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Cadio P


Free Account, Basel

Dampfschwebebahn

Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Aber manchmal braucht es Worte, um Bilder zu verstehen.

Es war Freitagnachmittag. Die Fotogruppe hatte sich um den Zug im Bahnhof Blumberg geschart und fotografierte das Objekt aus allen Winkeln. Der Lokführer produzierte für die Fotografenschar etwas Rauch, in der Hoffnung, das würde den Aufnahmen seiner Lok zu etwas mehr Dramatik verhelfen. Ich weiss nicht, ob er es gemerkt hat, dass einige mit ihren Fotoapparaten fast unter die Lok gekrochen sind, um möglichst spektakuläre Bilder einzufangen. Auf alle Fälle hat der Lokführer plötzlich mächtig eingeheizt und dann alle Ventile geöffnet, um kräftig Dampf abzulassen. Und, für einen Bruchteil einer Sekunde, schwebte die Lok über den Gleisen. Weil so etwas nicht sein konnte, habe ich bis heute, niemandem davon erzählt.

Am Samstag durften wir der Vorbereitung der Lok für den bevorstehenden Ausflugstag beiwohnen. Danach haben wir uns als Neu-Trainspotter an die Strecke gestellt und von der morgendlichen Fahrt einige Aufnahmen gemacht. Am Nachmittag durften wir selbst auf der Strecke Blumberg – Weizen und wieder zurück mitfahren. Im Anschluss daran haben wir noch einen Rundgang durch das Eisenbahnmuseum am Bahnhof Blumberg-Zollhaus gemacht. In einer nur schummrig ausgeleuchteten Ecke des Museums, dessen Besuch nur empfohlen werden kann, habe ich ein vergilbtes Notizbüchlein gefunden. Aufgeschlagen war eine Seite, auf der die Konstruktionszeichnung eines Ventils zu sehen war. In Altdeutscher Schrift stand daneben „S-Ventil“. Was aber verblüffend war, war die Tatsache, dass das Ventil neben einem Rad montiert war und das Rad auf der Lauffläche keinen Kontakt mehr zur Schiene. Es musste der Entwurf des Schwebeventils gewesen sein. Während sich die anderen Besucher um die scheinbar attraktiveren Exponate scharten, griff ich zu diesem Notizbüchlein und blätterte etwas weiter. So erfuhr ich wie sich die Dinge wirklich zugetragen haben:

Heute werden die damaligen Ingenieure der Streckenführung der Sauschwänzlebahn etwas belächelt. Sie hätten die rasante technische Entwicklung der Dampflokomotiven bei der Planung ausser Acht gelassen und das Gefälle der Streckenführung an die technischen Möglichkeiten zu Beginn der Planung angepasst. Aber eine Dampfschwebebahn, damit hat bis heute niemand gerechnet. Diese mit einer Streckensteigung von 10 Promille zu planen, das wäre sogar heute noch revolutionär gewesen. Als die Strecke der heutigen Museumsbahn zwischen 1876 und 1890 erstellt wurde, haben die Preussischen Machthaber, so war es den Notizen des gefundenen Büchleins zu entnehmen, versucht, die Köhler des Schwarzwaldes dazu zu zwingen, für den gleichen Preis die vierfache Menge an Kohle zu liefern. Es ist ja leicht nachzuvollziehen, dass der Betrieb einer solchen Bahn Unmengen an Kohle verschlungen hätte und weil die Kassen schon damals klamm waren, mussten die Lieferanten eben ihre Preise drastisch senken. Doch die Köhler wehrten sich. Sie versteckten sich im Wald und führten sozusagen einen der ersten Guerillakriege Europas (Der erste Guerillakrieg war der spanische Unabhängigkeitskrieg von 1807 bis 1814 gegen die französische Fremdherrschaft unter Napoleon). Auf „unerklärliche“ Weise kamen preussische Soldaten durch Steinschlag, Überschwemmungen in engen Tälern, in die sie durch die Köhler gelockt wurden, zu Tode. Überflüssig zu erwähnen, dass die Köhler in der Bevölkerung grosse Sympathien genossen und vor den preussischen Truppen in Schutz genommen wurden. Diese Schmach der preussischen Truppen ist bis heute nicht in die Geschichtsbücher Europas aufgenommen worden: Die Niederlage war zu peinlich.

Die Einführung der Dampfschwebebahn ist somit letztlich an der Versorgung mit genügend Kohle gescheitert. Eine unglaubliche Geschichte, wenn man bedenkt, dass die Entwicklung des Transrapids erst 1969 begonnen wurde, der 1979 den Testbetrieb aufgenommen hat.

EXIF-Daten (no fake): f 8, 1/50 S., ISO 400, 70 mm

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