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Christian Brünig


Free Account, Duisburg, Ruhrgebiet, Europa

Revierwinter

Kaum gibt es im Revier - selten genug - Frost, frieren viele der oft bei uns vielfach unbeheizten Pfützen ein. So weit so normal.

Natürlich spiegelt sich aber im Revier in nahezu jeder dieser gefrorenen Pfützen ein Dreck schleudernder Betrieb wie hier die Kokerei Prosper in Bottrop. Wenn man den durch die Luft fliegenden Briketts geschickt ausweicht, kann man durchaus Fotos fürs Gemüt erzeugen.

Menschen, die solche Bilder machen, sind in der Literaturwissenschaft bekannt als "die mit dem Industrie- Roman- Tick". Man erkennt an diesem Foto auch die hohe Lärmbelästigung im Ruhrgebiet: selbst nachts rauscht der Himmel.

Ein weiteres Revier-typisches Phänomen sind die humanoiden, gefühlsempfindlichen Stromleitungen, die nicht etwa einfrieren, sondern zittern und dadurch gestalterische Unschärfe erzeugen.

Ferner versuchen die in emotionaler Intelligenz zurück gebliebenen Einheimischen sich an Landmarken aufzurichten, wie den hinter dem Ablöschdampf der Kokerei erkennbaren "Tetraeder". Immerhin wurden zum Zweck der Installation solcher Gebilde so genannte "Halden" aufgeschüttet. Zu deren Erzeugung bohrte man Schächte und Stollen, um so genannte "Berge" zu produzieren. Richtigerweise müssten die "Berge" "Hügel" heißen, denn die Halden sind gar nicht so hoch - Beweis: um etwas Aussicht zu haben, muss so ein Tetraeder herhalten.

Schließlich ist man bei uns um die Fotografen bemüht, die ja hier wegen Umweltverschmutzung keine Schmetterlinge, Frösche oder Libellen zur Verfügung haben: um den ungestörten Ausblick auf die Kokerei zu gewähren, wurde extra die auf der im Mittelgrund sichtbaren Brachfläche befindliche Kohe- Verflüssigungsanlage abgerissen. Sie war gebaut worden, als im Zug der 2 Ölkrisen der 1970er Jahre Kohle vom Preis her konkurrenzfähig hätte werden können. Die Gasbehälter links im Bild heißen übrigens Pat & Patachon.

Schön ist es freilich auch anderswo.;-)

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