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Tristesse, aber Heimat

Tristesse, aber Heimat

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Tristesse, aber Heimat

Ein Bild ohne eigentliches Motiv.
Ein Bild ohne Aussagekraft.
Ein trostloses Bild.

Und trotzdem für mich so viel mehr.

Heimat !

Wie oft habe ich diesen Blick aus meinem Schlafzimmerfenster gehaßt. Trostlosigkeit - typisch für eine Gegend mit Massenarbeitslosigkeit und zerfallenen Fabriken; auf dem Bild eine ehemalige Schuhfabrik. Nur der Frühling bringt ein wenig Farbe, wenn ein Taubenpaar in der Trauerweide brütet.

Diese Tristesse habe ich gehaßt - bis ich letztes Jahr fortgezogen bin. Und erstmals hatte ich ein anderes Gefühl.

Ich sehe nicht mehr das langweilige, ausdruckslose Bild mit einer maroden Fabrik - ich sehe HEIMAT und erinnere mich an die Tauben im Frühjahr, die Ruhe, das morgendliche Aufwachen mit Vogelgezwitscher. Und ich vermisse sie, die Heimat - für andere Betrachter Tristesse.

Weißenfels an der Saale , Am Heuweg im Februar 2005

Commentaire 4

  • Peter-Christoph Heier 16/05/2013 18:00

    Immer wieder einen Blick wert.
    Wann wird endlich das Fenster zu gemacht?
  • Peter-Christoph Heier 28/05/2010 22:46

    Es gibt wohl kein Bild, welches ich mir seit seiner Entdeckung häufiger als dieses in der fc angeschaut habe. Aber ich kann mich auch an kaum eine andere Situation in meinem nun schon 58 Jahre währendem Leben erinnern, die mir ähnlich nachhaltig und unablässig wiederkehrend wie bei dieser Betrachtung eine Gänsehaut vermittelt hat. Und dann die in mir eine eigentümlich wohltuend bittere Resonanz auslösenden Texte...

    Zum Abhärten habe ich das Bild kurzerhand zum dauerhaft gebliebenen Hintergrund auf einem meiner zum Broterwerb genutzten Laptops gemacht. Allein, auch das hat nicht die erhoffte (?) Abstumpfung gebracht. Nun ist mir zumindest nicht mehr bang vor dem Augenblick, an dem die heimatliche Tristesse aus fc verschwindet. Ich werde aber wohl oder übel noch mal hin zum Tatort müssen, an dem ich allerdings noch nie war, sondern den ich immer nur, auch das höchst selten, mittlerweile schon 40 Jahre und länger zurückliegend, aus den Augenwinkeln wahrnahm.

    Ob die Wirklichkeit so aufwühlend wie dieses Bild sein kann?
  • N. Claudia 15/05/2006 21:10

    hallo liebe sandra, schön wieder was von dir zu sehen und zu lesen... echt!
    auf den ersten blick, ja, es sieht trostlos aus. dann noch der schnee, kein laub, keine farbe... trist.
    ich kann dein gefühl nachvollziehen. auch für mich gibt es 2 städte die einfach heimat für mich sind. ich konnte zu dem zeitpunkt wo ich da zuhause war nicht nachvollziehen wie fremde das schön finden konnten, war es doch so gewöhnlich und normal. aber jetzt, wo ich meine heimat nicht mehr so oft sehe, nur in meiner erinnerung - habe auch ich sehr oft heimweh - heimweh nach meiner heimat.
    sandra, deine wundervollen zeilen haben in mir wehmut ausgelöst.. aber es war doch wunderbar und großartig.
    es gibt so einen uralt-song "eine handvoll heimaterde nehm ich mit ins fremde land"... der würde hier sehr gut passen.

    ich wünsche dir einen schönen abend und liebe grüße,c
  • Moni Walkenhorst 15/05/2006 18:37

    Was soll ich sagen, Sandra?
    Du hast mir Tränen in die Augen getrieben. Tränen der schönen und traurigen Erinnerungen.
    Besonders beeindruckt mich Deine Fähigkeit, Deiner Seele Flügel zu verleihen und Deine Gefühle in Worte zu fassen.
    Eine solche Selbstanalyse hätte manch anderen einige Sitzungen beim Psychoanalytiker gekostet.
    Ich bin sehr bewegt!

    lg, Moni