Immer höher und weiter?

Immer höher und weiter?

Weihnachten gut überstanden?

Eigentlich eine seltsame Frage? Oder doch nicht?

Fast jeden Tag, wenn ich zur Arbeit gehe, treffe ich an der Frankfurter Kaiserstraße, also mitten im Bankenviertel vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank, einen Wohnsitzlosen. So nennt man sie im Amtsdeutschen – diejenigen, die kein Dach über dem Kopf haben. Und fast jeden Morgen wünschen wir uns wechselseitig einen „guten Tag“. Letztens rief er mir zu : „Und frohe Weihnachten!“ Daraufhin gab ich mir einen Ruck und fragte ihn: „Wo werden Sie Weihnachten verbringen?“ „In einer katholischen Kirchengemeinde“, antwortete er mir. „Dort treffen wir uns alle, und dort gibt es auch etwas Gutes zum Essen. Ich bin zwar von einer Familie mit Kindern eingeladen worden, aber ich gehe nicht hin. Ich komme mir dort vor wie das fünfte Rad am Wagen. Nein, das ist nichts für mich.“
Schließlich erzählte er mir noch von früher, als er Show-Größen gemanagt habe: „Kennen Sie den Drafi Deutscher?“ „Der ist doch schon gestorben“, entgegnete ich. „Marmorstein und Eisen bricht, das war sein größter Song.“ Und dann nannte er mir noch mehr Namen. „Und warum stehen Sie jetzt hier?“
„Ich habe viel Geld verloren“, sagte er daraufhin. „Aber es hat mir an nichts gefehlt. Wenn mal alles vorbei ist, kann ich von mir behaupten, dass ich alles genossen habe. Ich darf mich nicht beklagen.“

"Ich darf mich nicht beklagen." Wer kann das schon von sich behaupten? Wollen wir nicht alle höher und weiter?