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Der Tod an Bord...Witte Aaland ( unbedingt lesen )

Der Tod an Bord...Witte Aaland ( unbedingt lesen )

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Der Tod an Bord...Witte Aaland ( unbedingt lesen )

Es ist lange her, da lebte in Neßmersiel ein Fischer Jan Hugen. Seine Hütte, in der schon sein Vater und sein Urgroßvater gewohnt hatten, stand ganz allein am äußersten Ende der Insel Bermeroog ( Baltrum ) gegenüber. Er fing seine Fische im Watt oder fuhr auf Schellfischfang aufs Meer hinaus. Und wenn einmal jemand nach den Inseln wollte, brachte er ihn mit seinem Boot hinüber. Was er verdiente, das langte so eben, um Frau und Kinder durch die Zeit zu bringen.
Es gab aber einen Tag im Jahr, der Jan Hugen einen Segen ins Haus brachte, wenn ihm auch heimlich davor bangte. Das war der Tag, an dem die Sonne so spät kommt und so früh geht wie an keinem anderen, dann erschien Schlag zwölf um die Mittagszeit ein Mann, der schon zu seinem Vater und Großvater gekommen war zur selben Stunde, und der doch aussah, als ob er niemals älter würde. Es war ein kleiner, stämmiger Mann, er trug einen Mantel aus gelbem Tuch mit silbernen Knöpfen, unter dem schwarzsamtne Kniehosen sichtbar waren, dazu seidene Strümpfe und Schnallenschuhe, die waren so blank, als hätten sie keinen Schritt durch den weichen Klei getan. In der rechten Hand hatte er einen gelben Gehstock mit goldenem Knopf, in der linken ein Taschentuch. Immer kam er mit derselben Frage herein :“ Bün ik hier recht bi
Vedder Fiskermann ? Mag ik en Woort mit jo proten ? „
( Bin ich hier richtig bei dem Fischermann und kann ich mit euch sprechen ? )
Dann ging Jan Hugen mit ihm abseits nach dem Fenster, und der andere fragte weiter : „ Wi hebben en Laden ( Ladung ) to verfrachten, will ji fahren ?“
„ Wohen ? „ wollte dann der Schiffer wissen.“ Na`t Witte Aaland, sagte der Fremde und beschrien ihn den Weg, unner Bermeroog dör, de Akkumer Ee ut, liek to liek an na Störkensmuh.“
Jan Hugen fragte, was für eine Ladung es denn sei, und die Antwort war : „ Verstürven Seelen vant verleden Jahr. „ ( die verstorbenen Seelen des letzten Jahres ) „ Dat is mi grieselk to ! „ ( da wird mir ganz grauselig ) wehrte der Schiffer ab. Aber der andere sagte : „ Wi mutten all na`t Witte Aaland.“ „ Dat is wahr, gab Jan Hugen zu. ( wir müssen alle zum Witte Aaland ). Der Mann wollte wissen, wie viel Fracht sein Schiff bergen könnte. „ Dree Törflasten „,
( drei Torflasten ) meinte Jan Hugen. „ Dat kunn passen „ , ( das könnte passen) überlegte er, för dreetusend Seelen. ( dreitausend Seelen ) Will ji fahren ? „
Aber Jan Hugen wusste, um was es nun ging: erst musste festgesetzt werden, was er dafür bekommen sollte. „ Kopp för Kopp een Witt ( ½ Pfennig ), versprach ihn der Mann. Das war dem Schiffer zu wenig,er wies darauf hin, dass solche Nachtfahrt ihre Gefahren hätte :“ Tominnsten de Kopp een Krummsteert ( 2 Pfennig ) ! „ Der andere ließ mit sich handeln und sie wurden einig, dass das Geld im voraus bezahlt werden sollte. Er zog seinen Beutel heraus und zählte es ihm auf das Fensterbrett. Der Schiffer barg seinen Loh und sicherte zu , dass er in der kommenden Nacht mit dem Glockenschlag zwölf sein Fahrzeug unterm Deich bereithalten wollte, bis sich der Mond verzogen habe. Darauf ging der Fremde. Und zur bestimmten Stunde hatte Jan Hugen sein Schiff seeklar. Er spürte bald, wie es sich hin und her bewegte und langsam sank, wie wenn immer mehr Fracht hinein geladen würde, doch er sah nicht, obwohl der Mond noch tief am Himmel hing. Als aber sein letztes Schimmern auf der See erloschen war, da hörte das Schlingern der Schaluppe auf, und Jan Hugen wusste, das er nun die Ladung an Bord hatte. Da fuhr er los in die dunkle Nacht hinein, und nur die Sterne schienen auf seinen Weg. Und er sah weiter nichts, nur manchmal war ihm, als ob weiße Nebelstreifen umeinander und ineinander flössen. Und still war es. Zuweilen nur glaubte er es leise rascheln zu hören, als wenn Mäuse durch Stroh huschten. Es konnte aber auch der Wind sein, der die Segel blähte.
So steuerte er sein Schiff, bis Witte Aaland vor ihm auftauchte. Er holte die Segel ein und legte an. Immer noch sah er niemand. Plötzlich jedoch klang die Stimme des Fremden durch die Stille. Namen rief er auf, einen nach dem anderen, die Namen derer, die im verfllossenen Jahr starben, und Jan Hugen hörte auch die Toten von Neßmersiel nennen. Wieder wollte ihn ein Grauen beschleichen, doch er schüttelte es ab : „ Wi mutten dar ja alle hen ! „
( Da müssen wir alle hin ! ) Immer leichter wurde das Fahrzeug, es begann wieder zu schlingern, und als die Stimme endlich schwieg, da nahm Jan Hugen sein unter Segel und fuhr zurück. So brachte er Jahr um Jahr die Seelen der Toten zum Witten Aaland.
( aus: Ostfriessiche Sagen von Wilhelmine Siefkes Leer Ostfriesland 1963 )

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