Isolas Ansichten: Fotomassen und Street-Fotografie
Hallo Ihr Lieben, ich bin es wieder, Eure Isola!
Mein Mensch ist vollkommen durcheinander. Heute hat der Postbote geklingelt – normalerweise schiebt er die Rechungen unter der Tür durch – und hat ein kleines Säckchen Briefe abgegeben. Das waren Briefe an MICH. Ja, das stand ganz klar und deutlich drauf: an die liebe Isola.
Dicke Fussel der Rührung sind mir über die Linse gefusselt. Das ist soooo lieb! Danke, aber ich kann leider nicht schreiben, sonst hätte ich jeden Brief einzeln beantwortet. Nicht schlimm, ich erzähl Euch dafür etwas.
Als ich noch jung war, damals, 1957, als ich die Werkshallen von Agfa in Richtung Leben verlassen habe, war die Welt noch eine ganz andere. Da war so eine Art Wirtschaftswunder, ein Wirtschaftspolitiker mit mächtig dicker Zigarre hatte das Vertrauen der Leute und alle Wirtschaften waren voller Menschen. Heute heißen die Wirtschaften Kneipen und sind ziemlich leer.
Damals war es auch nicht so wichtig ein Bild von einer Wirtschaft zu machen. Die Dinger waren so voll und man konnte am nächsten und übernächsten Tag wieder hingehen, die Wirtschaft war auf und man konnte sich zu den anderen Menschen gesellen.
Heute muss man Bilder von Kneipen machen, weil es ja sein kann, dass morgen die Kneipe wegen Gästemangel geschlossen hat. Da ist es schon wichtig, dass man ein Erinnerungsfoto macht. Die Modernen haben dafür auch eine ganz besondere Bezeichnung: Streetfotografie. Nagut, früher hieß das Erinnerungsfoto.
Aber stellt Euch mal vor – wenn jeder von der Örtlichkeit, die heute auf und morgen vielleicht zu ist, ein Erinnerungsfoto macht, also bei … sagen wir mal … einhunderttausend Kneipen mit durchschnittliche zwanzig Gästen am Tag, dann macht das am Tag zweimillionen Bilder am Tag. Dann schließen die Kneipen nicht gleich, das bedeutet am nächsten Tag wieder zweimillionen Bilder, dreihundert Kneipen machen an diesem Tag neu auf, das sind dann fünfundsiebzigtausend Bilder mehr, weil zu jeder Eröffnung fünfzig Gäste kommen und jeder fünf Bilder macht, ziehen wir dann die zweihundert Kneipen ab, die an diesem Tag schließen, bleiben immer noch Zweimillionenvierundsiebzigtausendachthundert Bilder an diesem Tag.
Der nächste Tag ist ein Sonntag, da macht keine Kneipe zu und deshalb sind es wieder Zweimillionenvierundsiebzigtausendachthundert Bilder.
Am Montag machen dreihundert neue Kneipen auf, zweihundert wieder zu, also haben wir … eine gewaltige Masse an Bildern, Streetbilder, ich würde sagen Kneipenbilder, im Grunde sind es Erinnerungsbilder.
Jetzt haben alle Gäste einen kürzeren oder längeren Weg zur Kneipe. Der längere Weg ist gut für fünf Bilder, der kürzere Weg für zwei Bilder. Das sind im Durchschnitt Viermillioneneinhunderttausend Bilder am Tag. Manche Menschen können auch im angetrunkenen Zustand auf dem Rückweg Bilder machen, da sie ganz oft nicht scharf sind, machen sie lieber die doppelte Anzahl. Das sind dann, gekürzt um diejenigen, die nicht im angetrunkenen Zustand fotografieren, so etwa dreimillionenzweihundertfünfundsechzigtausend Bilder an diesem Abend. Alles Erinnerungsbilder.
Jetzt gibt es noch Menschen, die fotografieren am Tag, rein aus Lust und Laune, verschiedene Dinge. Ich denke, es gibt in Deutschland etwa fünfzehnmillionen Fotografen, die am Tag etwa fünf Bilder machen, also sind das fünfundsiebzigmillionen Bilder am Tag, Sonn- und Feiertage nicht mitgerechnet, da erhöht sich der Faktor um das zwanzigfache.
Dann fahren die Menschen in Urlaub, fotografieren jeden Baum und Strauch, so in etwa vierzigmillionen Bilder am Tag. Und da jeder wissen will, was der Nachbar so macht, gibt es Pressefotografen, die am Tag von jedem Nachbarn ein Bild machen. Ich schätze mal, das sind dann noch mal sechzigmillionen Bilder. Alles Streetfotos, also Erinnerungsbilder. Hinzu kommen noch die Fotografen, die glauben eine künstlerische Ader in sich entdeckt zu haben. Noch mal zehnmillionen Bilder.
Hab Ihr schon mal nachgedacht, mit welchen Fahrzeugen die vielen Bilder transportiert werden müssen? Und wie dick die Fotoalben sein müssen? Und wenn die nicht täglich gewendet werden, dann setzen diese Alben Schimmel an. Wisst Ihr, mit welchen Hilfsmitteln da die vielen Fotografen die Fotoalben täglich wenden müssen?
Das ist doch gigantisch!
Und mein Mensch hat mir erzählt, da gibt es im Internetz eine Kommunitiiii (kommt das von Kommune? Rote Zelle Fotoklick?), in der ganz viele Menschen ihre Fotos ausstellen.
Unfassbar, jeder zeigt seine Kneipenbilder mit An- und Abreise.
Habt Ihr mal nachgedacht, mit welchen Maschinen die Leute dieser Kommunitiiii die Bilder täglich wenden, damit sie keinen Schimmel ansetzen. Äh, ist mir schlecht. Das muss ganz schön müffeln da, in der Kommunitiiii, weil Schimmel riecht und das Wenden geht nicht so schnell, weil in jeder Minute wieder Millionen von neuen Bildern hinzukommen.
Und dann hat mein Mensch mir noch erzählt, dass es in der Kommunitiiii Menschen gibt, die den ganzen Tag die Bilder durchsehen, ob da nicht etwas drauf ist, was kein anderer sehen soll. Zum Beispiel, wenn in einer Kneipe ein Gast in die Tasche seines Thekennachbarn pieselt. Diese Fotos machen dann die Pressefotografen und die werden dann in der Zeitung gedruckt. Zeitungen sind eine echte Entlastung für die Kommunitiiii-Menschen.
Jetzt stellt Euch vor, die Kommunitiiii-Bilderdurchschaumenschen legen ein Bild neben den Stapel, weil ein Indietaschepieseln drauf ist und der Pieselfotograf nicht will, dass sein Bild aus dem Bilderstapel rausgelegt wird. Dann ruft er die Kommunitiiii-Bilderdurchschaumenschen an, meckert mit denen rum und behauptet es sei ein Bild, das aus medizinischer Sicht wertvoll ist. Klar, ein gesundes Volk hat einen gesunden Wasserstahl. Stellt Euch vor, die müssen den ganzen Tag über Pipi am Telefon reden!
Nein, ich bin unheimlich froh, dass in meinem Bauch nur Filme mit 12 Aufnahmen passen und mein Mensch vor lauter Geiz nur die Bilder mit mir macht, die er richtig gut findet, auf denen keine trunkenen Heimgänger zu sehen sind, für Piesel-Bilder in der Kneipe nicht genug Licht durch meine Linsen auf den Film fällt und Urlaub bei ihm ein Fremdwort zu sein scheint. Jedenfalls waren wir noch nicht zusammen im Urlaub. Moment … sollte er etwa fremdgehen? Fährt der etwa ohne mich in Urlaub? Oh Freundchen, wenn ich das rausbekomme ……
Entschuldigung, ich muss jetzt schnell mal nachsehen, ob er mich hintergeht.
Viele Grüße
Eure Isola
Mit einer besonderen Widmung an das fc-Team und ganz besonders an † Ute Allendoerfer
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Christian Roosen 24/09/2005 9:37
Sehr schöne Text, gefällt mir sehr gut.Na ja wer gut Foto machen will brauch nicht Viele Foto zu machen, er brauch nur die Gut, die andere kann er sich Sparen.
1gb cf karte, gut und schöne aber eine Gedacht Foto und ehe eine Gutes Bild geling es Besser mit ein 64 mb, aus dem Prinzip wenn ich wenig Platz in mein Sammler Regal muss ich denke was ich rein tun will.
Grüß Christian
Dreamsharing 24/09/2005 0:16
Die Isola - wie immer phantastisch :)Michael Weyl 21/09/2005 18:38
Jürgen, nu aber schnell zum Arzt, der macht gleich zu. Die Alben kannst Du nachher wenden, aber vor 22 Uhr, wegen der herben Motorgeräusche vom Radlader und den Nachbarn ;-))Michael Weyl 21/09/2005 18:30
@Gabrielaauf Anfrage von ganz vielen Leuten werde ich demnächst mal einen Steckbrief der Isola hier einstellen. Das Schätzchen ist wirklich sehenswert und es lohnt auf jeden Fall sie genauer zu bestaunen.
@Klaus-D.
ich versuche dieser Ehre gerecht zu werden.
Viele Grüße
Michael
Klaus-D. Fuchs 21/09/2005 6:56
sehr schön......!Bild, Text und die Kombination.
Und jetzt bist du es selber schuld, daß du
auf meiner Buddy-Liste bist.
lg..kade
;-)))
Gabriela Ürlings 21/09/2005 0:27
...Respekt...!! Total schön geschrieben...macht Spass es zu lesen..und so wurde auch ich ein wenig klüger...bis dato wußte ich garnicht, was eine Isola ist/war....und garnicht hätte ich mir vorstellen können, wieviel bezauberndes und nachdenkendes Leben in einer solchen Kamera sein kann :-))LG Gabriela
Michael Weyl 20/09/2005 23:32
@Butowdas war jetzt ein sooooo schöner Kommentar ... Danke!
Viele Grüße
Michael
Butow Maler 20/09/2005 23:30
Liebe Isola,würden wir besser hinschauen, bräuchten wir
nicht so viele Bilder zu machen. Manchmal glaube
ich, wir können die Schönheit nur noch in der
Reproduktion genießen.
Schade ist das.
† Ute Allendoerfer 20/09/2005 22:21
*lach* ja, das Paradies für Isola, und der kurze ist Weg ist immer noch gut für zwei Bilder *ggg*Na ich bin gespannt, ob Isola mal den Weg hierher findet, nahe der Loreley :)) und hier schliessen zwar die Kneipen.... immer früh, aber selten ganz, aber immerhin haben wir selber Platz zum sitzen und reden und trinken :) gelle Andreas LG Ute
die nun noch ein bisschen was tut, und sich ihres fc-Lebens freut. *ww*
Michael Weyl 20/09/2005 22:16
*grins* ich entscheide mich immer für das bessere Essen ...Andreas Hurni 20/09/2005 22:13
uiiijetzt fährt ute die ganz grossen verführungskünste auf...
*moment*
*in der bilderkiste wühl*
...
et voilà: heisst zwar "der chef", müsste aber korrekterweise "die wohnküche" heissen
† Ute Allendoerfer 20/09/2005 22:10
hm, Isola, über so einen interessanten Besuch würden wir uns sehr freuen. Was meinst du denn, das Büro in Bonn, oder das in Himmighofen. *pst* nicht weitersagen, das in Himmighofen ist zwar kleiner, aber hier kocht der Hausgeist das bessere Essen *g* *lock* LG uteAndreas Hurni 20/09/2005 22:05
*jessas*soviel text für fotografen :-)
ich hab ihn trotzdem gelesen
>>Der längere Weg ist gut für fünf Bilder, der kürzere Weg für zwei Bilder
Michael Weyl 20/09/2005 21:49
;-)))))))))))))) gerne ... und vielleicht besucht Euch die Isola mal und erzählt über das Bilderwenden hinter den Kulissen ...Viele Grüße
Michael
† Ute Allendoerfer 20/09/2005 21:45
*lach mich weg und unter den Tisch* Ihr zwei seid ein starkes Gespann und das zeige ich nun meinem Kollegen im Team :))) die freuen sich bestimmt auch.Bleib bloss intakt und gesund, damit wir alle noch lange unsere Freude daran haben :))
die ganze Rasselbande findest du hier:
na ich glaube ich muss mir aus deinen wunderschönen Texten doch mal ein: GuteNachtGeschichtenBuch basteln, dich kann ich immer wieder lesen. Und ein dickes Lob, du machst ja noch richtig gute scharfe Bilder, immer fein passend zur Geschichte. Ein bisschen beneide ich euch um eure Zweisamkeit und die Fähigkeiten zu schreiben und immer das richtige zu sehen :))
Liebe Grüsse und ab in die Favoriten :)