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Panorama: Stasi Gefängnis Hohenschönhausen - Zelle im »U-Boot«

Panorama: Stasi Gefängnis Hohenschönhausen - Zelle im »U-Boot«

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Dirk Rotermundt


Premium (World), Lüneburg

Panorama: Stasi Gefängnis Hohenschönhausen - Zelle im »U-Boot«

Diese Zelle hat eine Größe von ca. 1,00 x 2,40 m!

Um einen möglichst authentischen Einblick dieser Zelle zeigen zu können,
ließ ich mich für ca. 20 min. dort einschliessen. Diese Zeit benötigte ich
zur Erstellung des Panoramas. Es waren 20 sehr beklemmende Minuten.

Ich war froh, als die 81 Fotos des Panoramas fertig waren und die Tür
wieder geöffnet wurde. In dieser Zelle ist es nicht nur eng, es herrscht
dort auch ein sehr unangenehmes, stickiges Klima.

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Die wahre Enge dieses Verliesses wird erst deutlich,
wenn man sich das interaktive 360-Grad Panorama anschaut:

http://www.digitalvisionen.de/panos/hohschoen2/
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Das »U-Boot«

Das leer stehende Küchengebäude wurde ab Ende 1946 zum zentralen Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes
(MGB) in Deutschland umgebaut. Häftlinge des Haftarbeitslagers (HAL) in der ehemaligen Fleischmaschinenfabrik »Richard Heike«
errichteten dazu in den Lager- und Kühlräumen der ehemaligen Großküche einen unterirdischen Trakt mit bunkerartigen Zellen, der
im Frühjahr 1947 in Betrieb genommen wurde. Die sechzig vielfach fensterlosen und feuchtkalten Kammern waren nur mit einer
Holzpritsche und einem Kübel für die Notdurft ausgestattet. Tag und Nacht war eine Glühbirne angeschaltet. Erst Ende der
vierziger Jahre ließ das MGB eine Belüftung und teilweise auch eine Heizung einbauen. Das änderte jedoch kaum etwas daran,
dass sich die Gefangenen in den Verliesen wie in einem abgetauchten Unterseeboot fühlten, weshalb sie das Gefängnis auch
»das U-Boot« nannten. Die hygienischen Bedingungen spotteten jeder Beschreibung und wurden nicht nur von den weiblichen
Gefangenen als extrem entwürdigend empfunden. So standen den Gefangenen bis 1951 keine Mittel für die tägliche Körperpflege
- wie z.B. Kamm, Toilettenpapier oder Zahnbürste - zur Verfügung.

Zu den Inhaftierten zählten neben NS-Verdächtigen vor allem mutmaßliche politische Widersacher: Vertreter der demokratischen
Parteien SPD, LDPD und CDU, aber auch Kommunisten und sowjetische Offiziere, die als nicht linientreu galten. Die Verhöre durch
den sowjetischen Staatssicherheitsdienst fanden meist in der Nacht statt und waren oft von Drohungen und körperlicher Gewalt
begleitet. Ehemalige Häftlinge berichteten später, wie sie durch Schlafentzug, stundenlanges Stehen, tagelangen Arrest oder
Aufenthalt in Wasserzellen zu Geständnissen gezwungen wurden. Sowjetische Militärtribunale verurteilten die meisten von ihnen
zu langjähriger Zwangsarbeit. Fast alle, die nach dem Ende der SED-Diktatur einen Antrag auf Rehabilitierung stellten, wurden
mittlerweile von den russischen Behörden für unschuldig erklärt.

Während des »Großen Terrors« in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre hatte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der
Sowjetunion dem NKWD ausdrücklich erlaubt, Foltermethoden gegenüber »Feinden des Volkes« einzusetzen. Um den Widerstand von
Inhaftierten zu brechen und sie zu den gewünschten Aussagen zu nötigen, griffen die sowjetischen Geheimdienstoffiziere auch in
dem 1945 von der Roten Armee besetzten Teil Deutschlands auf diese Praktiken zurück. So ließen sie in allen größeren
Untersuchungsgefängnissen so genannte Strafkarzer und andere Zellen zur Geständniserpressung einrichten.

Im Zentralgefängnis in Berlin-Hohenschönhausen gab es ab 1947 nachweislich eine nur einen Quadratmeter große Stehzelle. Es existierte
ein niedriges Verlies unter einer Kellertreppe, in dem man nur hocken oder sitzen konnte. Schließlich gab es Kammern mit erhöhter
Türschwelle, in denen die Gefangenen oft über mehrere Tage hinweg so lange aus Eimern mit Wasser übergössen wurden, bis der Zellenboden
zentimeterhoch unter Wasser stand. In den Folterräumen gab es weder Liegen oder Hocker noch Notdurftkübel. Verstärkt wurde der
Leidensdruck durch eine extrem reduzierte Nahrungs- und Flüssigkeitszuteilung, manchmal auch durch Entkleidung und Fesselung sowie
durch kalte Luftzufuhr. Viele Gefangene verloren in den Kammern jegliches Zeitgefühl, hatten Halluzinationen oder erlitten einen
Kreislaufzusammenbruch.

Der frühere Häftling Karl-Heinz Reuter berichtete zudem, dass er im Mai 1947 mit einem Mithäftling in vier Zellen spezielle
Foltervorrichtungen einbauen musste: Beugegerüste mit Fesselvorrichtungen für Hände und Füße, Knieholzpritschen und Tropfanlagen
mit Wasser. Außer seinen Angaben und Skizzen liegen über die Existenz und Verwendung der Konstruktionen keine weiteren Hinweise vor.
1993 ließ die Senatsverwaltung für Kultur, Wissenschaft und Forschung im ehemaligen »U-Boot« drei Zellen mit den von Reuter
beschriebenen Folterinstrumenten rekonstruieren.

Im Sommer 1951 übernahm das MfS das Kellergefängnis und nutzte es bis 1960/61 als zentrale Untersuchungshaftanstalt. Die Art und
Weise der Unterbringung änderte sich nur geringfügig. So äußerte sich der in Ungnade gefallene SED-Spitzenfunktionär Paul Merker,
der von 1952 bis 1955 in Hohenschönhausen inhaftiert war, gegenüber einem Zellenspitzel über das damalige Haftregime:
»Man lebt hier, als sei man lebendig begraben, ohne Zeitungen und von der Außenwelt vollkommen abgeschlossen.« Die Zellen, so Merker,
glichen steinernen Särgen. Obwohl er einen großen Einblick in alle Einrichtungen des Staates gehabt habe, hätte er es nie für möglich
gehalten, dass es in der DDR derartige Haftanstalten gebe.

Drohungen, körperliche Gewalt und ausgeklügelte Foltermethoden wurden im »U-Boot« auch noch zu MfS-Zeiten angewandt. Die Anweisungen
dazu gaben die sowjetischen Berater. Systematischer Schlafentzug und monatelange Isolation, stundenlanges Stehen und tagelanger Arrest
bei reduzierter Kost, schlimmste Erniedrigungen und Beschimpfungen gehörten in den frühen fünfziger Jahren zu den gängigen Methoden
der Geständniserzwingung. Erst nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin befahl der damalige Innenminister, Law-rentij Berija,
die »Anwendung von beliebigen Zwangsmaßnahmen und körperlicher Gewalteinwirkung« in den Untersuchungsgefängnissen des Geheimdienstes
einzustellen. Viele Spitzenfunktionäre waren in den Jahren zuvor selber Opfer der Foltermethoden geworden. Grausames Schlagen der
Inhaftierten, tagelanges Tragen von Handschellen bei auf den Rücken verdrehten Armen, lang anhaltender Schlafentzug oder der Einschluss
nackter Gefangener in Kältekarzer waren nunmehr untersagt. Die entsprechenden Foltereinrichtungen in den Haftanstalten sollten abgebaut
werden.

Auch im »U-Boot« wurden die Häftlinge nun nicht mehr durch systematische Gewaltanwendung zu Geständnissen gezwungen, doch kam es nach
wie vor zu Übergriffen der Vernehmer. Durch strenge Einzelhaft, nächtliche Verhöre, systematische Einschüchterung und die Androhung
schwerster Strafen wurden die Häftlinge massiv unter Druck gesetzt, die belastenden Vernehmungsprotokolle des Staatssicherheitsdienstes
zu unterzeichnen. Auf dieser Grundlage wurden sie anschließend vor Gericht gestellt und verurteilt.

In Berlin-Hohenschönhausen saßen die aus Sicht des MfS besonders wichtigen Untersuchungsgefangenen ein, die meisten wegen so genannter
politischer Delikte. Die Liste der Inhaftierten reichte von den Streikführern des Aufstands am 17. Juni 1953 bis zu Anhängern der Zeugen
Jehovas. Auch Reformkommunisten wie der Leiter des Aufbau-Verlages Walter Janka und in Ungnade gefallene Politiker wie der ehemalige
DDR-Außenminister Georg Dertinger (CDU) saßen monatelang in den gruftartigen Zellen ein. Sogar SED-Kritiker aus dem Westen wurden damals
vom MfS entführt und nach Hohenschönhausen verschleppt - wie der West-Berliner Rechtsanwalt Walter Linse, der 1952 gekidnappt und ein
Jahr später in Moskau hingerichtet wurde. Insgesamt waren von 1951 bis 1989 im zentralen Untersuchungsgefängnis des MfS rund 11 000 Personen
in Haft. Sie kamen vorwiegend aus der DDR, aber auch aus der Bundesrepublik und anderen Staaten.

Quelle: „Der verbotene Stadtteil“, Peter Erler, Hubertus Knabe (Jaron Verlag)



Weitere Informationen:
Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
http://www.stiftung-hsh.de


Panorama: Stasi Gefängnis Hohenschönhausen - "Tigerkäfig"
Panorama: Stasi Gefängnis Hohenschönhausen - "Tigerkäfig"
Dirk Rotermundt

Panorama: Hohenschönhausen - Vernehmerraum
Panorama: Hohenschönhausen - Vernehmerraum
Dirk Rotermundt

Panorama: Zelle im Gefängnisneubau Hohenschönhausen
Panorama: Zelle im Gefängnisneubau Hohenschönhausen
Dirk Rotermundt

Eingangstor zum Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen (Innenansicht)
Eingangstor zum Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen (Innenansicht)
Dirk Rotermundt



http://www.digitalvisionen.de
http://www.royaloceanliner.com

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