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Klacky


Premium (World), aus dem sonnigen WestWing

Wastl & the Wave

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"Bub," hatte die Mutter zu ihm gesagt, "Bub, wennst auf Minga gehst, mach was Gscheids!" Und genau das hatte Wastl, der im Taufschein Sebastian heiß, vor. Er wußte nicht so ganz genau, in welche Richtung er sich entwickeln wollte, aber was Ungewöhnliches sollte es schon sein. So schnürte er sein Ränzlein, verließ den hintersten Winkel des Tegernseer Tals und zog gen Minga, wo er sich umsah. In der Prinzregentenstraße, die ihm schon vom Namen her gefiel, denn sein UrUropa hatte ihm immer mit leuchtenden Augen von der Monarchie erzählt, erblickte Wastl erst eine Menschenmenge, und als er sich durchgewühlt hatte, die Welle.

"Ja verreckt!" entfuhr es ihm, als der die agil-wendigen Buam und Madeln auf den Brettern sah, die ihnen die Welt bedeuteten. "Dös is was Pfundig's, dös mach i a," brummelte er in sich hinein und sah sich um. Denn ein Brett brauchte er. Und wie's der Zufall wollte, war gerade Sperrmülltag in der großen Stadt, und es dauerte nicht lange, bis Wastl einen kleinen Küchentisch mit Resopalplatte sah, von dem er die Füße abbrach. Von Aero- oder Aquadynamik hatte er noch nichts gehört und war zuversichtlich, daß ihn das Brett tragen würde.

Stolz stapfte Wastl zurück zum Eisbach und stellte sich brav an. Die Surfer und Surferinnen sahen sich erstaunt um, konnten sich kaum das Lachen verbeißen, hielten ihm aber die Hand hin. Wastl schlug ein und fühlte sich ihnen zugehörig. Das tat gut in der Fremde. Langsam rückte er in der Warteschlange vor. Die Zuschauer auf der Brücke rieben sich verwundert die Augen, stellen aber schnell ihre Digitalkameras auf Video, denn diese Sensation wollten wie nicht verpassen.
Zu diesem Zeitpunkt wußten sie noch nicht, wie recht sie hatten!

Es begab sich aber zu der Zeit, daß die Studenten der Bundeswehruniversität die Welle neu berechneten, um sie auf ihr Optimum zu bringen. (Leute, wenn Ihr jetzt glaubt, Old McKlacky erzählt'n Scheiß und hat einen an der Mütze, dann liegt Ihr gaaaaanz falsch, denn jedes Wort hier ist wahr!) Und genau an diesem Tage sollten die Berechnungen der Studenten in der Praxis überprüft werden. Also just an diesem Tag, als der Wastl aus dem hintersten Tegernseer Tal mit seiner Tischplatte vom Sperrmüll am Eisbach stand, wurden die universitären Gedanken in einer Feldstudie angewandt. Wastl kam dran. Alle schauten gebannt zu. Wastl warf das Brett in den Bach und sich hinterher. Er stand. Er ruderte mit den Armen, aber er stand. Er balancierte, er drückte die Tischplatte sanft nach vorne, bekam etwas Fahrt und glitt ganz langsam die Welle hinab, fast unmerklich. Er nahm den Druck weg und ließ sich sanft nach oben treiben. Und da trat etwas ein, womit nur die besten Studenten gerechnet hatten, niemand sonst. Die Welle wuchs. Durch geschickte Wasserregelung und Veränderung des Bachuntergrundes wuchs die Welle und kam auf die Höhe des Laubs der umstehenden Kastanien. Und unser Wastl war obendrauf.

Er schaute sich um, war auf Augenhöhe der Zuschauer auf der Brücke, winkte ihnen zu und ließ sich dann höher treiben. Ein wenig fuhr er mal runter, so auf Oberkante Unterlippe des staunenden Menge, dann wieder hoch. Mittlerweile hatte die Welle die Höhe des Daches vom Haus der Kunst erreicht, und Wastl konnte den Englischen Garten überblicken. Das war für ihn, der er aus den Bergen kam, nichts Ungewöhnliches. Also ich meine nicht den Englischen Garten, den kannte er natürlich nicht, aber die Fernsicht war ihm durchaus vertraut.

Und was für ein Zufall, es kam nämlich hinzu, daß just an diesem Wochende der Tag der Renaturierung der Isar gefeiert wurde, und man aus dem Sylvensteinstausee einen kräftigen Schuß Wasser losließ, der sich seinen Weg gen Tal und nach Minga eini bahnte und dort, Ihr werdet es schon geahnt haben, auch den Eisbach füllte. Und so wurde aus der sonst so mickrigen Welle eine stehende, diesmal im wahrsten Sinne des Wortes. Sie stand sagenhafte 293 Meter hoch, höher als der Olympiaturm, nun ja, dieser Traum war eh ausgeträumt, und der Wastl ganz oben. Es überkam ihn ein unheimlich freies Gefühl, er räusperte sich, er hustete die Lunge frei und hub an zu jodeln. Der Erzherzog-Johann-Jodler war's, den er hinausschmetterte in die Welt, gefolgt von einigen weniger bekannten Stücken, und dann wieder den adligen Jodler.

Fernsehteams aus dem In- und Ausland zogen zum Eisbach, um diese neueste Attraktion Münchens zu filmen, Bayern 2 brachte eine Liveübertragung und natürlich war der Sender RRBB Romantik-Radio Blaue Blume vertreten.
Die Versorgung Wastls erfolgte per Hubschrauber, den eine Fangemeinde junger Sportler und alter Monarchisten organisierte, ihm wurde eine anständige Jause zugeworfen und eine Maß Bier und dann noch eine und noch eine ...




Und ganz unten am Rand dieser Wassersäule stand ein Fotograf und kippte zwengs der Fotogenität immer wieder Waldmeisterbrause in den Bach. Den Namen nenne ich nicht.

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