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Iasi I

Nach zwei Stunden Fahrt ab Chisinau sind die 100 km bis Ungheni geschafft, der Rest der 5 1/2 Stunden ins nur noch wenige Kilometer entfernte Iasi (sprich: "Jasch") wird hauptsächlich an den Grenzstationen von Ungheni verbracht. Dabei unternimmt man eine wahre Schienenkreuzfahrt von weiteren TschME3 gezogen und geschoben hin und her im Bahnhof Ungheni zur Umspurungsanlage - man konnte das sehr schön per maps.me verfolgen. Letztendlich wird der Zug an den Bahnsteig auf der anderen Seite des Stationsgebäudes gestellt. Man spürte das GM-Tuckern des modernisierten rumänischen Kutters und wusste, jetzt kann es nicht mehr soooo lang dauern.
Zumindest ein Kabarett wurde zur Unterhaltung geboten. Zunächst schaute ein sich als Arzt ausweisender Herr ins Abteil, der fragte, ob es einem eh gut ginge. Dann kamen die GrenzbeamtInnen, die eine Befragung noch eher nach Sowjet-Prinzipien vornahmen. Wie gibt's denn das, dass man nur zwei Tage in Moldawien ist? Und in der Ukraine ist man auch gewesen (vor zwei Jahren)? Na, höchst verdächtig! Da musste der Zollbeamte gleich den größeren unserer Koffer durchsuchen. Er nahm einen Schraubenzieher mit austauschbarer Spitze und stocherte ein wenig darin herum, dann war er zufrieden gestellt. Nach ein paar Minuten tauchte er etwas verzweifelt wieder auf, und fragte, ob wir seine Schraubenzieher-Spitze irgendwo gesehen hätten. Wir schauten auf den Bänken, am Boden - nichts zu sehen, bei uns ist sie nicht. Später auf der Reise hatte ich erst in Timisoara Zeit, den Koffer ganz auszupacken. Und was fand sich ganz am Boden? Jawohl, die Schraubenzieher-Spitze des moldawischen Zolls habe ich unfreiwillig als Souvenir mitgenommen!

Bild dazu:
http://raildata.info/ost16/ost162426.jpg


In der Dunkelheit wird der Pruth überquert (wir kennen ihn in der Serie schon aus den Karpaten und aus Czernowitz), dann ist die rumänische Grenzstation Ungheni Prut erreicht, wo man planmäßig weitere 54 Minuten zur Kontrolle verbringt. Bei der CFR firmiert der Zug nun unter IR 401. Mit 10 Minuten Verspätung trafen wir letztendlich im eisigen Iasi, Hauptstadt der rumänischen Region Moldova und Wiege der rumänischen Kultur, ein.
21. 3. 2018


Noch ein bisschen zur Geschichte der Region:

Im 14. und 15. Jahrhundert entstand das Fürstentum Moldau (benannt nach dem Fluss Moldova, deutsch "Moldau" - nicht zu verwechseln mit der tschechischen Vltava, ebenfalls deutsch "Moldau"), welches ungefähr die Regionen Bukowina (heute ukrainischer und rumänischer Teil), die jetzige rumänische Region Moldau um Iasi sowie das heutige Moldawien ohne "Transnistrien" enthielt.
Südwestlich davon lag das Fürstentum Walachei - heute das südwestliche Rumänien mit Hauptstadt Bukarest - , westlich Transsilvanien/Siebenbürgen. Ab dem 16. Jhdt. erlangte das Osmanische Reich volle Kontrolle über das Fürstentum Moldau als Vasallenstaat.
1774/1775 trat der osmanische Herrscher die Bukowina mit Czernowitz (nun Ukraine) und Suceava (nun Rumänien) an die österreichische Monarchie ab. Das Territorium, das zum Teil dem heutigen Moldawien entspricht, wurde 1812 an Russland abgetreten und erhielt als Provinz die Bezeichnung Bessarabien. 1859 vereinigte sich das Fürstentum Walachei mit der heutigen rumänischen Region Moldau, die erste gemeinsame Hauptstadt bis 1861 war Ia?i. 1861 wurde das Fürstentum Rumänien mit Bukarest als Hauptstadt deklariert, ab 1878 komplett unabhängig vom Osmanischen Reich, ab 1881 Königreich Rumänien.
Nach dem ersten Weltkrieg gelangten sowohl das heutige Moldawien ohne "Transnistrien", Siebenbürgen als auch die gesamte Bukowina zu Rumänien. Im Verlauf des zweiten Weltkriegs kam der heute ukrainische Teil der Bukowina und Moldawien zur Sowjetunion, zusammen mit "Transnistrien" bildete letzteres die Sowjetrepublik Moldau. Daraus entwickelte sich nach der Wende der "Transnistrien"-Konflikt zwischen rumänischer und russischer Ausrichtung, der Jahrzehnte später noch in einer Pattsituation besteht. Die unterschiedlichen Sichtweisen erkennt man schon am rumänischen Begriff "Transnistrien" und der Eigenbezeichnung "Pridnestrowien", also jenseits des Nistru gelegen, oder vor dem Dnestr - gemeint ist natürlich der selbe Fluss.

Mehr zum Fürstentum Moldau:
https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCrstentum_Moldau

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