Versöhner und Gesamtdeutscher
[Evangelischer Friedhof der St.-Christophorus-Gemeinde Berlin-Friedrichshagen • 29. September 2023]
Johannes Bobrowski (9. April 1917 Tilsit – 2. September 1965 Ost-Berlin)
Ehrengrab der Stadt Berlin, Familiengrab E I 12, 21-24, Grabstein von Bildhauer Wieland Förster
Die ostpreußische Heimatstadt hat er u.a. mit Armin Mueller-Stahl gemeinsam.
Johannes Bobrowski wurde zu einem international geschätzten Schriftsteller, Erzähler und Lyriker.
Seine Schwester Ursula (1920 – 2001) widmete sich als Fotografikerin dem Sinn des Christseins im Kommunismus.
Vom ersten bis zum letzten Kriegstag war Bobrowski Angehöriger der Wehrmacht.
Die ermöglichte ihm 1941 ein Studiensemester Kunstgeschichte in Berlin.
Das Angebot, für Eintritt in die NSDAP weiterstudieren zu können und nicht an die Front zu müssen, lehnte er ab.
Trotz seiner Standhaftigkeit musste er 1945-49 als sowjetischer Kriegsgefangener in einer Kohlengrube schuften.
Nach Gründung der DDR arbeitete er hauptberuflich als Lektor:
im Altberliner Kinderbuchverlag Lucie Groszer und im Union Verlag Berlin der Ost-CDU.
Nebenbei veröffentlichte er Gedichte und Erzählungen in ost- und westdeutschen Verlagen.
Zur Popularität verhalf ihm, wie auch Martin Walser und Günter Grass, die Einladung der "Gruppe 47".
Am bekanntesten wurden "Sarmatische Zeit" (1961), "Schattenland Ströme" (1962) und "Levins Mühle" (1964).
Letzteres wurde 1980 von der DEFA verfilmt und gilt bis heute als Meilenstein der DDR-Filmkunst.
Als eher unpolitischer Christ verstand sich Bobrowski immer als gesamtdeutscher Schriftsteller.
Für seine deutsch-deutschen Aktivitäten wurde er ab 1963 von der Stasi observiert.
Wichtig war ihm dabei die Aussöhnung mit den von Hitler überfallenen Ländern Osteuropas.
Dafür wurde er von zahlreichen Schriftstellern und Publizisten geehrt und zitiert,
darunter Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger und Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller.
Das litauische Willkischken bei Tauroggen, Schauplatz eines seiner Werke, hat ihm ein Museum gewidmet.
The CANONier 29/10/2023 8:30
Ein Grabstein an dem man schnell vorbeigeht. Dazu hast Du recherchiert und mit einem mal gewinnt der schlichte Grabstein Bedeutung. unter anderem das finde ich an der Fotografie so toll, das man Geschichten entdecken kann. Gut gemacht!Zwecke 09/10/2023 14:33
Meine Trautel hat sich sehr für ihn interessiert und hat ihn geliebt, ich finde eine ganze Reihe Bücher von ihm in ihren Schrank::Selbstzeugnisse und neue Beiträge, Er liest Lyrik und Prosa, Levins Mühle, Der Mahner, Schottland Ströme, Wetterzeichen, Sarmatische Zeit, Boehlendorff und Mäusefest und Litauische Claviere.
Der Union Verlag Berlin hat sich mit seinen Werken eine goldene Nase verdient. Jetzt sind wir so alt und keiner schaut sie mehr an.
LG Horst
Rüdiger G 08/10/2023 11:04
Danke für diese wichtige und gute Erinnerung!Eifelpixel 08/10/2023 6:47
Wieder ein gutes Gesamtwerk das Bild und der LebenslaufJoachim