Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Der Willy

ringalbum scan 80er jahre

Der Willy


Die ersten sechs Schuljahre saß der Willy neben mir auf der Bank. Willy war ein guter Schüler und dick und weil unsere Eltern sich kannten, mein bester Freund. Ich durfte vom Willy abschreiben. Dafür wählte ich ihn im Sport immer in meine Mannschaft. Keiner wollte den Willy nämlich haben, weil der Willy so dick war und immer alles wusste. Während des Unterrichts bohrte sich der Willy immer durch die Unterhose im Arschloch. Mit der anderen Hand meldete er sich ganz wild. Nach kurzer Zeit begann es im Klassenzimmer zu stinken. Willy musste dann immer vor die Tür und später zum Schulpsychologen.

Irgendwann gab ich meine Loyalität zu Willy auf, weil die nicht mehr zu halten war und sonst keiner etwas mit mir zutun gehabt hätte. Wir nahmen ihn gefangen und sperrten ihn im Keller ein. Der große Bernd war Chef. Er bestimmte, dass ich dem Willy ins Gesicht zu urinieren hatte. Ich tat es nicht gerne, auch wenn ich ein wenig stolz war, dass der Chef mir diese Aufgabe zukommen ließ.

Willys Eltern brachen die Freundschaft mit meinen Eltern und Willys Vater meinte, dass mein Vater ein ganz unmöglicher Vater sei, wenn er einen Sohn hätte, der so was tut. Wir mussten schließlich weg ziehen, denn Willys Vater war im Stadtrat und ein sehr einflussreicher Mann. Zum Abschied gab ich Willy die Hand, ohne sie vorher gewaschen zu haben. Er meinte dann, auch ich würde noch mal erwachsen werden. Als wir wegfuhren weinte meine Mutter bitterlich und sprach von Schimpf und Schande. Mein Vater meinte, dass es eine Schande sei, wenn Menschen nicht mit ihrer Macht umgehen könnten.

Neulich traf ich den Willy zufällig auf einer Geschäftsreise. Er war groß und schlank und ein erfolgreicher Geschäftsmann. Wir tranken an der Bar. Willy kratzte sich immer zwanghaft am Hintern, erzählte mir aber, dass man ihn hat heilen können. Das freute mich für ihn. Zum Abschied küssten wir uns ganz doll auf den Mund und versprachen uns lebenslange Freundschaft.



14. Juli 2010



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