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Nach fünf im Urwald...

Nach fünf im Urwald...

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Nach fünf im Urwald...

Im Großstadtdschungel von Buenos Aires gibt es einen so unauffälligen wie utopischen Ort, eine Lichtung aus Blättern und Musik und Stille, Melting Pot und grüne Grenze: den Parque Lezama. Ein Gässchen weiter nördlich beginnt San Telmo, das am Wochenende mit Antiquitäten und musizierenden Kindern vollgestellt wird und so zum Vergnügungspark für durchreisende Alltagsflüchtlinge avanciert. Eine Portion Exotik nach europäischem gusto, häppchenweise und auf Englisch serviert, inmitten von Kolonialbauten im Belle-Époque-Stil. Eine Stadtautobahn und eine Häuserschlucht weiter südlich aber beginnt La Boca, das auch am Wochenende ganz La Boca bleibt: Berühmt für seinen „Lateinamerikanischen (Fußball-)Traum", berüchtigt für seine Überfälle, seinen aggressiven Machismo, die extreme Armut und eine Lebenserwartung, die den Rio Riachuelo hinunter bis vor die Ruinen der stillgelegten BASF-Fabrik auf 30 Jahre abfällt...
Zwischen diesen beiden Vierteln liegen Welten – und sie liegen alle in diesem kleinen Park namens ‚Lezama’, nebeneinander auf dem Gras und durcheinander in der Luft. Am Eingang des Parks begrüßt uns das Standbild einer nackten Indígena, vor das man das Ehrenmal irgendeines Militärführers in Uniform gesetzt hat, das die große Frau im Hintergrund dennoch nicht ganz verdecken kann. Ein wohl eher ungewolltes Pas de Deux zweier argentinischer Kulturen, wie es überall in diesem Park getanzt wird, wo Grenzgänger - Literaten, Hippies, Musiker - aus aller Welt, Bankiers aus dem Centro und junge Familien aus La Boca für einige Stunden ihr gemeinsames Glück finden.
Meine Schuhe in der Hand spaziere ich barfuss zwischen Palmen und Flohmarktständen eine Strandpromenade ohne Meer entlang und schlage einen Fußball zurück, den die zukünftigen Diego Maradonnas auf den Kopf eines ahnungslosen Opas zuspielen. Hier strecken sich argentinische Großfamilien auf dem Rasen aus, um noch brauner und noch entspannter zu werden. Ein kleines Mädchen mit dem runden Gesicht der Indígenas, das wohl erst in diesem Sommer laufen gelernt hat, hat sich das weiße Hemd seines Vaters um die Schultern gehängt und rennt so schleierumweht wieder und wieder den Sonnenhügel hinunter, ihre Schritte tänzelnd im Rythmus der Bongotrommeln, die mal von den Büschen, mal aus unbekannter Richtung hinunterwehen, ein unsichtbarer Pulsschlag des Parks. Überraschender Auftritt der Boca-Juniors: Die Fútbol-Kids halten andächtig inne, als die muskulösen Männer vom nahen Stadion vorbeijoggen, immer schneller werden, je steiler der Weg ansteigt, und das Tam-Tam der Bongos noch zu beschleunigen scheinen...
So schnell, wie sie aufgetaucht sind, sind die Götter in Blau-Gelb wieder verschwunden; die kleinen Porteños nehmen ihr Spiel wieder auf, wohl etwas fieberhafter als zuvor, der Geschäftsmann nebenan knüpft sein Hemd wieder zu und steckt den Liebesroman in die Aktentasche, und das Teenagerpärchen verschwindet lächelnd gen Westen - zusammen mit der Sonne, die ein letztes Mal die silbernen Matekessel zum Aufblitzen bringt, ehe sie den Park für wenige Stunden dem Mond, streunenden Hunden und anderen Gestalten der Nachbarviertel überlässt...

Commentaire 1

  • Christian J 28/01/2007 17:12

    Ein tolles Foto! Die Feingliedrigkeit des Baumes im kontrast zu der hellen Fläche unten gefällt mir. Und die beiden Schatten sind ein erstklassiger Blickfang. Allein scheint es mir an dem Monitor hier etwas blass. ich würde es vielleicht bisschen dunkler machen und den Kontrast verstärken.

    Liebe Grüße von einem, der eigentlich lernen sollte. ;-)