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Michael Wolta


Premium (World), Magdeburg

Eine Geschichte

Ich war mit meinem Fotokumpel Frank Hans unterwegs, um Rehe in der Paarungszeit zu fotografieren. Wir hatten am Vortage eine tolle Stelle entdeckt: eine große Wiese voller gelb und rosa blühender Blumen, links ein Maisfeld, rechts ein Kornfeld, hinten Wald und zwischendrin ein paar Buschgruppen, die dem Wild Schutz und Schatten spenden würden. In den 10 Minuten, die wir dort standen, hatten wir Anblick von 8 Rehen. Es schien alles perfekt zu sein. Am nächsten Morgen setzten wir uns noch im Dunkeln an. Es war wie meist beim Ansitz: es rührte sich nichts. Kurz vor acht kam die Sonne über dem Waldrand hoch und auf der Wiese tummelten sich große Schwärme von Staren, die von Fleck zu Fleck flogen. Ihre Flügel leuchteten herrlich in dem Gegenlicht. Wir beschlossen, unser Versteck aufzugeben und liefen in Lebensgröße und völlig ungetarnt auf die Wiese, um die Stare zu fotografieren. Dabei unterhielten wir uns in normaler Lautstärke. Es dauerte nicht lange, da traten aus einer nahen Buschgruppe zwei Ricken aus und begannen auf der Wiese zu äsen. Kurz darauf erschienen aus dem Kornfeld eine Ricke, ein Bock und ein Kitz. Das Kitz war verwaist, wir hatten es schon am Vortag völlig allein äsen sehen. Was war mit seiner Mutter passiert? Erschossen? Überfahren? Wir glaubten unseren Augen nicht zu trauen, die fünf Rehe wiesen uns Ungetarnten gegenüber überhaupt keine Scheu auf. Das habe ich schon mehrfach beobachtet: wenn man sich verhält wie ein Spaziergänger, Pilzsucher, Landwirt oder Forstarbeiter, also wie jemand, den das Wild kennt und von dem für es keine Gefahr auszugehen scheint, dann kann man auf gute Distanz plötzlich einem Keiler, Hirsch oder Bock gegenüber stehen. Wenn aber der Wind menschliche Witterung verbreitet und die Tiere sehen keine dazu passende Gestalt, dann wittern sie Gefahr und bleiben in Deckung. Plötzlich waren die Stare wieder Nebensache und wir versuchten, uns langsam den Tieren auf Fotodistanz zu nähern. Dann aber kam ein Radfahrer geräuschlos den Weg herunter gefahren, und wir waren wieder mit den Staren allein. Das Foto zeigt den Moment, wo Ricke, Bock und Kitz in das Kornfeld absprangen.
D3s, 600 mm, Blende 5.6, 1/1000 s, ISO 800, 25.07.2010, 08.06 Uhr MESZ

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