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Nachts im BW

Hier steht meine Dicke vor dem Lokschuppen. Obwohl es schon Mitte April ist, als das Foto gemacht wurde, nachts es ist doch noch empfindlich kalt. Da fällt mir eine Geschichte ein, die liegt zwar schon einige Jahre zurück. Aber da bin ich trotz Kälte ganz fürchterlich ins Schwitzen gekommen.

Nikolausfahrten sind allgemein beliebt, sowohl bei Fahrgästen als auch beim Personal. Besonders schön wird es, wenn eine solche Nikolausfahrt bei Dämmerlicht mit Glühwein und Spekulatius stattfinden kann.

Es begab sich, dass der Museumszug weit entfernt von seiner Heimat an einem Nikolauswochenende zum Einsatz kam. Seit den frühen Morgenstunden war der Zug schon im Betrieb. Die Kilometer und Tonnen waren nicht übermäßig, aber es läpperte sich. Die letzte Fahrt sollte der Höhepunkt des Tages werden. Eine Fahrt mit Glühwein und Spekulatius in die Abenddämmerung.

Noch einmal wurde gebunkert: Spekulatius und Glühwein für die Fahrgäste, Kohle und Wasser für die Lok. Es war schon unhter Null Grad geworden, als es endlich losging. Den wenigsten Außenstehenden ist es bekannt, wie gemein kalt es auf einer Dampflok sein kann. Der Fahrtwind dringt durch alle Ritzen, und wenn man vom Arbeiten ins Schwitzen gekommen ist, macht sich die Kälte doppelt unangenehm bemerkbar. Das Lokpersonal freute sich daher auf den Feierabend und die heiße Dusche.

Aber nach wenigen Kilometern begann der Druck im Kessel deutlich zu fallen. Ein Blick in die Feuerkiste ließ Schlimmes ahnen: blaue Flammen. Ein untrügliches Zeichen für eine unvollständige Verbrennung. Der Rost sitzt zu, durch die Spalten gelangt zu wenig Sauerstoff, und es entsteht das giftige Kohlenmonoxid, das durch die Oberluft mit blauer Flamme verbrennt. Um noch etwas Dampf zu sparen, wurde die Zugheizung von mir nur noch sporadisch mit Dampf versorgt. Böse Zungen behaupteten, daß der Umsatz von Glühwein dadurch sprunghaft angestiegen sei. Durch das Absenken des Kipprostes hatte ich mich bis zum Wendepunkt der Strecke gerettet. Aber jetzt half alles nichts. Das Feuer musste geputzt werden. Die noch verbliebene Glut wurde an die Wände der Feuerbüchse verteilt und mit dem Schlackestoßer die Rostspalten freigeklopft. So einen zähflüssigen Brei hatte ich bis dahin auch noch nicht erlebt. Fast zwanzig Minuten arbeitete ich gemeinsam mit meinem Lokführer, um den Rost frei zu bekommen. Die ersten Fahrgäste zeigten einen Anflug von Ungeduld. Es dauerte alles so lange, und es wurde auch immer kälter. Da half nur noch Glühwein. Ein älterer Herr meinte: ”Gleich kommt der Nikolaus, wenn ich nicht pünktlich daheim bin, krieg ich kein Geschenk mehr ab!” Alles lachte. Nur wir auf der Dampflok nicht.

Doch auch diese Wartezeit ging zu Ende und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Es dauerte keine zehn Minuten, da fiel erneut der Kesseldruck. Diesmal so stark, dass auch die Luftpumpe stehen blieb. Vorsorglich hielt der Lokführer an. So schnell kann doch kein Rost verschlacken. War er aber. Der Brei war so was von zäh und dick. Noch einmal mussten wir ran und den Rost freikratzen. Diesmal dauerte es aber noch länger, fast fünfundvierzig Minuten. Die meisten Fahrgäste haben das gar nicht richtig registriert. Sie sprachen eifrig dem Glühwein zu. Bei der Ankunft mit immerhin anderthalb Stunden Verspätung sagte der ältere Herr: ”Jetzt brauch der Nitroklaus au nich mehr zzzu kommen.” Sein Gesicht war hochrot, aber seine Stimme klang nicht besonders zornig.

Wie aber kam es zu dieser schlimmen Verschlackung? Am nächsten Morgen, als die Lokomotive erneut bekohlt wurde, sahen wir, dass zwischen den Kohlestücken auch erhebliche Mengen an Schlacke und Asche war. Beim Bekohlen in der Dämmerung und auf der dunklen Lok ist das nicht aufgefallen. Jetzt am Tage war die Bescherung deutlich zu sehen. Die verunreinigte Partie wurde beiseite geschaufelt und nur noch saubere Kohle gebunkert. Wie Asche und Schlacke zur Kohle gelangten, ist bis heute ungeklärt.

Commentaire 2

  • Michael PK 03/09/2010 12:47

    Ich denke bei dieser Aufnahme an die vielen Nächte die ich im Lokschuppen bei verschiedenen Heizloks verbracht habe....eigentlich immer ein sehr schönes Gefühl gewesen
  • Ralf Göhl 02/09/2010 17:50

    Man Heinz ist es denn schon bald wieder Weihnachten ?
    Bei deiner Geschichte fröstelt es einen und erinnert an die bevorstehende kalte Zeit :-((
    Muss gleich mal sehen ob noch Glühwein vom letzten Jahr übrig ist - klapper, klapper.

    Ja wer den Schaden hat kommt mächtig ins Schwitzen so ist das nun mal bei der Eisenbahn.
    Kaffee kann man schon zweimal aufbrühen.
    Meine Oma, zu der schlechten Zeit nach dem Krieg in der DDR setzte den Bohnenkaffee aus dem Westen gezwungenermaßen auch zweimal an.
    Na ja wenn er heiß war konnte man die Brühe trinken.
    Aber Kohle zweimal verbrennen das kann nicht gut gehen.
    Wer weis wie die spezial Mischung zustande kam.

    Mit dem Zeug war es auch nicht einfach, wir mussten aber auch keinen Zug fahren nur die Arbeiter des Bww nicht erfrieren lassen.

    Wie eine schöne Diva zur häßlichen Schlampe wird  ( 2 )
    Wie eine schöne Diva zur häßlichen Schlampe wird ( 2 )
    Ralf Göhl

    Nun bin ich aber still, morgen melde ich mich noch mal ist ja schon wieder Freitag.
    Dann muss ich erst mal eine Pause einlegen.

    Liebe Grüße Ralf