Retour à la liste
. . . von der Krankheit unserer Zivilisation . . .

. . . von der Krankheit unserer Zivilisation . . .

3 924 33

Neydhart von Gmunden


Premium (Basic), Hamburg

. . . von der Krankheit unserer Zivilisation . . .

Da war ich nun für einen kranken Nachbarn zum Arzt gegangen, um die Überweisung
in ein Krankenhaus abzuholen. Gegen 13:00 Uhr (!) stand ich vor der Arzthelferin und
sagte: Guten Tag, ich komme für Herrn . . . die Überweisung abholen; er hat ihnen in
der Früh eine E-Mail geschrieben. Antwort: Ja, die E-Mail ist heute Morgen gekommen
aber wir haben den Vorgang noch nicht bearbeitet. Sie können die Überweisung nicht
mitnehmen. Ich: Was bedeutet dies ? Muß ich jetzt bis Weihnachten warten ? Arztas-
sistentin: keine Reaktion. Ich genervt: Herr . . . ist schwer krank und hat einen Termin
im Krankenhaus und ich gehe hier nicht ohne Überweisung raus. Etwa 5 Minuten spä-
ter verlasse ich die Praxis mit der benötigten Unterlage; in mir brodelt immer noch ein
Vulkan. Wenn ich, sog. Privatpatient, zu meiner Hausärztin gehe um z.B. eine Überwei-
sung abzuholen, ist die ruckzuck ausgedruckt, ohne wenn und aber und ohne langes
Gedöhns. Was für Zeiten, was für ein nerviges Gesundheitssystem in diesem Jahrtau-
send. Also mit dem brodelnden Vulkan im Bauch hin zum Lieblingswald im Niendorfer
Gehege. Runter kommen, nur runter kommen, hämmert es in meinem Kopf. Der erste
Baum, der mit über den Weg läuft muß dran glauben. Ich lehne mich an seinen Stamm
und sage: ach Baum, das Leben als Mensch ist auch nicht immer leicht; ich habe so ei-
ne Wut im Bauch. Der Baum schweigt, er begnügt sich damit, mir seine starke Schulter
zu leihen; gebührenfrei ! Mein Blick gleitet zu seinem Nachbarn und da lacht mich doch
ein grünes Männlein an, gemalt auf einem Zauberstein. Sofort schwindet der Groll und
eine Leichtigkeit ergeift meine gequälte Seele. „Danke, sage ich, danke meine Freunde.
Wie gut es doch war, gleich zu euch zu kommen.“ Ich nehme den Stein und gehe mei-
nen vertrauten Weg. Ich freue mich wie ein Honigkuchenpferd und murmle vor mich hin:
danke, danke, danke. Nach der Hälfte der Weges lacht mich ein Blümlein an. Auch es
hat sich in einem Baum versteckt und sein ansteckendes Lachen hat mich zu sich ge-
führt. Meine Freude wächst und dankbar nehme ich das Blümlein an mich und bin nur
noch glückseelig. Beschwingt vollende ich meinen Weg durch den Wald. Am Ende des
Weges kommt mir der Gedanke, mal nach meinem Lieblingsmonster zu schauen. Wenn
ich schon mal hier bin, dann muß auch ein kurzer Besuch möglich sein. Also biege ich
in den Nebenweg ab, der mich zum Monster führt. Auf der Hälfte des Weges höre ich
eine leise Stimme: Hab einen schönen Tag; hab einen schönen Tag. Und wie ich nach
der Stimme schaue, da finde ich einen weiteren Zauberstein, der den letzten Hauch an
Frust in mir vertreibt. Guter Dinge kam ich dann zu meinem Lieblingsmonster und was
tat ich, ich brachte ihm neue Augen und eine Stimme mit. Da freute sich das Monster
und wir hatten beide einen schönen Tag, den wir lange in Erinnerung behalten werden.


Commentaire 33

  • Rundhauber66 16/01/2024 13:16

    Nicht umsonst heisst es ja: .. mein FREUND der Baum... "Schöne Geschichte wieder lebendig erzählt und das Foto sehr FREUNDlich dargestellt... Vg. Ina
  • Geojeole 30/11/2022 21:50

    Foto und Geschichte gehören eng zusammen, beim zweiten Betrachten wird das Lächeln noch breiter als vorher. Wunderbar verknüpft.
  • peju 01/05/2022 19:47

    Das wäre der richtige Moment...mal Kafka zu lesen. Dach geht's Dir sicher wieder besser...
    Und... ich beneide die Sprechstundenhelfer(innen) nicht um ihren Job.
    Jeder will sofort und nicht warten. Ich weiß garnicht, wieviele Stunden ich schon in Wartezimmern verbracht habe, aber Geduld ist wohl das, was man am meisten braucht.
    Grüße aus Köln
    Peter
  • gabi44 27/04/2022 13:49

    Dem Schrecken ein freundliches Gesicht geben mit Hilfe solcher - oft von Kinderhand -
    gestalteter Steinchen - habe schon eine Menge von ihnen unterwegs gesammelt, sie
    erwarten ihre Rückführung an bestimmter Stelle, so, wie Du es getan hast. Eine wirklich
    nette Idee !!!
    Zum Gesundheitswesen nur so viel: In keinem mir bekannten Land laufen die Menschen
    so viel zum Arzt wie bei uns. Mag die Bürokratie oft hinderlich sein - Dankbarkeit auf unser
    System sei angebracht. Und wer treibt die Beitragskosten in die Höhe? Menschen, die
    ihre Verantwortung für die eigenen Gesundheit der Allgemeinheit überlassen.  Erkrankungen, die man mit common sense vermeiden könnte.
    lg gabi 44
    • Neydhart von Gmunden 28/04/2022 20:00

      Gestern Abend sah ich einen Beitrag über die ärztliche Versorgung
      auf dem Land. Da wußte ich, das ich zumindest in dieser Hinsicht
      als StadtMensch besser dran bin.

      1979, mein Weg führt mich zum Hamburger Stadtpark; ich wollte ein
      wenig Grün sehen. Am Kiosk die Bild-Zeitung breit sichtbar für alle
      wie eine Drohung in den Weg gestellt. Auf der Titelseite das Foto
      eines Inders abgelichtet. Dazu  sinngemäß der Hinweis, dass das
      durchschnittliche Arbeitslosengeld in Deutschland höher ist als
      das Einkommen eines Ingenieurs in Indien. Motto: die Deutschen
      klagen zu viel, obwohl es ihnen (sooooo) gut geht.
      Verschwiegen wurde, das die Lebenshaltungskosten in Indien deut-
      lich geringer waren als in Teuro-Deutschland.

      Das es uns im Vergleich zu sehr vielen Ländern gut, gar besser geht,
      ist unbestritten. Dafür haben wir Arbeiter und Angestellten hart gear-
      beitet und für bessere Lebensbedingungen hart gekämpf. Geschenkt
      wurde uns das nicht ! "Samstag gehört Vati mir", war ein Streikauf-
      ruf der IG Metall in den 50igern bzw. 60iger Jahren für ein familienfreund-
      liches Wochenende (5 Tage-Woche).

      In diesem Lande leben wir unter unseren Möglichkeiten, das möchte
      ich mit meiner Kritik sagen. Der Maßstab ist nicht der "arme" Inder
      sondern das, was wir leisten könnten, weil wir die Möglichkeit dazu
      haben. Wer 100 Mrd. Euro für Rüstung ausgeben möchte, die Auto-
      industrie mit Steuergeldern beschenkt, sollte sein Gesundheitssystem
      auf vordermann bringen. Die Corona-Krise hat doch gezeigt, das es
      an vielen Ecken und Enden "brennt", unabhängig von nicht notwendi-
      gen Hüft-OPs und Brustvergrößerungen etc.
      Lieber Abendgruß,
      Neydhart
  • stffn 26/04/2022 23:21

    beim photo finde ich keinen bezug, aber deinen text habe ich mit gewinn gelesen! danke. hrzlch, stffn
    • Neydhart von Gmunden 27/04/2022 9:00

      Lieber Stffn, bestimmte Zustände lassen sich nicht immer in einem
      Foto unterbringen. Zum Beispiel wird unsere Gesundheitssystem im-
      mer teurer, aber die meisten Menschen aus der Gesetzlichen Kran-
      kenversicherung spüren dabei eher eine Verschlechterung.
      Gut das wir demnächst wieder Milliarden in die Rüstung stecken.
      Dann können wir die Krankheiten endlich tot schießen und so zu ei-
      ner stabilen Gesundheitsvorsorge kommen.

      Das Foto zeigt nur das schöne Ende eines - nach meinem Empfin-
      den - ärgerlichen Ereignisses, welches ja kein Einzelfall in unserer
      Gesundheitsversorgung ist.
      Der Wald, in dem ich mich nun fast täglich bewege, heilt meine
      Frustrationen und damit meine Seele. Und dabei hat er so seine
      Methoden entwickelt, um mich auch sehr schnell zu erden und in
      eine gute Stimmung zu versetzen. Für mich ist er mittlerweile zu
      einem Zauberwald geworden. Sobald ich darin eintauche, bin ich
      wie verwandelt. Und so geht es vielen anderen Menschen, denen
      ich begegne und mit denen ich mich austausche. Die Natur versteht
      es zu heilen.
      Lieber Gruß aus der Morgenwelt,
      Neydhart
    • stffn 27/04/2022 11:03

      leider wird die natur unser gesundheitssystem nicht ersetzen können... aber du hast recht: es liegt noch einiges im argen...
      aber immerhin haben wir ein gesundheitssystem, das man verbessern kann. das darf man auch nicht unterschätzen.
      dir und deinem nachbarn alles gute! hrzlch, stffn
    • Neydhart von Gmunden 28/04/2022 19:46

      Du weisst, nichts verbessert sich von alleine.
      Die Rentner, also das ausgediente Volk, bekommt keine 
      EnergiekostenTrostpauschale. Brauchen die ja auch nicht.
      Altes Eisen muß nicht mehr erhitzt werden; Schrottplatz !
      Abendgruß
  • -ansichtssache- 26/04/2022 21:22

    Dein inzwischen guter Bekannter, der Monsterbaum, sieht ganz erstaunt aus, ob der dekorativen Gaben, mit dem du ihm ein Gesicht gegeben hast. Und nach dem Staunen kommt oft die Freude und so hattet ihr beide noch einen schönen Tag.
    Hab einen schönen Abend und eine ärgerfreie Woche!
    LG Danny
    • Neydhart von Gmunden 27/04/2022 8:51

      Liebe Danny, wie Du weißt, beruhige ich mich auch wieder relativ
      schnell, zumindest, wenn ich in meinem "Zauberwald" unterwegs
      bin. Dem spreche ich nunmehr heilende Wirkungen zu.
      Herzliche Grüße aus der Morgenzeit,
      Neydhart
  • E. W. R. 26/04/2022 18:52

    Etwas mehr Resilienz (vulgo Widerstandskraft, geht doch!) könntest Du dir schon zulegen. Du hast ja sicher auch das Theater mit dem Rentenantrag bei leidlicher Gesundheit überlebt. ;-)
    • Neydhart von Gmunden 27/04/2022 8:50

      Lieber Eckkard, der Rentenantrag war ruckzuck durch. Ich merke
      nur, mit dem Alter werde ich "garstiger" im Umgang mit dem täg-
      lichen "Blödsinn" in unserer Bürokratie und im Alltag mit unserem
      Gesundheitssystem. Von kundenfreundlicher Weiterentwicklung 
      unseres Dienstleistungssektors kann man kaum noch reden. 
      Morgengrüße
  • juergi-p 26/04/2022 18:42

    Das ist wirklich ein Monsterbaum, den Du da aufgenommen hast. Schöne Idee, die Wundersteine da reinzulegen. Und schöne Geschichte dazu!
    vg von jeurgi
  • Inge Striedinger 26/04/2022 18:24

    Ein schönes Märchen, sowas braucht man in solchen Zeiten wie jetzt ... DANKE!
    LG Inge
  • HJ.B. 26/04/2022 18:24

    Privatpatient oder ein Kopftuch umbinden, das ist hier die Lösung.
    Herzliche Grüße
    Hans Jürgen.