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Schafe

Für mich tiefster Ausdruck von Heimat: Schafe in den Rheinwiesen, entlang der alten Emscher in Beeck, mitten in der Stadt, vor den Kulissen der Industrie, ein Stückchen alter Kultur. Und auch Teil meiner frühesten Erinnerungen. Unser Hund war kaum zu halten, wenn Schafe in der Nähe waren und wälzte sich gern in deren Hinterlassenschaften, ein Parfum, das meine Großmutter ihrerseits mit Parfum zu bekämpfen suchte. Der Effekt war umwerfend und der Hund musste schließlich doch in die Badewanne. Bei einem Spaziergang fanden mein Vater und ich einmal ein totes Lämmchen in den Rheinwiesen, vielleicht schon tot geboren, winzig klein. Es war ein schwarzes Lamm, das vergesse ich nie und auch nicht, wie mein Vater seine bestürzte kleine Tochter zu trösten versuchte, selbst hilflos bei diesem Anblick.

01.01.2015, Rheindeich in Laar

Commentaire 8

  • gelbhaarduisburg 06/01/2015 11:55

    @Katrin
    @westfalia
    ...ich wußte, ich hatte sie irgendwo noch, die olfaktorische Kindheitserinnerung:


    Duft der Kindheit

    hochsommersonne
    stechende süße faulender
    äpfel zwischen hühnerkot
    kieseln und vertrocknetem
    gras schiffsdieselfahnen
    durchflirren pappeln mais
    und schleusentore.
    spielplatz rohbau schmeichelnd
    süßer bunter tod aus brennenden
    styroporkuben fliegt auf
    wäscheleinen zu alle hosen
    hemden röcke socken in
    pastellnen aromen vereint.
    grünkohl und m i r a c u l i
    und dichter fön von
    marmeladen und kompotten
    drängen aus den küchen
    der duft der kindheit doch
    vor und über allem:
    rinderfladenmief der weiden
    bei westwind gülleböen
    von den äckern am bahnhof
    diese eine ecke allnächtens
    von den säufern frisch bestrullt
    und noch bevor die bagger
    kräne mischmaschinen kommen
    gräbt ein verschwitzter kerl
    ein tiefes loch ins bauland
    stülpt eine wellblechhütte drüber
    keine chemie kein d i x i e - k l o
    fertig ist das örtchen aus dem
    in alle obst- und kindergärten
    ringsum stechend würgend dringt
    die scheiße der maurer.

    Jens E. Gelbhaar 2002
  • westfalia 04/01/2015 19:29

    ich glaube, ich kann es ganz gut nachvollziehen!
  • gelbhaarduisburg 04/01/2015 19:25

    @westfalia
    Gelegentlich könnte ich deine Anmerkugen einfach nur copy-&-paiste-mäßig übernehmen... Ich belasse es hier mal beim letzten Satz:

    Ein schönes und mit der Geschichte anrührendes Bild!

    Hinzugefügt dies: Zu meiner Schande gestehen muß ich, dass ich als Kind das Landleben direkt vor der Tür, aber bis zu meinem 15. Lebensjahr zu Tieren jeglicher Art nicht das geringste Verhältnis hatte, gleich mal gar kein gutes. Sie standen bei mir - von meinen Aquariumsfischen abgesehen - für nichts als Gerüche und Geräusche, die keiner mag. "Schwein" bedeutete bestenfalls Braten, "Schaf" günstigstenfalls Pullover. Lebendig war mir jegliches Getier nicht geheuer. Aber zwei kleine Analogien zu diesem Foto samt Geschichte habe ich doch - wenn auch vielleicht ein wenig schwer als Analogien nachzuvollziehen:

    Wenn es ein Parfum gab, das mich immer vollends in absolute Glücks- u. Geborgenheitsgefühle hüllen konnte, war es der Geruch von Schiffsdiesel über dem Wesel-Datteln-Kanal. Ich bin nun mal Schifferkind durch und durch! Und war leider aber auch total fernsehsozialisiert: Mit 5 sah ich eine Doku aus dem 2. WK und darin die Bombardierung Desdens, das ich bereits sehr liebte, da mich Oma + Opa schon dorthin geführt hatten. Ich hielt das für Aktualität und schrie und heulte: "Oma, die bomben dein Dresden kaputt!". Oma brauchte eine Weile, um mir klarzumachen, was mein Irrtum war, und hat dann erst mal eine Weile mit mir zusammen geheult.
  • westfalia 02/01/2015 21:42

    ich glaube, dass es die erlebte Kindheit ist, die uns das Gefühl von Heimat macht. Und insbesondere die Momente der Erschütterung, die sich mit unerwarteter Gewalt eigentlich nur in unserer kleinen vertrauten Geborgenheit so umfassend ausbreiten konnte.
    Ich habe ein Bild aus meiner Kindheit von einem schweren Unfall direkt vor unserem Haus im Kopf. Was mich mehr noch als der Anblick eines Toten schockierte, war, dass er mich mitten in MEINER Welt getroffen hat.

    Ein schönes und mit der Geschichte anrührendes Bild!
  • PodoFoto 02/01/2015 19:17

    Der Text zeigt, wie verwurzelt Du mit dieser Stadt bist.
    In vielen Situationen werden Erinnerungen wach, lassen uns an längst vergangene Zeiten denken.
    Schafe und der Rhein gehören einfach zusammen. Ich freue mich auch immer, wenn mal welche zu meinem Motiv passen.

    LG und alle guten Wünsche
    Heinrich

  • RL AUS OB 02/01/2015 11:50

    ... mach dat Mäh mal ei

    Text und Foto super.

  • Andreas Beier Fotografie 02/01/2015 9:51

    klasse text zum gutem bild