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Torsten Kühn


Free Account, Dresden

O Venezia ... Nr.3

Hochweiser Rat der Märchenstadt Venedig!

Ich, nur ein deutscher Dichter, doch berauscht
Vom ewig blühend jungen Glanz Venedigs,
Gib mir Gehör, dies heische ich von dir:
Ein Künstlertraum, ein Wunder, weil kein Traum,
Ist dies Vineta, aus dem Meer getaucht,
Venus Venetia, die schaumgeborene,
Und in Bewunderung ihrer Pracht verzückt.
Du, Wächter dieses edlen Kronjuwels,
Der Dogen Erbe, weiser Rat Venedigs,
Horch, was ein Dichter heischt, gib ihm Gehör:
Ein düstrer Fürst, des Herzblut Galle ward,
Und ein Barbar in diesem Rausch der Kunst,
In Nacht versenkt, da heller Frühling rings,
Ein dunkler Doge, dies war sein Gebot:
"Tod jedem, Tod, der in geschmückter Gondel
Auf dem Kanale prunkt! Sein Ruderschlag
Erwecke nur des Henkerbeiles Echo!
Geschlecht von Thoren, das am Tande hängt
Und, wie im Leben, auf dem Wasser hier
Sein Schifflein mit dem Tand der Narrheit putzt!
Fluch ihnen, Fluch und Tod!"
Ein halb Jahrtausend
Gellt noch der Schrecken seines Hasses nach.
Ich, nur ein Dichter, trunken von Venedig,
Ich heische dies: Nehmt dies Gebot zurück!
Wie Särge, durch den Frühlingstag geschmuggelt,
Wie dunkle Fenster in der Weihnachtsstadt
Und Trauerweisen an der Hochzeitstafel,
Sind deine schwarzen, trauerschweren Gondeln:
Venedig jauchzt, doch seine Gondeln schluchzen.
Stört deinen Traum der Kunst dies Schluchzen nicht,
Hochweiser Rat der Märchenstadt Venedig,
Mich stört es, der ich nur ein Dichter bin!
Mit Rosen füll' ich ganz den schwarzen Sarg,
Und mit Girlanden deck' ich seine Trauer,
Wenn ich, ein Dichter, durch das Märchen träume.
Ergreift mich, Enkel jenes dunklen Dogen,
Ich hab' mein Haupt verwirkt: in Farben glüht,
In hellen Farben jubelt meine Gondel!


Hugo Salus . 1866 - 1929

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