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Wenn der Fluss erwacht

Wenn der Fluss erwacht

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Lana 1


Premium (Pro), Schwarzwald

Wenn der Fluss erwacht

Er war Designer- freiberuflich. So wie es heute vielfach üblich ist. Das heißt, er war immer auf die positive Resonanz der Firmen in bezug auf seine Entwürfe angewiesen, da er ansonsten auf staatliche Unterstützung zurückgreifen musste. Als Folge davon wurde seine kreative Arbeit, die er als beruflichen Lebensentwurf gewählt hatte, immer mehr von einem inneren Druck bestimmt, der sich wie ein Schleier über seine Arbeit und sein Leben legte. Mühsam hatte er sich auch durch diesen Winter gequält, auch wenn einige seiner Arbeiten schon im Herbst für die neue Kollektion übernommen worden waren. Doch nun- jetzt, wo der Frühling vor der Tür stand- überkam ihn eine tiefe Müdigkeit. Tagelang konnte er nicht aufstehen und es gelang ihm nur mühsam, sich zu versorgen.
Eines Morgens kam ein Sonnenstrahl in seine Wohnung. `Laß mich`dachte er, ´schönes Wetter ist nur etwas für Menschen, denen es gut geht.` Dann hörte er die Stimmen der zwitschernden Vögel und erneut dachte er "laßt mich in Ruhe" und er zog sein Kissen über sein Gesicht. Da erinnerte er sich vage daran, dass heute der Tag sein könnte, an dem das Kind seiner Schwester kommen würde- ein kleines Mädchen von 6 Jahren mit blonden Haaren zu kunstvollen Zöpfen geflochten .Mühsam stand er auf und wartete, bis unten an der Türe geläutet wurde und er sie öffnete. Das kleine Mädchen sprang die Treppen hinauf bereits seinen Namen rufend. `Ich kann nicht, dachte er,` ich bin heute zu schwach`. Doch er wollte es versuchen, wenigstens eine Stunde- so versprach er es seiner Schwester." Komm", sagte das kleine Mädchen, "lass uns nach draußen gehen zum Fluß. Vielleicht erzählt er uns eine Geschichte". Und so gingen sie Hand in Hand zum Fluß und setzten sich an sein Ufer. Bald sprang das kleine Mädchen herum, zeigte ihm immer wieder gefundene Schätze, bis es sich schließlich wieder zu ihm setzte." Siehst Du, was der Fluß uns erzählt? Schau mal, er wacht auf und er tanzt, so wie ich". Da war es für einige Minuten so, als ob sich der Druck von seinem Herzen löste, als ob der Schleier vor seinen Augen abfiel, als ob der Atem wieder frei und gelöst durch seinen Körper strömen konnte und ein leises Lächeln zog über sein Gesicht. Denn was er sah, waren so wunderbare Formen und Farben, an denen er sich nicht satt sehen konnte und er schloß das kleine Mädchen fest in seine Arme. Wieder zuhause angekommen, nahmen beide ein Blatt Papier zur Hand und sie malten und malten, bis die Sonne untergegangen war. Die Türglocke läutete, das kleine Mädchen verabschiedete sich und er sank in sein Bett und schlief sofort ein- erschöpft, traumlos und tief. Es dauerte noch eine lange Zeit, bis es ihm wirklich wieder besser ging, doch er spürte nun Tag für Tag wieder mehr, wie er sich mit dem Leben verbinden konnte. Ach ja- all seine Entwürfe, die er irgendwann wieder einreichen konnte, entstammten den Farben und Mustern des Flusses- und alle Menschen liebten sein Design.






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