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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Willkür...

Willkür…
…war Gang und Gebe an diesem unwirklichem Ort !
Schon bevor das Krematorium 2 in Birkenau fertig gestellt war, sorgte es für Tote – Menschen, die lediglich der Willkür zum Opfer fielen…
Als die Entscheidung getroffen wurde, das KZ Auschwitz zu einer ultramodernen Anlage zur Judenvernichtung auszubauen, wurde klar, dass das Krematorium I diese Aufgabe nicht bewältigen konnte. Dessen improvisierte Gaskammer war viel zu klein und zu ineffizient.
Der Bau eines leistungsstarken Zentrums aus vier Krematorien wurde im Sommer 1942 beschlossen und sodann auch in Auftrag gegeben. Gebaut wurde größtenteils im Winter 1942/1943 mit oberster Priorität: An Materialien – Ziegelsteinen, Zement und Häftlingen – wurde nicht gespart. Die Erbauer des Krematoriums, auch wenn keine Mitglieder des Sonderkommandos, hatten ebenfalls viel zu erzählen.
Einer von ihnen, Lejb Silber aus Zichenau, der beim Bau des Krematoriums II (siehe Foto) mitgearbeitet hatte, berichtete über folgende Praktik. Der Kapo der Bauarbeiten am Krematorium II, ein deutscher Strafgefangener mit dem Spitznamen „Herkules“, der stets einen sowjetischen Soldatenmantel trug, und vier seiner polnischen Helfer schnappten sich ein paar Dutzend jüdischer Arbeiter und trugen ihnen auf, etwas vorzusingen. Im Gegenzug bekämen sie eine „gute“ Arbeit im Warmen, war das Versprechen. Die Arbeiter verwöhnten das Gehör der „Melomanen“ (Musikbessene) bereitwillig, wonach sie an die allerhöchste Baustelle geschickt wurden – dorthin, wo der riesige Schornstein des künftigen „Kamins“ errichtet wurde und wo das Gerüst besonders schmal und wackelig war. Der Hieb eines Polen mit dem Vorschlaghammer gegen dieses Gerüst genügte, damit es knarrend einstürzte und die Opfer aus der luftigen Höhe auf den gefrorenen Boden knallten. Andere Häftlinge wurden gezwungen, die Leichen zu der warmen Stube des Kapos zu schleppen, und manche davon sogar hinein. Die „Melomanen“ hatten ihre Opfer während des Singens nämlich aufmerksam beäugt und geguckt, wer von den Chorsängern Goldzähne hatte, die dann mit brachialer Kraft aus deren erkalteten Mündern ausgerissen wurden. Mit den SS-Wachen wurde alles vorher abgesprochen: Sie bekamen Schnaps. Und den Vorarbeitern wurde ein Unfall gemeldet, nach dem Motto: Die unerfahrenen jüdischen Häftlinge haben Sicherheitsregeln bei Höhenarbeiten verletzt. Für den nächsten Tag teilten die Aufseher statt dieser „Unerfahrenen und Unvorsichtigen“ neue Leute ein – manche von ihnen hatten bestimmt goldene Zahnkronen…

(Quelle: Briefe aus der Hölle – Die Aufzeichnungen des jüdischen Sonderkommandos Auschwitz von Pavel Polian)

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