Beispiel einer Rötlings-Bestimmung: Entoloma conferendum
Hallo, zusammen
Der Pilz stammt vom letzten November.
Standort:
Extensiv beweidete, stickstoffarme Wiese (Schafe, Kühe)
mit Wiesenellerling und Grünling am gleichen Platz.
Geruch: 0 (?!).
Ich habe das abgebildete Exemplar
von oben bis unten durchmikroskopiert.
Ich möchte Euch heir zeigen, wie das geht.
- Der Schnitt durch die Huthaut,
in 400-facher Vergrösserung
zeigt eine sehr dünne Cutis,
(zusätzlich mit einzelnen trichodermal
aufstehenden Elementen in Hutmitte)
aus zylindrischen Elementen mit
wurstförmigen Enden
bis fast leicht keulenförmigen Enden
über länglich-ovalen, klotzigen Strukturen.
Die Farbpigmente sind intrazellulär und
in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich:
Sandig-fein über dickfädig und reiskornartig bis unförmig-klumpig-grob.
Schnallen keine gefunden.
Hier die Mikrobilder, damit ihr versteht, was ich meine:
(Vergrösserung 400-fach)
http://pilz-baden.ch/harald/Forum/Entoloma/Mikro/conferendumPigment01.jpg
http://pilz-baden.ch/harald/Forum/Entoloma/Mikro/conferendumPigment02.jpg
Dass das Farbpigment intrazellulär ist,
(also nicht auf den Zellen draufsitzt)
ist ein wichtiges Merkmal,
um den Pilz zu bestimmen.
Weiter habe ich unter dem Mikroskop nach
Cheilozystiden gesucht. (negativ).
Ich habe nach Pleurozystiden gesucht (negativ).
Die Basidien (Sporenträger) waren 4-sporig,
ohne Basalschnallen.
Wichtig sind die Sporen.
Sie sind bei Rötlingen generell rosa und eckig geformt.
Hier sind sie geradezu sternförmig, als wären
zwei Dreiecke übereinander gelegt:;
http://pilz-baden.ch/harald/Forum/Entoloma/Mikro/conferendumSporen01.jpg
Die Sporen müssen unter dem Mikroskop
gemessen werden.
Hier messen sie im Schnitt
10 mal 8.5 tausendstel Millimeter.
Ergebnis der Untersuchung:
Entoloma conferendum, var. conferendum,
Kreuzsporiger Filzrötling.
Falls die Farbpigmente, wie oben gezeigt,
nicht intrazellulär wären,
würde es sich um
Entoloma conferendum var. incrustatum
handeln,
bei kleineren, auf Holz wachsenden Exemplaren um
Entoloma conferendum, var. pusillum.
Kompliziert?
Ja!
Entolomas zu bestimmen braucht Zeit
und viel Geduld.
Erschwerend:
Es herrscht ein riesiges Chaos
in der Bestimmungsliteratur.
Das obige Exemplar habe ich mit
"Funga nordica" (englisch)
und "Gröger"
(Regensburger mykoloigsche Schriften, Band 1)
bestimmt.
Aber: es macht Spass!
Ich hoffe, ich langeweile Euch
nicht mit solchen Beiträgen....
Hans-Peter Hein 30/10/2010 18:35
Danke für diese ausführliche Beschreibung; das habe ich mir gleich ausgedruckt und abgeheftet.LG Hans-Peter
Wolfgang Nowak 30/10/2010 0:14
cooler Beitrag. Du solltest ein Buch schreiben, oder jedenfalls für Wikipedia.Maria J. 28/10/2010 20:19
@ Harald Andres...eigentlich hatte ich mehr an den verdrehten Hals
des Pilzes gedacht - nicht an deinen...:-)))
Aber mit dem Wort "Hals" für einen Pilz
habe ich dich sicher total durcheinandergebracht :-))
Das nächste Mal sage ich Stiel,
Fuß oder Stamm zu dem Hals :-)))
Gruß, Maria
Beat Bütikofer 28/10/2010 18:08
Das Bild gefällt mir, der ganze Vorgang der Bestimmung interessant. Trotzdem werde ich mich weiterhin mit der optischen Bestimmung begnügen und damit halt eine Vielzahl von Pilzen nicht richtig benennen können.Besonders finde ich hier den verdrehten Stiel, nehme an damit kann der Kreis der Verdächtigen schon mal eingegrenzt werden. Grashalme wegzupfen ist bei diesem Standort sicher schwierig und man lässt es besser gleich bleiben, sonst ist der Pilz plötzlich auch weg.
LG Beat
Gruber Fred 28/10/2010 15:53
Hier hätte ich auch nicht weggezupft,dass ist Natur pur.Ein tolles Bild mit einer ausführlichen interessanten Info.LG Fred
Harald Andres Schmid 28/10/2010 15:45
@Uli:Das Bild ist mit meiner alten
Coolpix 4500 entstanden.
Ich staune immer noch über
die Qualität, die die Kamera bietet.
Hälmchen wegzupfen?
Eine Glaubensfrage.
Ich habe eher wieder mehr
die Tendenz, "unordentlich"
zu fotografieren, und das Umfeld
mit einzubeziehen, wie es halt
ist.
Gruss, Harald Andres
Harald Andres Schmid 28/10/2010 15:36
@Uli:Ich weiss, ich weiss, ich habe
hier seit Menschengedenken
nichts mehr eingestellt.
Ich habe noch ein paar Sachen,
ähnlich wie diese hier,
vom letzten Jahr, wenn Ihr möchtet....
Uebersetzt?
Du hast doch den "Gröger".
Versuch Dich mal an den Entolomas
damit, es geht tatsächlich!
Gruss, Harald Andres
Harald Andres Schmid 28/10/2010 15:34
@Maria:Da war keine andere "Schnalle",
mich abgelenkt hätte ;-)
Auf Trab hielten mich allerdings
die Schafe, die meine Aktivitäten
auf ihrer Wiese
unglaublich interessant fanden...
Lieben Gruss, Harald Andres
Uli Esch 28/10/2010 13:48
Na, endlich mal wieder ein Bild von Dir! Und dann auch noch fein geschlüsselt. Hast den Schlüssel gleich ins Deutsche übersetzt??? ;-))Zum Bild:
Ein paar Hälmchen und Blättchen hätte ich vielleicht noch weggezupft. Ansonsten sehr fein!
LG
Uli
Morgain Le Fey 28/10/2010 12:44
Das ist schon eine ziemlich komplizierte Wissenschaft, die Du da betreibst. Vielen Dank für diesen interessanten Einblick. Jetzt weiß ich, was ich schon immer geahnt hatte - ich habe absolut keine Ahnung von Pilzen... ;-)Gruß Andreas
Maria J. 28/10/2010 11:57
Hier spricht der Fachmann!Und es klingt alles sehr spannend für mich!
Diese Welt unter dem Mikroskop betrachten zu können, ist ein anderes, völlig fremdes Gebiet.
Ehrlich gesagt, wenn es um Schnallen geht,
würde ich sie wahrscheinlich außen am Hut suchen...vorausgesetzt, der Pilz trägt keine Schuhe ;-))
Dein Foto verleitet mich eher zu der Frage:
warum hat der Pilz einen so verdrehten Hals?!
Und da wären wir wieder bei einer noch anderen "Schnalle", die möglicherweise am Ende des Waldstücks seine Aufmerksamkeit erregt hat...:-))?!
Gruß, Maria
Lucy F. 28/10/2010 11:47
Klasse Aufnahme! Deine Info finde ich sehr interessant. Das klingt ja irre kompliziert. Habe teilweise schon Mühe, Pilze anhand von Fotos in Pilzbüchern zu identifizieren (welche oft von Buch zu Buch sehr verschieden sind und häufig von minderer Qualität sind).LG Lucy F.
Tim Brüning 28/10/2010 11:39
Die Natürlichkeit im Foto mag ich sehr.So kommt dieser Pilz besonders gut zur Geltung.
Gruß, Tim