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Anna H., 1944

Anna H., ca 34 Jahre, nachdem die erste Aufnahme im "Photographischen Atelier" gemacht wurde. Der Inhaber desselben wird sein Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gehabt haben, wenn er überhaupt noch gelebt hat. Er erfüllte gewisse Gesetzesvorschriften nicht mehr - wenn er Glück, Beziehungen und genug Geld gehabt hatte, war ihm die Flucht ins Ausland vielleicht gelungen.
Anna H., 63 Jahre alt, sitzt auf einem Holzstuhl am Küchentisch (links von ihr ging es durch eine Schiebetür in die Schuhmacherwerkstatt ihres Mannes, Josef H.). Sie hat den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt. Von ihren 4 Kindern lebten an diesem Tag noch 2, ihre beiden Töchter. Die beiden Söhne "gaben ihr Leben für das Vaterland", wie es offiziell in den Todesanzeigen heißen musste, im Alter von 20 und 17 Jahren. Wie es weitergehen würde, wusste man nicht. Die schwersten Angriffe auf Duisburg standen noch bevor.
Gezeichnet hat das kleine Bild, ca. 13x10cm, ihre Tochter Elisabeth mit Bleistift auf braunes Packpapier.
Meine Mutter konnte sehr gut zeichnen. Sie war zu dem Zeitpunkt 22 Jahre alt, hatte eine "Ausbildung" zur Haushaltshilfe genmacht und lebte, nachdem sie bei Ausbruch des Krieges aus Münster zurückgekommen war, wieder im elterlichen Haus. Ihre ein Jahr ältere Schwester Kathrin, die das Gymnasium verlassen musste, weil sie nicht dem BDM beitreten wollte, starb 1949 an einem Gehirntumor. Ich kenne sie nur von Bildern....

Commentaire 6

  • Hermann A. 20/11/2016 14:56

    Sehr anrührend, Bild und Text!
    Die Nachkriegszeit habe ich miterlebt, bin mitten im Krieg geboren. Die Hälfte meiner Klassenkameraden hatte keinen Vater: Gefallen, in Gefangenschaft (viele Kriegsgefangene kamen erst in den fünfziger Jahre zurück), vermisst...
    Aber man soll es nicht als Vergangenheit abhaken. Ich komme gerade von meiner syrischen Familie zurück, die ich hier betreue. Nette, liebe, gebildete Leute (Akademikerfamilie), aber sie haben die gleichen Schicksale und Sorgen, lernen sehr fleißig deutsch, finden aber kaum Freunde in Deutschland, haben mit bürokratischen Hürden zu kämpfen (wobei ich ihnen zum Glück helfen kann), und sie werden depressiv, haben Heimweh und sehen von außen mit zu, wie ihre Heimatstädte zerbombt werden und Freunde und Bekannte grauenhaft umkommen. Appell an denkende Menschen: Helft mit durch persönliche Betreuung! Ihr werdet Vieles mit anderen Augen sehen!
  • Klaus Rohn 23/01/2015 0:08

    Ich schaue, ich lese, bin sprachlos und mir laufen die Schauer über den Rücken.

    Die Kombination Bild und Text ist genial und sie trifft...

    Klaus
  • Walter Voigt 09/05/2012 18:42

    Ein sehr ergreifendes Bild, das den Eindruck erweckt, als sei es eine Szene aus Gerhard Hauptmanns naturalistischen Dramen.
    Dass es aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges stammt vertieft noch den tragischen Charakter der Zeichnung und gibt dem Ganzen noch einen erschütternden Beigeschmack.
    Liebe Grüße
    Walter
  • Makrogenial 09/05/2012 8:04

    Dann brauchst du dir nicht fragen, woher du dein Talent hast! Wir können nur hoffen, dass solche Zeiten nie wieder kommen. Zeichnung sowie die Erklärung dazu ergeben ein bedrückendes Bild.
    LG ina
  • Hera K. 09/05/2012 0:36

    Berührt mich sehr....ganz in der Tiefe. Und ich muß immer wieder sagen.



    Nie wieder Krieg!

    Wir Mütter gebären die Söhne und Töchter nicht als Kanonenfutter.
    LG Jutta
  • Dominik Berneker 08/05/2012 23:39

    Kann man heute kaum mehr nachvollziehen... eindrucksvoll
    Nächtliche Grüsse
    Dominik