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anne47


Premium (World), Köln

abgelehnt

Der im Herbst 1989 gegründete Zentrale Runde Tisch der DDR vereinte die Repräsentanten des im Zerfall befindlichen SED-Regimes mit Vertretern der Opposition, um die ersten demokratischen Wahlen in der DDR zu organisieren und eine neue Verfassung zu entwerfen. Dafür wurde die Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“ gebildet. Ihre Mitglieder kamen paritätisch aus allen am Runden Tisch vertretenen Parteien, Gruppen und Organisationen. Neben der DDR-Verfassung von 1949 zog die Arbeitsgruppe eine ganze Reihe anderer Verfassungen zu Rate, das bundesdeutsche Grundgesetz war dabei nur eine unter vielen.

Der Entwurf, wie er schließlich am 4. April 1990, also einen Tag vor der konstituierenden Sitzung der Volkskammer, einstimmig von der Redaktionsgruppe verabschiedet und tags drauf der Öffentlichkeit präsentiert wurde, umfasste unter anderem soziale Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, Wohnung, Bildung und soziale Sicherheit, das Streikrecht und ein Aussperrungsverbot, plebiszitäre Elemente wie eine Gesetzgebung durch das Parlament oder durch Volksentscheid sowie privilegierte Rechte für Bürgerbewegungen mit Zugang zu Informationen der Verwaltung. Zum Staatswappen wurde das Emblem der ostdeutschen Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ bestimmt.

Die Chancen für den Runden-Tisch-Entwurf standen jedoch von Beginn an schlecht:
Plebiszitäre Elemente, die die SPD auch festgeschrieben haben wollte, waren mit der CDU nicht zu machen: „Man kann dem Parlament nicht Themen der Straße aufzwingen.“ Am 26. April 1990 wurden die beiden vom Bündnis 90 eingebrachten Anträge zur Inkraftsetzung einer vorläufigen DDR-Verfassung und zur Volksabstimmung über eine neue Verfassung von den Parteien der großen Koalition mit einer knappen Mehrheit von 179 zu 167 Stimmen abgelehnt.

Auch auf westdeutscher Seite hatte inzwischen eine rege und kontroverse Verfassungsdiskussion begonnen. Die etwa 200 aus den unterschiedlichsten Bereichen stammenden Mitglieder des „Kuratorium für einen demokratisch verfassten Bund deutscher Länder“ (u.a. Wolf Biermann, Otto Schily, Marianne Birthler, Fritz Pleitgen, Bärbel Bohley, Jürgen Habermas) – trafen sich in der Folgezeit zu insgesamt drei Kongressen an zentralen Orten der deutschen Verfassungsgeschichte. (Weimar, Potsdam und Paulskirche in Frankfurt am Main)
Ihre Forderungen nahmen viele Punkte des Entwurfs der AG „Neue Verfassung“ auf: die Trennung von Staat und Kirche, das Recht auf Wohnung und Arbeit, Umweltschutz als Staatsziel, die Stärkung des Föderalismus und nicht zuletzt plebiszitäre Elemente und die Bestätigung der neuen Verfassung durch einen Volksentscheid.

Nach dem 3. Oktober bildete der Entwurf eine der wesentlichen Quellen für einen weiteren Versuch, mithilfe einer Bürgerinitiative eine neue gesamtdeutsche Verfassung ins Leben zu rufen, die einen Neuanfang markieren und als Symbol für die Einheit zweier gleichberechtigter Partner stehen sollte. Dieser Versuch ist nicht geglückt.
Der Entwurf hat dennoch seine Spuren hinterlassen. Sein politisches Erbe findet sich in einigen Verfassungen der 1990 wiedergegründeten ostdeutschen Bundesländer.

https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/546089/verpasste-chancen-die-gescheiterte-ddr-verfassung-von-1989-90/

gesehen im Haus der Geschichte in Bonn

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