Wiedersehen

Wiedersehen

Das Klicken meiner Kamera hatte ihn wohl neugierig gemacht, denn er trat einen Schritt vor den Deckung bietenden Bäumen hervor. Ich meinerseits ging ihm zwei Schritte entgegen, um zwischen den Bäumen einen größeren Bildausschnitt zu erlangen. Wir kannten uns. Ich behaupte immer, in diesem Revier im südlichen Schlaubetal jeden Baum zu kennen, schließlich bin ich dort aufgewachsen. Die großen, wasserreichen Wälder sowie meine Eltern ziehen mich immer wieder in diese Gegend zurück. Aber die Natur wandelt sich. Weniger die Bäume, wohl aber die Tierwelt. Diesen Hirsch hatte ich vor einem Jahr zum ersten Mal gesehen. Er fiel mir auf, weil er größer war als unsere einheimischen Rothirsche und ein sehr dunkles, schokoladenbraunes Fell hatte. Schon damals hatte er ein Geweih mit sehr langen Stangen und einer außergewöhnlichen Auslage, aber die geringe Anzahl und Kürze der Sprossen verriet ihn als Jungtier. Schon vor einem Jahr standen wir uns gefühlte 30 Sekunden lang bewegungslos gegenüber. Fotografieren konnte ich ihn damals nicht, weil das Licht im dunklen Wald nicht ausreichte. Aber wie hat er sich in der Zwischenzeit entwickelt! Ich schätze sein Alter auf 5-6 Jahre. An der Brunft hat er in diesem Jahr wahrscheinlich noch nicht teilgenommen, jedenfalls konnte ich es nicht beobachten. Er röhrte zwar fleißig, ging aber dem Platzhirsch immer aus dem Wege, der eine viel tiefere Stimme hatte. Wie man sieht, kam er hier gerade aus der morgendlichen Suhle.