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Auschwitz-Birkenau 2019 (9)

Auschwitz-Birkenau 2019 (9)

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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Auschwitz-Birkenau 2019 (9)

Sonderkommando

Auszug aus dem Protokoll der Vernehmung von Henryk Tauber (Mitglied des Sonderkommandos – sowie Zeuge der Inbetriebnahme von Krematorium II) durch Jan Sehn, Mitglied der Kommission zur Untersuchung der Hitlerverbrechen in Oswiecim (deutsch: Auschwitz), in Anwesenheit und unter Mitwirkung von Edward Pechalski, Oswiecim, vom 24.05.1945

Die Zahnärzte, die ebenfalls unter den Häftlingen rekrutiert worden waren, schauten mit Ausnahme der Kinder jeder Leiche in den Mund. Ließ sich der Mund nicht öffnen, rissen sie das Gebiss mit der Zange auseinander, die sie auch zum Ziehen der Zähne benutzten. Wie ich bereits erwähnte, wurde die Arbeit der Zahnärzte durch die dabei assistierenden SS-Männer genau kontrolliert. Von Zeit zu Zeit unterbrachen sie die Verladung der bereits von den Zahnärzten bearbeiteten Leichen, schauten in die Münder und fanden hin und wieder noch einen Goldzahn, den die Zahnärzte vergessen hatten. Ein solches Versäumnis wurde als Sabotage gewertet und der entsprechende Zahnarzt bei lebendigem Leibe im Ofen verbrannt. Ich war selbst Zeuge, wie ein Zahnarzt, ein französischer Jude, auf diese Weise umgebracht wurde. Er wehrte sich und schrie, aber die SS-Männer, es waren mehrere, ergriffen und überwältigten ihn und luden ihn in den Ofen. Bei lebendigem Leib verbrannt zu werden wurde auch bei Angehörigen des Sonderkommandos häufig als Strafe verhängt; es gab aber auch noch andere Strafen. Einige wurden an Ort und Stelle erschossen, andere in ein Wasserbecken geworfen, gefoltert und geschlagen, der nackte Körper wurde über Kies gerollt und ähnliche Quälereien. Bestraft wurde zur Abschreckung in Anwesenheit des gesamten Sonderkommandos. Ich erinnere mich an einen Vorfall im August 1944 im Krematorium V. Damals wurden bei einem der einfachen Arbeiter, einem ungefähr 20-jährigen kleinen, braunhaarigen Juden aus Wolbrom namens Lejb mit einer Nummer etwas über 108.000, während des Schichtwechsels ein goldener Ring und eine ebensolche Uhr gefunden. Das gesamte im Krematorium tätige Sonderkommando wurde zusammengerufen. Vor aller Augen wurde der Junge mit rücklings zusammengebundenen Armen an einer der Eisenstangen über dem Generator aufgehängt. In dieser Position hing er etwa eine Stunde. Danach lösten die SS-Männer Arm- und Beinfesseln und steckten ihn in einen unbeheizten Ofen im Krematorium. Unter dem Aschebehälter goss man Benzin aus und zündete es an, so dass die Flammen die Muffel erreichte, in der Lejb lag. Nach einigen Minuten öffnete man den Ofen, der von schweren Verbrennungen gezeichnete Todeskandidat kam heraus und musste über den Hof des Krematoriums rennen und dabei rufen, dass er ein Dieb sei. Danach befahl man ihm, auf die Stacheldrahtumzäunung des Krematoriums zu klettern, die aufgrund der Tageszeit nicht unter elektrischem Strom stand. Als er den Zaun erklommen hatte, erschoss ihn der Chef des Krematoriums, Otto Moll. In einem anderen Fall trieben SS-Männer einen Häftling, der bei der Arbeit im Krematorium nicht schnell genug war, in eine Grube, in der sich siedendes menschliches Fett befand. Damals wurden die Leichen noch in offenen Gruben verbrannt, aus denen das Fett in eine gesonderte Erdgrube abfloss und dort gesammelt wurde. Mit diesem Fett wurden dann die Leichen begossen, um den Verbrennungsprozess zu beschleunigen. Der unglückliche wurde lebend aus dem Becken mit dem Fett geholt und erschossen. Um den Formalitäten Genüge zu tun, wurde die Leiche in den Block gebracht und ein „Totenschein“ ausgestellt.

(Quelle: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Band 16 – Das KZ Auschwitz 1942-1945 und die Zeit der Todesmärsche 1944/45)
Mehr:
http://www.fotocommunity.de/user_photos/1694560?sort=new&folder_id=671134

Commentaire 8

  • Nebelhexe 26/02/2019 20:00

    Du hast hier schon sehr viele grausame Dinge niedergeschrieben und ich war oft entsetzt, auch wenn es nicht immer neu für mich war. Das hier ist für mich mit Abstand das schlimmste, was ich je aus dieser Zeit gehört habe. Der enge Ofen, das verzweifelte Schreien, die Angst und die Unbarmherzigkeit zu wissen, das es geschieht. Jeder hat sich schon mal an einer kleinen Stelle verbrannt und kennt den Schmerz, aber nicht am ganzen Körper, überall, und das auch noch solange, bis es zu Ende ist - und man weiß es auch noch!
    Ich werde niemals verstehen, wie man so etwas machen kann, wo doch jeder selber weiß, oder zumindest die Vorstellungskraft davon hat, wie groß diese Qualen sind.
    Es ist furchtbar das die meisten dieser Täter nie gefasst wurden, und danach ein ganz normales Leben führen konnten. In diesen Fällen hätte ich gerne die Regel - Auge um Auge und Zahn um Zahn gesehen, das wäre richtig gewesen und nichts anderes!
    LG
  • Frank G. P. Selbmann 26/02/2019 15:52

    dein text führt vor augen, wie unvorstellbar grausam das geschehen in auschwitz und den anderen kzs war. dazu passt deine sehr gute winterliche aufnahme, lieber stefan!
    liebe grüße franK
  • Urs V58 25/02/2019 22:44

    Den Text zu lesen, ist kaum zu ertragen ... danke für dieses Mahnmal in Wort und Bild!
    LG Urs
  • JAM-Fotografie 25/02/2019 19:34

    Grauenhaft und kaum zu ertragen. 
    Grüße Jürgen
  • Joachim Irelandeddie 25/02/2019 15:46

    Ein entsetzlicher Bericht den du hier niedergeschrieben hast, man kann und will nicht glauben das es Menschen gegeben hat... und vielleicht auch noch gibt - die zu so etwas fähig sind! Können die ruhig schlafen? Dieses traurige Majnmal hast du sehr gut hier aufgenommen und durch den Schnee kommt die eiseskälte die damals geherrscht hat sehr gut rüber.

    lg eddie