschiedung, und er trägt nur einen schwarzen, quadratischen Aktenkoffer mit sich, in dem er die Unterlagen der zuletzt und überhaupt erhandelten Verträge zwischen sich und seiner Kundschaft führen muss.
Wenn man nicht an einem weiteren Agreement mit ihm interessiert ist und dies vorsichtig vorträgt, wobei ich mich an solche Momente nur vage erinnern kann, da es selten geschah, dass ich von seinen Diensten keinen Gebrauch machen konnte, dann drückt er die Zahlenschlösser dieses Koffers wieder zu und sagt etwas, was ihn so widerlich menschlich macht: „Wie Sie wollen. Aber nur ungarn.“ Und dann lacht er über seinen eigenen Witz so bescheuert, dass sich bei mir alles zusammenzieht.
Verkündet man jedoch sein Interesse, vollführt er seine Arbeit bürokratisch, jedoch schnell. Auch hat man ständig das Gefühl, etwas Illegales zu ersteigern und sich ihm gegenüber rechtfertigen zu müssen. Sein Gespräch wickelt einen nicht um den Finger, er preist nichts an oder wirbt um einen Kunden, da er ganz genau weiß, dass er etwas verkauft, was jeder benötigt und was es nirgends sonst zu kaufen gibt.
„Mit was kann ich Ihnen heute dienen, Herr Wacholsky?“
„Nicht viel, nur so vier, fünf Stunden könnte ich benötigen. Der Abwasch muss gemacht werden. Das Geschirr stapelt sich ja, wie Sie sehen. Und mein Chef erwartet den Bericht morgen. Die Tochter in Köln wollte ich auch noch anrufen und, zugegeben, ein oder zwei Stunden Ruhe würden mir auch mal wieder gut tun, bevor meine Frau von der Arbeit kommt.“
„Vier oder fünf? Sie wissen ja: Ab zehn Stunden gibt es eine gratis.“
„Machen Sie fünf. Das dürfte reichen.“
„Wie sie wünschen. Da Sie insgesamt in den Jahren, in denen ich nun schon zu Ihnen komme, hiermit nun die zweihundert Stunden Grenze überschritten haben, können Sie von nun an den Stammkundentarif nutzen.“
„So?“
„Das heißt, Sie haben nun nicht mehr, wie bisher, einen Wechseltarif von eins zu zehn, sondern genießen nun einen eins zu acht Tarif.“
„Ja. Gut. Sagen Sie: Meine Frau und ich, wir feiern bald unseren Silbernen. Falls Sie vorher nicht mehr reinschauen sollten: Ist es möglich, dass Sie mir so eine Art Gutschein ausstellen können, falls das möglich ist?“
„Ich denke, Sie sollten Expresskunde werden. Moment, ich suche die Unterlagen.
…
Ah, da ist es ja. So, wenn Sie hier bitte ihren Wilhelm hinsetzen wollen, dann nutzen Sie von nun an unseren Expresstarif. Das hieße, wir würden Ihnen jährlich zwanzig Stunden berechnen, und dafür bekämen Sie an gesonderten Tagen, wie zum Beispiel Ihrem Geburtstag oder dem Ihrer Frau fünf Stunden, an Feiertagen eine Stunde und jeden ersten Samstag im Monat eine halbe Stunde frei Haus.“
„Hmm. Nun ja. Warum nicht? Rente gibt es ja sowieso kaum, sag ich immer. Also her damit!“
Dann unterschrieb ich den Wisch. Es bezieht sich alles auf die Lebenszeit des Kunden. Wenn man zum Beispiel eine Stunde beim Zeitverkäufer kauft, dann wird es eins zu zehn umgerechnet. Die Lebenszeit des Kunden wird beim Kauf von einer Stunde also um zehn Stunden verkürzt. Beim Kauf von zwei Stunden um zwanzig, und so weiter. Wann genau der Kunde sterben wird, weiß er zwar auch dann immer noch nicht, aber seine Lebensdauer wird sich um ein Zehnfaches der gekauften Zeit verkürzen.
Sie werden sagen, dies sei unmoralisch, ein Pakt mit dem Teufel, oder gar unmöglich, da niemand die Zeit stoppen kann.
Nun gut. Aber immer wenn ich etwas Zeit bei ihm gekauft habe, schaffe ich alle Erledigungen, alles was ich mir vorgenommen habe, und gönne mir dann gegen Ende des Tages sogar meistens noch etwas Zeit für mich, um zur Ruhe zu kommen. Wer wünscht es sich denn nicht, einen Tag lang mal etwas mehr Zeit zu haben als alle anderen? Die Uhren an diesen Tagen laufen ganz gewöhnlich weiter, aber man merkt es, wie alles leichter zu schaffen ist, wie die nötige Ruhe einkehrt um beispielsweise einen dringenden Bericht zu schreiben, wie einen die langen Schlangen im Supermarkt nicht mehr stören, wie man rote Ampeln gelassen hinnimmt und wie einfach alles besser und einfacher läuft, wie man mit einer grundlegenden Gelassenheit den Tag verlebt.
Wenn ich dann an der Kasse stehe und sehe, wie Kunden mit weniger als fünf Produkten hinter mir warten, dann sage ich: „Gehen Sie nur ruhig immer vor, … ich habe Zeit.“
Einmal habe ich meine Frau zum Essen in ein Restaurant eingeladen. Sie hat gefragt, ob wir für so etwas denn überhaupt Zeit hätten. „Heute schon", habe ich ihr gesagt und gezwinkert. "Ich habe uns etwas Zeit gekauft“. Sie weiß dann, dass er wieder hausieren war.
Doch am besagten Tag, an dem ich harmlose fünf Stunden erstanden hatte, geschah etwas Folgenschweres: Der Zeitverkäufer vergaß seinen Aktenkoffer auf meinem Küchentisch. Mehrere Tage verwahrte ich das gute Stück unter dem Bett, so dass ihn meine Frau nicht finden konnte, und wartete auf die Rückkehr des Zeitverkäufers. Nach drei Wochen wurde ich etwas nervös und nach vier Wochen beschloss ich schließlich, den Koffer aufzustemmen. Mit den Steigeisen aus dem Werkraum im Keller war er schnell geöffnet. Der Inhalt verblüffte mich genauso, wie er mir die Augen öffnete: Der Koffer beinhaltete meine gesammelten Anträge auf Stunden. Die Originale sowie die Kopien. Was hatte der Zeitverkäufer also eingereicht, um mir die erkauften Stunden beim Ministerium für Zeit gutschreiben zu lassen, so wie er mir immer das System des Zeitgutschreibens erklärt hatte?
Seit diesem Tage hatte ich es durchschaut und beschlossen, meine Erkenntnis zu nutzen und tatkräftig umzusetzen. Denn auch einen Stapel unausgefüllte Anträge hatte der Zeitverkäufer scheinbar absichtlich und mit beabsichtigter Verwendung meinerseits zurückgelassen. Man musste dort nur die geforderte Zeit, den Namen des Käufers, dessen Anschrift und bisher gekauften Stunden ausfüllen, ein Kreuzchen bei „Ja, ich habe den mir vorliegenden Vertrag verstanden und akzeptiere die Bedingungen“ machen, und noch die Unterschriften von Käufer sowie Verkäufer eintragen beziehungsweise eintragen lassen. Keine Adresse oder Sonstiges fand ich auf den Exemplaren.
Am darauf folgenden Tag schellte ich also bei Herrn Pavlow in der Hinterburgstraße 32. Ich hatte mir einen grauen Anzug und eine grüne Krawatte gekauft und hatte meine Haare mit Hilfe von Pomade etwas zurechtgemacht. Ich verhielt mich wie es der Zeitverkäufer bei seinem ersten Besuch bei mir gehalten hatte: direkt, freundlich und überrumpelnd.
„Sicher, sicher könnte ich etwas mehr Zeit gebrauchen“, hatte Herr Pavlow gesagt und mich auf einen Kaffee hinein gebeten. „Man weiß ja gar nicht, was man zu erst und zu letzt tun soll. Immer diese Hetze, ich komme in meinem Alter da schon gar nicht mehr hinterher. Und nie hat man mal Zeit für sich. Aber einfach Zeit kaufen? Wie soll das denn gehen?“
„Sie brauchen nur hier Ihre gewünschten Stunden einzutragen, und setzen dann bitte einmal hier Ihre Unterschrift hin“, sagte ich meinem ersten Kunden, nachdem ich ihm Kaffee schlürfend die Vertragsmodalitäten erläutert hatte.
„Ach, zeigen Se´ mal her! Dann krieg ich nur wieder Werbung.“
„Nein. Und es ist umsonst! Kein Verein, keine Verpflichtungen.“
„Umsonst? Umsonst ist nur der Tod!“
„Genau damit beschäftigt sich das Angebot, dass ich Ihnen hier einmalig unterbreite. Wir nehmen ihnen etwas Leben und geben es Ihnen schon jetzt.“
Herr Pavlow kaufte vorerst drei Stunden, um es mal ausprobieren zu können. Ich vergütete ihm die ersten zwei als Einsteigergeschenk. Seitdem schneie ich einmal monatlich, jedoch ohne nachvollziehbaren Rhythmus bei ihm rein und sichtlich erfreut erzählt er mir die Geschichten, wie er es schafft, seinen Arbeitsstress in den Griff zu kriegen und endlich wieder etwas mehr auf der Geige spielen zu können, die schon ganz verstaubt in der Ecke gestanden habe.
Auch den Rest der Straße beliefere ich seitdem mit Zeit. Es ist etwas anstrengend, aber ich glaube, Herr Pavlow ist bald soweit, in meine Fußstapfen treten zu können. Dann kann ich in den ersehnten Ruhestand gehen. Wenn man so einen Job jahrelang macht, geht das schon an die Substanz. Zwei Jahre will ich noch machen. Vielleicht schelle ich ja bald auch bei Ihnen.
joa, dunkler waer ne alternative... bei mir is nur so: entweder ich bearbeite ein bild ganz oder gar nicht. die meisten gar nicht. so wars auch bei dem. weiss nicht, ich mochts so hell bzw dunkel, wies grade is, aber das ist geschmackssache :D
Nat ohne pünktchen 23/06/2006 12:25
ich mag was du machst..deswegen kommst du auch auf meine liste.robert . 23/06/2006 0:32
nachtrag ...und überhaupt verdammt nettes zeug.
AnneCaroline Be 22/06/2006 21:42
wie er das immer macht . unglaublich9 X 13 21/06/2006 23:18
[wenn paco mal zeit hat.]Der Zeitverkäufer
Wenn das Essen gerade kocht und die letzte Aufmerksamkeit fordert, ein letztes Wenden zwischen gelungen und verkohlt entscheidet, wenn nur noch der Schnauzbart einer Rasur bedarf, das Wasser gerade warm ist oder kocht, wenn man gerade gemütlich sitzt, der Roman an der spannendsten Stelle ansetzt, kurz: Wenn man eigentlich keinen Besuch erwarten möchte, dann schellt er an der Tür.
Ihm wird immer geöffnet, obwohl aus der Gegensprechanlage allerhöchstens das Flüstern eines Feuers vernommen werden kann. Die Nachbarn behaupten, es sei das Knistern des Fegefeuers.
Doch auch sie bitten ihn herzlich über die Türschwellen und schenken ihm Kaffee ein, den er wider jedweder Erwartungen mit Zucker und viel Milch, nervend und mit geschlossenen Augen schlürft, die hinter einer spiegelnden und leicht gräulich getönten Kassengestellbrille keine Farbe erkennen lassen.
Das Grau seines Anzugs wird durch eine fast beleidigend wirkende grellgrüne Krawatte hervorgehoben, seine Wildlederschuhe wirken wie gerade neu gekauft und seine Frisur, die an Gustav Gans erinnert, ankert so exakt auf seinem schmalen Kopf wie seine Bügelfalten sitzen oder seine Uhr tickt.
Dennoch ist mir, als würde die Zeit den Atem anhalten wenn er in meiner Küche sitzt und sein kleiner Mund dezent schmunzelnd mich, meine Dekorationen, meine Ordnung, mein Leben also, betrachtet, Dinge wieder zu erkennen scheint, da er regelmäßig jedoch ohne nachvollziehbaren Rhythmus bei mir hausiert, und wieder erkennbare Strukturen in dem Chaos, was ich zu seinem Amüsement Wohnen nenne, abwertend belächelt, den Profit zu wittern scheint; denn es ist mir, als würde jedes Mal keine Zeit vergehen, wenn er bei mir gastiert. Obwohl das Essen dann doch verbrannt in der Pfanne liegt, ich ein letztes Wenden verpasst haben musste, spielt das Küchenradio immer noch das Lied, was seinen ganzen Aufenthalt untermalt hatte.
Er erscheint grundsätzlich ohne Zeugen, denn noch nie ist er in eine Gemeinschaft geplatzt, nie können mir die Nachbarn sagen, wann er bei ihnen zu Besuch war, auch redet man nicht über ihn oder das, was man bei ihm erstanden hat.
Noch nie hat er eine Visitenkarte hinterlegt, einen Arbeitgeber erkennen lassen oder nur seinen Namen gesagt. „Wir sehen uns bei Zeiten“, sagt er zur Verabschiedung, und er trägt nur einen schwarzen, quadratischen Aktenkoffer mit sich, in dem er die Unterlagen der zuletzt und überhaupt erhandelten Verträge zwischen sich und seiner Kundschaft führen muss.
Wenn man nicht an einem weiteren Agreement mit ihm interessiert ist und dies vorsichtig vorträgt, wobei ich mich an solche Momente nur vage erinnern kann, da es selten geschah, dass ich von seinen Diensten keinen Gebrauch machen konnte, dann drückt er die Zahlenschlösser dieses Koffers wieder zu und sagt etwas, was ihn so widerlich menschlich macht: „Wie Sie wollen. Aber nur ungarn.“ Und dann lacht er über seinen eigenen Witz so bescheuert, dass sich bei mir alles zusammenzieht.
Verkündet man jedoch sein Interesse, vollführt er seine Arbeit bürokratisch, jedoch schnell. Auch hat man ständig das Gefühl, etwas Illegales zu ersteigern und sich ihm gegenüber rechtfertigen zu müssen. Sein Gespräch wickelt einen nicht um den Finger, er preist nichts an oder wirbt um einen Kunden, da er ganz genau weiß, dass er etwas verkauft, was jeder benötigt und was es nirgends sonst zu kaufen gibt.
„Mit was kann ich Ihnen heute dienen, Herr Wacholsky?“
„Nicht viel, nur so vier, fünf Stunden könnte ich benötigen. Der Abwasch muss gemacht werden. Das Geschirr stapelt sich ja, wie Sie sehen. Und mein Chef erwartet den Bericht morgen. Die Tochter in Köln wollte ich auch noch anrufen und, zugegeben, ein oder zwei Stunden Ruhe würden mir auch mal wieder gut tun, bevor meine Frau von der Arbeit kommt.“
„Vier oder fünf? Sie wissen ja: Ab zehn Stunden gibt es eine gratis.“
„Machen Sie fünf. Das dürfte reichen.“
„Wie sie wünschen. Da Sie insgesamt in den Jahren, in denen ich nun schon zu Ihnen komme, hiermit nun die zweihundert Stunden Grenze überschritten haben, können Sie von nun an den Stammkundentarif nutzen.“
„So?“
„Das heißt, Sie haben nun nicht mehr, wie bisher, einen Wechseltarif von eins zu zehn, sondern genießen nun einen eins zu acht Tarif.“
„Ja. Gut. Sagen Sie: Meine Frau und ich, wir feiern bald unseren Silbernen. Falls Sie vorher nicht mehr reinschauen sollten: Ist es möglich, dass Sie mir so eine Art Gutschein ausstellen können, falls das möglich ist?“
„Ich denke, Sie sollten Expresskunde werden. Moment, ich suche die Unterlagen.
…
Ah, da ist es ja. So, wenn Sie hier bitte ihren Wilhelm hinsetzen wollen, dann nutzen Sie von nun an unseren Expresstarif. Das hieße, wir würden Ihnen jährlich zwanzig Stunden berechnen, und dafür bekämen Sie an gesonderten Tagen, wie zum Beispiel Ihrem Geburtstag oder dem Ihrer Frau fünf Stunden, an Feiertagen eine Stunde und jeden ersten Samstag im Monat eine halbe Stunde frei Haus.“
„Hmm. Nun ja. Warum nicht? Rente gibt es ja sowieso kaum, sag ich immer. Also her damit!“
Dann unterschrieb ich den Wisch. Es bezieht sich alles auf die Lebenszeit des Kunden. Wenn man zum Beispiel eine Stunde beim Zeitverkäufer kauft, dann wird es eins zu zehn umgerechnet. Die Lebenszeit des Kunden wird beim Kauf von einer Stunde also um zehn Stunden verkürzt. Beim Kauf von zwei Stunden um zwanzig, und so weiter. Wann genau der Kunde sterben wird, weiß er zwar auch dann immer noch nicht, aber seine Lebensdauer wird sich um ein Zehnfaches der gekauften Zeit verkürzen.
Sie werden sagen, dies sei unmoralisch, ein Pakt mit dem Teufel, oder gar unmöglich, da niemand die Zeit stoppen kann.
Nun gut. Aber immer wenn ich etwas Zeit bei ihm gekauft habe, schaffe ich alle Erledigungen, alles was ich mir vorgenommen habe, und gönne mir dann gegen Ende des Tages sogar meistens noch etwas Zeit für mich, um zur Ruhe zu kommen. Wer wünscht es sich denn nicht, einen Tag lang mal etwas mehr Zeit zu haben als alle anderen? Die Uhren an diesen Tagen laufen ganz gewöhnlich weiter, aber man merkt es, wie alles leichter zu schaffen ist, wie die nötige Ruhe einkehrt um beispielsweise einen dringenden Bericht zu schreiben, wie einen die langen Schlangen im Supermarkt nicht mehr stören, wie man rote Ampeln gelassen hinnimmt und wie einfach alles besser und einfacher läuft, wie man mit einer grundlegenden Gelassenheit den Tag verlebt.
Wenn ich dann an der Kasse stehe und sehe, wie Kunden mit weniger als fünf Produkten hinter mir warten, dann sage ich: „Gehen Sie nur ruhig immer vor, … ich habe Zeit.“
Einmal habe ich meine Frau zum Essen in ein Restaurant eingeladen. Sie hat gefragt, ob wir für so etwas denn überhaupt Zeit hätten. „Heute schon", habe ich ihr gesagt und gezwinkert. "Ich habe uns etwas Zeit gekauft“. Sie weiß dann, dass er wieder hausieren war.
Doch am besagten Tag, an dem ich harmlose fünf Stunden erstanden hatte, geschah etwas Folgenschweres: Der Zeitverkäufer vergaß seinen Aktenkoffer auf meinem Küchentisch. Mehrere Tage verwahrte ich das gute Stück unter dem Bett, so dass ihn meine Frau nicht finden konnte, und wartete auf die Rückkehr des Zeitverkäufers. Nach drei Wochen wurde ich etwas nervös und nach vier Wochen beschloss ich schließlich, den Koffer aufzustemmen. Mit den Steigeisen aus dem Werkraum im Keller war er schnell geöffnet. Der Inhalt verblüffte mich genauso, wie er mir die Augen öffnete: Der Koffer beinhaltete meine gesammelten Anträge auf Stunden. Die Originale sowie die Kopien. Was hatte der Zeitverkäufer also eingereicht, um mir die erkauften Stunden beim Ministerium für Zeit gutschreiben zu lassen, so wie er mir immer das System des Zeitgutschreibens erklärt hatte?
Seit diesem Tage hatte ich es durchschaut und beschlossen, meine Erkenntnis zu nutzen und tatkräftig umzusetzen. Denn auch einen Stapel unausgefüllte Anträge hatte der Zeitverkäufer scheinbar absichtlich und mit beabsichtigter Verwendung meinerseits zurückgelassen. Man musste dort nur die geforderte Zeit, den Namen des Käufers, dessen Anschrift und bisher gekauften Stunden ausfüllen, ein Kreuzchen bei „Ja, ich habe den mir vorliegenden Vertrag verstanden und akzeptiere die Bedingungen“ machen, und noch die Unterschriften von Käufer sowie Verkäufer eintragen beziehungsweise eintragen lassen. Keine Adresse oder Sonstiges fand ich auf den Exemplaren.
Am darauf folgenden Tag schellte ich also bei Herrn Pavlow in der Hinterburgstraße 32. Ich hatte mir einen grauen Anzug und eine grüne Krawatte gekauft und hatte meine Haare mit Hilfe von Pomade etwas zurechtgemacht. Ich verhielt mich wie es der Zeitverkäufer bei seinem ersten Besuch bei mir gehalten hatte: direkt, freundlich und überrumpelnd.
„Sicher, sicher könnte ich etwas mehr Zeit gebrauchen“, hatte Herr Pavlow gesagt und mich auf einen Kaffee hinein gebeten. „Man weiß ja gar nicht, was man zu erst und zu letzt tun soll. Immer diese Hetze, ich komme in meinem Alter da schon gar nicht mehr hinterher. Und nie hat man mal Zeit für sich. Aber einfach Zeit kaufen? Wie soll das denn gehen?“
„Sie brauchen nur hier Ihre gewünschten Stunden einzutragen, und setzen dann bitte einmal hier Ihre Unterschrift hin“, sagte ich meinem ersten Kunden, nachdem ich ihm Kaffee schlürfend die Vertragsmodalitäten erläutert hatte.
„Ach, zeigen Se´ mal her! Dann krieg ich nur wieder Werbung.“
„Nein. Und es ist umsonst! Kein Verein, keine Verpflichtungen.“
„Umsonst? Umsonst ist nur der Tod!“
„Genau damit beschäftigt sich das Angebot, dass ich Ihnen hier einmalig unterbreite. Wir nehmen ihnen etwas Leben und geben es Ihnen schon jetzt.“
Herr Pavlow kaufte vorerst drei Stunden, um es mal ausprobieren zu können. Ich vergütete ihm die ersten zwei als Einsteigergeschenk. Seitdem schneie ich einmal monatlich, jedoch ohne nachvollziehbaren Rhythmus bei ihm rein und sichtlich erfreut erzählt er mir die Geschichten, wie er es schafft, seinen Arbeitsstress in den Griff zu kriegen und endlich wieder etwas mehr auf der Geige spielen zu können, die schon ganz verstaubt in der Ecke gestanden habe.
Auch den Rest der Straße beliefere ich seitdem mit Zeit. Es ist etwas anstrengend, aber ich glaube, Herr Pavlow ist bald soweit, in meine Fußstapfen treten zu können. Dann kann ich in den ersehnten Ruhestand gehen. Wenn man so einen Job jahrelang macht, geht das schon an die Substanz. Zwei Jahre will ich noch machen. Vielleicht schelle ich ja bald auch bei Ihnen.
Wieviel Zeit könnten Sie gebrauchen?
Komma Dreizehn. 20/06/2006 18:39
hab dankPaul Riener 19/06/2006 19:41
du machst fotos wie ich sie liebe...extrem cool;buddy !
+++
Frau von und zu Nussschokolade 15/06/2006 19:20
ich seh gerade, du hast nur so prima Photos.Julia Aumann 12/06/2006 16:54
orange...I regenwurm I 08/06/2006 16:40
hey paco!danke fuer dein "ugly" :D
joa, dunkler waer ne alternative... bei mir is nur so: entweder ich bearbeite ein bild ganz oder gar nicht. die meisten gar nicht. so wars auch bei dem. weiss nicht, ich mochts so hell bzw dunkel, wies grade is, aber das ist geschmackssache :D
liebe gruesse,
regenwurm
Lukas Elmiger 07/06/2006 21:34
...sowas vo orange!!!
unglaublich geili pics
TOP!!!!
cheers
Art Is Hard 07/06/2006 12:19
budMaed. 06/06/2006 20:43
danke und krasse klasse bilder.robert . 05/06/2006 13:23
deine farben sind zum größtenteils echt zucker.Signal Grau 02/06/2006 12:03
erfreut.D. M 02/06/2006 9:19
hey, du held. ich liebe. die welt wird gut.