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Stark gefährdet, extrem selten: Hochmoor-Wühlwolf

Stark gefährdet, extrem selten: Hochmoor-Wühlwolf

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Weißwolf


Premium (World), Güstrow

Stark gefährdet, extrem selten: Hochmoor-Wühlwolf

Neun Arten einschließlich einer Unterart der Wühlwölfe (Arctosa) sind in Deutschland heimisch, nur zwei gelten nach der aktuellen Rote Liste der Spinnen (2016) als ungefährdet. Zu den stark gefährdeten Arten zählen der Ufer-Wühlwolf (A. cinerea), der zugleich streng geschützt ist, und der Hochmoor-Wühlwolf (A. alpigena lamperti), der nicht geschützt ist.
Letzterer ist z.Z. als Unterart des Alpen-Wühlwolfs (A. alpigena) anerkannt, wird aber von einigen Autoren als eigenständige Art - Arctosa lamperti - behandelt. Er lässt sich zwar morphologisch relativ leicht von der Nominatform (A. alpigena alpigena) und von allen anderen Wolfsspinnen unterscheiden, allerdings nicht anhand der Genitalien beider Geschlechter, was bei den Spinnen grundsätzlich als das Maß der Dinge gilt. Die Angaben der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) einschließlich der Quellen, auf die sie sich bezieht, sind hinsichtlich der Beine nach eigenen Beobachtungen fraglich: sie sind beim Hochmoor-Wühlwolf gerade nicht „kräftig geringelt“, sondern mehr oder weniger einfarbig braun.
Beide Unterarten unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Lebensraumansprüche relativ deutlich. Die Nominatform bewohnt alpine Rasen und steinige Heiden mit Zwergstrauchformationen oberhalb von 1.500 m Höhe in den Alpen, nordwärts dann erst wieder in den schottischen Highlands, in den skandinavischen Gebirgen und auf Island. Der Hochmoor-Wühlwolf ist dagegen an Moore, wahrscheinlich ausschließlich an Regenmoore (Hochmoore, Kesselmoore) mit geschlossenen Sphagnum-Decken gebunden und bewohnt das Gebiet zwischen den Alpen und Skandinavien.
Dieses Verbreitungsmuster ist typisch für Eiszeitrelikte und begründet auch deren Gefährdung. Selbst wenn diese bislang ausschließlich an klimatischen und damit vermeintlich vom Menschen unbeeinflussbaren Faktoren hing, in den Regenmooren insbesondere von einem Überschuss an Niederschlag gegenüber der Verdunstung, dürfte sich das in den nächsten Jahrzehnten ändern. Kaltstenotherme Arten der gemäßigten Breiten, d.h. solche, die in einem relativ engen, aber niedrigen Temperaturbereich leben, reagieren auf Temperaturanstieg und damit verbundene Austrocknung i.d.R. sehr empfindlich. Das Überleben der Wolfsspinne ist nur dann gesichert, wenn sie sich bei oberflächlicher Erwärmung der Torfmoose in tiefer gelegene, kühlere Moosschichten zurückziehen kann.
Der Fund in Mecklenburg-Vorpommern 2023 kam zunächst überraschend, weil ihn niemand auf dem Schirm hatte und er hier nicht erwartet wurde. Als er gefunden worden war, hätte man sich vielleicht denken können: wenn nicht hier, wo dann? Das Kesselmoor bei Güstrow ist eines der wenigen, wenn nicht das einzige vom Menschen unbeeinflusste Moor im ganzen Land. Die anderen Regenmoore sind über die Jahrhunderte angegriffen, intensiv genutzt und zum großen Teil vernichtet worden - dort brauchen wir in der Tat nicht nach ihm suchen. Das Kesselmoor mit seinem gerade einmal 2 ha großen, frei besonnten Regenmoor-Kern stand nicht gerade im Fokus für spektakuläre Funde, denn je kleiner ein isolierter Lebensraum, desto unwahrscheinlicher ist das langfristige Überleben einer autochtonen Population, weil in ihnen die genetische Vielfalt mit der Zeit (Zahl der Generationen) verarmt und die Population über kurz oder lang erlischt. Denn anders als der ebenfalls stark gefährdete Hochmoor-Perlmuttfalter* (Boloria aquilonaris) verbreitet sich der Wühlwolf nicht über den Luftweg (bei Spinnen: Ballooning).
Freilich wussten wir um die Bedeutung des Moores und um seine Verletzlichkeit. Der Fund dieses extremen Lebensraumspezialisten zeigt uns aber, wie fragil das System im Detail wirklich ist und das es den Schutz tatsächlich nötig hat.
Wie aber schützt man ein Regenmoor vor einer Klimaänderung?
Wie schützt man den Hochmoor-Wühlwolf, für den Deutschland wegen der hochgradig isolierten Vorkommen „in besonderem Maße verantwortlich“, der aber als Art nicht geschützt ist? - anders etwa als der eingangs erwähnte Ufer-Wühlwolf, der nach der Bundesartenschutzverordnung nicht nur „besonders“, sondern sogar „streng geschützt“ ist und für den Deutschland (nur) eine „allgemeine Verantwortung“ trägt.
Freilandbeobachtungen zum Hochmoor-Wühlwolf gibt es nicht, so dass über sein Leben fast nichts bekannt ist; die spärlich vorhandenen Aussagen sind zudem widersprüchlich. Anders als die anderen Wühlwölfe scheint er keine festen, mit Seide ausgekleidete Wohnröhren anzulegen, sondern ein vagrantes Leben zwischen den Torfmoos-Pflanzen (Sphagnum spec.) zu führen.

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