Die wichtigsten Kameratypen und ihre Bezeichnung
Für den, den es interessiert, als eine kleine Hilfe gedacht.
Anlass sind die immer wieder auffallenden künstlichen Wortschöpfungen.
Eine der preisverdächtigen Wortkonstruktionen dürfte da die „Faltenbalgkamera“ sein.
Die in Fachkreisen zwar eingebürgerten, meines Wissens aber nirgends festgeschriebenen oder gar genormten Begriffe:
1 – Kastenkamera. In der Frühzeit der Kameratechnik eine Bauform für einfache Konstruktionen oder solche mit speziellen Erfordernissen, beispielsweise mit Platten-Wechselmagazin. Später war es die Bauform der weit verbreiteten, so genannten Box-Kameras.
2 - Tubuskamera. Kameras, bei denen das Gehäuse mit dem Objektiv durch einen starren oder versenkbaren Tubus verbunden ist. Sie entstanden in den 1920er-Jahren mit den kleiner gewordenen Kameras. Die erste typische ihrer Klasse war die Leica. In den Nachkriegsjahren wurden von mehreren Herstellern Rollfilmkameras dieses Typs angeboten, eine typische und verbreitete Vertreterin die DACORA Digna. Dieser Typ hatte einerseits nicht mehr das unterprivilegierte Aussehen der Boxkameras, war andererseits aber billiger herzustellen als Klappkameras. Ab Mitte der 1950er-Jahre wurden aus Preis- und aus technischen Gründen auch immer mehr 35-mm-Kameras von Klapp- und Spreizenkameras zu Tubuskameras, AGFA Karat zu Silette, ZEISS IKON Ikonta zu Contina.
3 – Spreizenkamera. Nach dem ersten Weltkrieg brachten die namhaften Hersteller diesen Kameratyp auf den Markt. Das Objektiv sitzt auf einer Standarte, die über eine relativ simple und damit robuste Spreizenkonstruktion und einen lichtdichten Balg mit dem Gehäuse verbunden ist. Spreizenkameras galten als schnelle und solide Reportagekamera, da rasch in Aufnahmebereitschaft zu bringen und einfach in der Konstruktion. Verzichtet werden musste dafür auf die Vielseitigkeit der Laufbodenkamera, beispielsweise die Naheinstellung. Spätere Vertreter waren die PLAUBEL Makina im 6,5x9-Format, im 35-mm-Format die AGFA Karat.
4 – Klappkamera. Das Objektiv ist wie bei der Spreizenkamera durch einen Balg mit dem Gehäuse verbunden. Hier schützt es jedoch ein klappbarer Boden in Ruhestellung. Dieser hat zusammen mit den Spreizen häufig auch eine mittragende Funktion für die Standarte. Diese Kombination erfordert eine recht aufwendig durchdachte und ausgeführte Spreizenkonstruktion mit entsprechender Kulissenmechanik. Die meisten Amateurkameras zwischen etwa 1930 und 1955 gehören zu diesem Kameratyp.
5 – Laufbodenkamera. Ähnlich wie die Klappkamera, jedoch muss die Objektiv-Standarte auf den Schienen des Laufbodens ausgefahren werden. Das ist zusätzlicher Aufwand in der Handhabung. Man gewinnt dafür eine größere Variabilität in der Entfernungsanpassung. Ausstattungsmerkmal „Doppelter Auszug“ = Makro. Häufig ist die Standarte auch vertikal und horizontal verstellbar, in den besseren Klassen zusätzlich neigbar (man bediente sich damals noch der deutschen Sprache mit dem Vorteil, dass es jeder verstand). Manchmal ist das Objektiv in der Standarte wechselbar. Es ist die typische Kamera der Jahre von etwa 1910 bis 1930, meistens als Plattenkamera ausgeführt.
6 – Optische Bank. Das „Nonplusultra“ für die Freunde des großformatigen Negativs! Objektivstandarte und Negativ-Einheit sitzen, unabhängig voneinander verstell- und verschiebbar, auf einer tragenden Schiene. Alle Verstellmöglichkeiten, fast keine Auszugsbeschränkungen. Die grenzenlosen Möglichkeiten blieben lange Zeit unerkannt. Nur Außenseiter, wie STEGEMANN in Berlin, bauten schon in den 1920er-Jahren solche Kameras. Die großen Hersteller LINHOF, PLAUBEL, SINAR kamen erst in den Nachkriegsjahren damit auf den Markt.
Volkmar Kleinfeldt 22/01/2012 13:41
Zunächst einmal ein herzliches Dankeschön an alle für die freundlichen Anmerkungen und eine Entschuldigung, es geht bei mir jetzt alles etwas langsamer.Horst,
das mit den Suchern lässt sich nicht so klar definieren. Aber Du hast mir da eine Anregung gegeben. Ich werde da etwas zusammenstellen.
Thema Box und Kasten, ja, eindeutig ich meine man muss. Box ist einfach der Begriff für eine Einfachstkamera in Kastenform. Eine Ernemann Archimedes ist halt nie und nimmer eine Box. Einverstanden?
Herbert,
Horst hat das sehr schön für mich erklärt. Ich glaube, ich brauche da nichts hinzuzufügen.
Ja Horst, das mit der Balkenkamerra ist mir durchaus geläiufig, habe ich schon des öfteren gelesen, ebay ist da eine Fundgrube!
Allen eine schönen Sonntag - Volkmar FHiR
Helmut Burkard 21/01/2012 22:06
Danke!Sehr informativ und hilfreich! Und natürlich auch sehr interessant!
Und natürlich auch bestens gestaltet - fast hätte ich's vergessen!
LG Helmut
Horst-W. 21/01/2012 16:01
Nachtrag, weils so schön zum Thema passt ...Gerade in einer Kamerabeschreibung gelesen:
"Antike Balkenkamera" ... ;-)
(War eine Agfa Billy, Nachkriegsmodell ... ;-)))
Horst-W. 15/01/2012 12:32
@Herbert:Es ist doch nur eine Einteilung nach der grundsätzlichen Bauform ...
Und der - deutliche - Unterschied zwischen Spreizen- und Klappkamera ist dir wirklich nicht klar ...???
Natürlich kann man auch nach Suchersystemen einteilen ... oder nach noch ganz anderen Kriterien ... Das wäre dann eben ein anderes Kriterium, völlig unabhängig von der Bauform ... schließlich gab es die verschiedenen Grundbauformen häufig auch mit verschiedenen Suchersystemen. Oft mit mehreren gleichzeitig ... ich hab hier grad eine Laufbodenkamera vor mir, die hat gleich drei, den Mattscheibensucher, einen Brillantsucher und einen sog "Sportsucher", (Visiereinrichtung und Drahtrahmen, die exakte Bezeichnung kenne ich nicht). Und eine Box, zweiäugig mit Lichtschachtsucher ...
Das geht teilweise wild durcheinender ... ;-)
Da ist nichts "simpel", das sollte sicher keine wissenschaftliche Abhandlung sein an dieser Stelle, sondern eine grundsätzliche Information für interessierte Laien ... ;-)))
LG Horst
Herbert Talinski 15/01/2012 10:57
Das ist mir etwas zu simpel, der Unterschied zwischen Spreizen- und Klappkamera nur gering, die Einteilung nach Suchersystemen fehlt völlig. Wo gehören die Reflexkameras hin? Dann ein- oder zweiäugig, Kombinationen verschiedener Systeme wie Patent-Klapp-Reflex?Oder gehen mir die Gäule durch? Seh ich mehr Bäume als Wald?
Klär mich auf!
LG Herbert
Horst-W. 14/01/2012 20:46
Zu "1" noch ein Frage ... muss man da wirklich noch zwischen "Kasten" und "Box" unterscheiden ...? Bedeutet ja das Gleiche, und "Box" ist seit Urzeiten ein eingeführter Begriff für die Bauform, auch die alten Ausführungen mit Plattenmagazinen.taradi 14/01/2012 20:32
meine hat mit nr. 4 etwas ähnlichkeit; erst durch deine
bilder habe ich gesehen, daß man diese falt-kameras
seitlich aufgestellt benützt - man lernt immer dazu ;-)
die kastenkamera nr.1 sieht aus wie ein projektor !
DerJo-Achim 14/01/2012 19:56
Hallo Volkmar, schön wieder was von Dirzu sehen!
Sehr interessanter Vergleich. Besonders bei
4 u. 5 hast Du die "Schokoladenseiten"
der beiden aufgenommen. Es wird hier
besonders deutlich, wie formschön die
Top-Hersteller seinerseits konstruiert
haben, obwohl doch alles der Funktion
folgen mußte.
Gruß Joachim
Horst-W. 14/01/2012 17:43
Da hast du dir ja richtig Mühe gemacht! Ich bin mit diesen Begriffen auch schon manchmal ins Schleudern gekommen ... deine Übersicht ist da sehr hilfreich, danke dafür!Eine Anregung noch ... gerade kämpfe ich mit den richtigen Bezeichnungen der verschiedenen Sucher (z. B. Draht-, Blech-, Rahmen-, Sport-Sucher etc...). Da gibt es ja auch jede Menge verschiedene, und die mir bekannten Bezeichnungen gehen teilweise auch wild durcheinander ... Eine Übersicht in der Art wie diese hier wäre da eine schöne Ergänzung!
LG Horst
Fitti 70 14/01/2012 17:05
Eine feine Arbeit!Klasse zusammengestellt und interessant beschrieben,lg Manuel.