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"Ein Männlein steht im Walde"

"Ein Männlein steht im Walde"

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Monika Paar


Free Account, Graz

"Ein Männlein steht im Walde"

... von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) heißt eines jener unsterblichen Lieder, die von Jung und Alt bis heute gerne gesungen werden. Das Männchen steht auf einem Bein und trägt "ein Purpur Mäntelein". Die Frage "Sag wer mag das Männlein sein?" wird von den Illustratoren meist durch die Abbildung eines Fliegenpilzes beantwortet.

Der Fliegenpilz wird in zahlreichen Märchen und Sagen immer wieder mit dem Volk der Zwerge in Zusammenhang gebracht. Sind die Schilderungen von den unterirdischen Kristallpalästen der Zwerge vielleicht poetische Umschreibungen für Rauschzustände, die nach der Einnahme des Fliegenpilzes auftreten? Ermöglicht der Fliegenpilz, wie es der Name sagt, das "Fliegen" in andere Bewusstseinsdimensionen, eine innere Reise in die normalerweise verborgene Welt der Feen und Elben zum Beispiel oder einen Tripp in die verwunschenen Märchenreiche und unterirdischen Schatzhöhlen, in denen das Volk der Zwerge, Kobolde und Naturgeister haust? Ist dies das Reich, in das die Seelen der Toten nach einem Prozess der Läuterung eintreten? Verbergen sich in Zwergensagen weit in die Zeit zurückreichende Jenseitsvorstellungen? Wie das Hufeisen ist der Fliegenpilz mit dem weißen Stiel und der roten Kappe jedenfalls bis heute ein Glückssymbol und wer ihn findet, ist ein Glückspilz. Ihm steht das Tor zu einer anderen Welt offen.
In Sibirien ist der Fliegenpilz die heilige Pflanze der Schamanen, die sich mit seiner Hilfe in eine andere Bewusstseinsdimension begeben. Rituell verwendet werden Fliegenpilze vor allem noch von den Kamtschadalen, Korjaken, Tschuktschen und den Jukagiren.
Versuche haben ergeben, dass ein bis vier mittelgroße Pilze zu Übelkeit, Dösigkeit und Mattheit führen. Dazu kommen Gefühle der Schwerelosigkeit, Euphorie und manchmal auch die Wahrnehmung farbiger Bilder. Beim Genuss von fünf bis zehn Pilzen treten deutliche Vergiftungserscheinungen auf. Erregungszustände und wirre Halluzinationen sind die Folge. In einem traumreichen Schlaf klingen die Wirkungen wieder ab. Ob größere Mengen zum Tod führen, ist bis jetzt nicht erwiesen.

Aus "Im Reich der Geister und tanzenden Hexen.
Jenseitsvorstellungen, Dämonen und Zauberglaube" von Kurt Lussi

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