Vielen Jüngeren geht es schlechter ...

Vielen Jüngeren geht es schlechter ...

Doris lernte ich in Chef's Cafe auf dem Weg zwischen Alamogordo und El Paso kennen. Schnell hatte sie herausgefunden, dass ich Deutscher bin und nach wenigen Minuten waren wir in ein Gespräch vertieft.

Doris lebt mit ihrem Mann Roy in Orogrande, einer alten Goldgräberstadt mit 54 Einwohnern (wie ich inzwischen herausgefunden habe). Sie waren vor etwa 40 Jahren hierhergezogen.

Nein, Gold wurde damals schon nicht mehr abgebaut, aber die US Army nutzte die White Sands Missle Ranch, um Raketen- und Bombenversuche zu machen. Da waren auch einige deutsche Wissenschaftler, die nach dem 2. Weltkrieg herübergekommen waren ...

Später hatte Roy dann eine Arbeit auf der Holloman Air Force Base gefunden und irgendwie ist man in Orogrande hängengeblieben. Man kennt hier jeden ... die Dinge laufen ihren gewohnten Gang und Chef macht das beste Frühstück weit und breit ... (was keine Kunst ist, denn meiner Meinung nach ist er der Einzige, der weit und breit Frühstück macht).

Dann muss ich ihr Alter erraten. Dinge, die mir wirklich liegen, denn in dieser Angelegenheit kann man nur verlieren. Freundlich sage ich, sie sähe aus wie 65.
Ein dankbares Lachen ist die Antwort. Nein, sie ist 85 Jahre alt ... aber es geht ihr wirklich gut. Vielen Jüngeren geht es schlechter ...

Und dann geschieht etwas sehr bemerkenswertes:

Doris steht ohne die Unterstützung ihrer Arme aus einem Stuhl auf, stellt sich mit geschlossenen Beinen hin und beugt sich langsam nach vorne, um ihre Zehenspitzen mit durchgedrückten Beinen zu berühren.

Ich bin beeindruckt!

Da steht eine fünfundachzigjährige Frau in einem Cafe und macht Turnübungen ...
Es ist wie in einem Film ... nur sie und ich erleben die reale Handlung, während um uns herum die Gäste des Cafes der ganzen Sache nicht die geringste Beachtung schenken und still ihren Gesprächen untereinander nachgehen ... offenbar sind sie schon viel zu oft Zeuge der herausragenden Beweglichkeit ihrer Nachbarin geworden.

Nach einigen lobenden Worten zur Vorstellun werde ich (obligatorisch amerikanisch) zu den beiden nach Hause eingeladen. Man wohnt quasi direkt hinter dem Cafe und wenn ich noch einmal in der Nähe sei, soll ich doch gerne einmal auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen ... Mit all meiner Freundlichkeit verweise ich auf diverse Termine, die ich noch habe ...

Aber vielleicht nehme ich ein solches Angebot irgendwann einmal an, alleine der Geschichten wegen ...