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Oliver Schiebek


Premium (World), Düsseldorf

Mein Freund Ted

Das Teichhuhnküken Ted, mit dem ich seit seinem Schlupf befreundet bin, hat außerordentlich große Füße. Schon damals fragte ich mich, wie die wohl in das Ei gepasst hatten.
„Was ist eigentlich, wenn man im Ei merkt, dass man Fußgeruch hat?“, fragte ich Ted eines Tages.
„Ich hatte Fußgeruch!“, gab er zu. „Und was für einen… Regelrechte Schweißmauken. Ich musste einfach schlüpfen, sonst hätte ich es gar nicht länger ausgehalten.
Seitdem geht Ted regelmäßig zur Fußpflege, was recht teuer ist, da die Pediküre – laut Ted - nach Zentimetern abgerechnet wird.
Aber so große Füße haben auch ihre Vorteile: Egal wie schnell ich gehe, Ted ist mir immer einen Schritt voraus.
Im Dreisprung hält er den Rekord unter den Kranichvögeln und keiner dribbelt den Ball so gekonnt wie Ted.
Immer wieder überrascht er mich mit neuen verrückten Ideen. Auch diesmal:
„Warum stehst du hier auf einem Bein?“, fragte ich ihn.
„Ich breche einen neuen Rekord!“, teilte er mir mit Inbrunst mit.
„Welchen Rekord?“, wollte ich neugierig wissen.
„Ich will 72 Stunden auf einem Bein stehen. Der Rekord liegt bei 71 Stunden und 59 Minuten.“
„Moment, lass mich kurz überlegen. Das sind ja… warte… hab´s gleich…“ In Mathe war ich nie wirklich gut. „Das sind ja drei Tage!“, brach es nach bangen Sekunden endlich aus mir heraus. „Das willst du dir antun? Respekt!“
„Ja, es gibt nämlich ein Preisgeld, musst du wissen.“ Ted liebte den schnöden Mammon mehr als alles andere. Außer Teichhuhn-Mädchen vielleicht.
„Okay. Wie viel Zeit ist denn schon rum?“
„Ich hab´ gerade erst angefangen…“, gab er zu.
„Na, dann schaue ich morgen wieder vorbei“, verabschiedete ich mich.
Am nächsten Tag stand Ted immer noch am selben Fleck, durchnässt und bibbernd, weil es die Nacht geregnet hatte. Zum Glück hatte ich eine heiße Trinkschokolade für ihn eingepackt, die er dankend annahm. Er berichtete von einigen Wadenkrämpfen und leichtem Muskelkater über Nacht, aber ansonsten schien er topfit.
Am zweiten Tag schwächelte Ted ein wenig, deshalb rieb ich sein Bein mit Franzbranntwein ein und massierte es vorsichtig, damit er nicht umkippte.
Kurz vor Ablauf der 72 Stunden stand ich mit meiner Kamera in Position und zählte den Countdown herunter:
„Drei! Zwo! Eins! Gewonnen!“, rief ich begeistert. Vor mir stand der neue Sieger. So lange hatte noch kein Teichhuhn auf einem Bein gestanden. Das Sieger-Foto steht seitdem auf meinem Schreibtisch und Ted hat selbstverständlich einen Abzug von mir erhalten…

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