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Schnitt-Exponat - zum Wohle der Wissenschaft?

Schnitt-Exponat - zum Wohle der Wissenschaft?

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Patrick Rehn


Premium (World), Bebra-Lüdersdorf

Schnitt-Exponat - zum Wohle der Wissenschaft?

Der ein oder andere kennt vielleicht die Funktion von sogenannten Schnitt-Modellen oder auch Schnitt-Exponaten, mit welchen die technische Funktion oder die meist verborgenen "inneren Werte" freigelegt werden.

In der Sammlung des Deutschen Museum München befindet sich dabei auch eine 1874 gebaute Dampflokomotive, welche mit verschiedenen Koventionen jener Zeit brach: Sie war zum einen die tausendste Lokomotive der Firma Maffei und gehörte zu den ersten Schnellzugmaschinen der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen. Entgegen den "damaligen Gepflogenheiten" erhielt die Lokomotive jedoch keinen klangvollen Namen, sondern war mit dem Namen "1000" unterwegs - obwohl ihre Betriebsnummer die 634 war.

Ihre Geschwindigkeit lag seinerzeit bereits bei 90 Stundenkilometern - ein Novum für die damalige Zeit, "nur" knapp 40 Jahre, nachdem das Eisenbahnfieber in Deutschland seinen Siegeszug antrat.

Der Lokomotive war allerdings kein allzu langes Leben im regulären Dienst beschieden, denn sie wurde in den Königlichen Centralwerkstätten mit Handmeißeln aufgeschnitten um angehenden Lokführern, Heizern und Werkstattpersonalen für die Aus- und Fortbildung zu dienen. Besonders hervorzuheben ist dabei die aufgeschnittene Druckluftpumpe, um die Arbeits- und Funktionsweise der verbauten Westinghouse-Bremse zu erläutern.

Mit dem Fortschreiten der Entwicklung des Eisenbahnwesens und dem Einzug neuer Techniken und Bauweisen blieb der Lok allerdings keine allzu langes Leben als "Lehrstück" beschieden, so dass man sie bereits im Jahr 1905 an das Deutsche Museum abgab.

Im 101. Jahr ihres Museumsdaseins zog die Lok dann von München nach Freilassing um: Im April 2006 setzte sich ein Zug mit insgesamt fünf Loks und einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in Bewegung, welcher nach mehreren Stunden Fahrt über Mühldorf dann am Abend des 9.4. in der Stadt an der Saalach eintraf.

An dieser Stelle möchte ich mich auch beim Personal der Lokwelt Freilassing für die freundliche Erlaubnis bedanken, dass ich die meist vor den Exponaten aufgestellten Informationstafeln für die Fotos kurz umstellen durfte.

Aufnahmedatum: Sonntag, 4. August 2019 - 12:21 Uhr

Commentaire 4

  • makna 24/09/2020 9:27

    Immerhin: Durch diesen Schnitt hat die Lok überlebt ... und gibt Zeugnis ab, wie einst
    eine zweifach gekuppelte "Schnellzuglokomotive" ausgesehen hat:

    Die Lokomotiven der bayerischen Staatsbahn-Gattung B IX wurden 1874 bis 1887 in
    104 Exemplaren gebaut. Sie stellten ab 1875 bis Mitte der 90er Jahre des 19. Jhdt's
    das Rückgrat der Schnellzugförderung der K.Bay.Sts.B. dar - ab 1892 hatte die Bay.
    Staatsbahn mit der Gattung B XI (2'B n2) eine stärkere Schnellzuglok in Diensten,
    die ab 1895 auch als Verbundlokomotive der Gattung B XIc (c = compound) mit
    insgesamt 100 bis zum Jahr 1900 gebauten Maschinen zur Ausführung kam.

    Bemerkenswert am Exponat - und bei Deiner Darstellung - ist die Druckluftpumpe,
    denn sie war ein Utensil, das der Gattung B IX erst später angebracht wurde:
    Ursprünglich waren alle B IX mit Heberlein-Bremsen ausgestattet, denn
    erste druckluftgebremste Züge kamen bei den K.Bay.Sts.B. erst zum
    Ende der 80er Jahre des 19. Jhdt's auf ... weshalb die 1889-1891
    mit nur 14 Exemplaren gebaute 1'B-Schnellzuglok der Gattung
    B X die erste Baureihe war, die mit dem "Westinghauser"
    ab Werk ausgestattet wurde: George Westinghouse
    erhielt 1872 in den USA auf seine Erfindung der
    indirekt wirkenden, selbsttätigen Druckluft-
    Bremse ein Patent - die Einführung
    dieser Bremsen zog sich über
    Jahrzehnte hin (Güterzüge
    in Europa erst ab 1922).

    https://www.deutsche-biographie.de/sfz28483.html
    https://de.wikipedia.org/wiki/Druckluftbremse_(Eisenbahn)

    Da aber der "Westinghauser" von Werkstatt- wie Betriebspersonal als Lehr-Objekt
    - eben mit der Einführung der Druckluftbremse erst zum Ende des 19. Jhdt's -
    besonders zu beachten war, hat man der Druckluftpumpe an dieser Lok
    eben auch besondere Beachtung geschenkt und das Schnitt-Exponat
    in allen Beschreibungen besonders hervorgehoben ... bezogen auf
    die Gesamt-Darstellung der Funktionsweise einer Dampflok, die
    mit diesem Schnitt-Exponat zu zeigen war, ist diese Pumpe ein
    gar nicht der Funktionsbeschreibung zugehöriges Detail ... ;-)

    ... interessant jedenfalls, wie solch' überlieferte Darstellungen,
    aus dem geschichtlichen Zusammenhang gerissen, nun
    der Nachwelt eine neue Bedeutung aufdrängen ... :-)

    ... was freilich Deiner Gesamt-Darstellung in Text und Bild keinen Abbruch tut -
    im Gegenteil: Ich finde diese Ansicht und Deine Beschreibung sehr gut !!!

    BG Manfred
  • Sigbert der Eisenharte 23/09/2020 7:15

    Besser Schnitt als Schrott. Schön gezeigt!
    VG Dirk
  • Manfred Mairinger 21/09/2020 14:37

    Interessanter Blick ins Lokinnere!
    VG Manfred