Alles Liebe

Alles Liebe

Ilse Schneider – Plessmann

30.November 1920 – 15. März 2018


Begeisterung ist die Flamme,
die das Leben der Menschen,
das geistige, wie das irdische,
nährt und erhält. Ernst von Feuchtersleben


Du hast Krieg und Besatzung, die Flucht in den Westen, Verluste und Enttäuschungen aller Art erlebt, und doch oder gerade deswegen hat dich eine unbändige alle ansteckende Freude am Leben zu immer neuen einzigartigen Erfahrungen und Begegnungen getrieben, die wir alle miterleben durften: Du hast gerne und gut nachvollziehbar erzählt und geschrieben. Du hast deinen Gefühlen auch durch unzählige Zeichnungen mit passenden Gedichten, Postkarten, Briefen Ausdruck verliehen. Wie viele hat das erfreut und zum Nachdenken oder auch zum Lachen angeregt! Die früher fast täglichen Reisen mit dem GA haben dich Leute, Museen, Sehenswürdigkeiten, Naturlandschaften kennenlernen lassen. Mit offenen Augen bist du durch das Leben gegangen und hast so viel Schönes gesehen und Liebes erlebt, auch unendlich viel Freundlichkeit und Liebe geschenkt.

Dein Leben war vom stetigen Wandel geprägt. «Nur der Wechsel hat Bestand», sagtest du oft, aber du meintest nicht das Überdrehen der heutigen Zeit. Du hast leidenschaftlich gerne am Theater Rostock gearbeitet, die Schweiz über die Arbeit in Hotels kennengelernt, mit Vater ein Hotel in Frankfurt am Römer und über 26 Jahre lang unser Feinkostgeschäft In Luzern geführt. Danach hast du noch im Lido gearbeitet und ebenfalls sehr gerne, in Museen. Mit Vater hast du unzählige kleinere und unkomplizierte Reisen unternommen. Immer kamt ihr begeistert nach Hause. Durch Freunde angeregt hast du dich auch früher weniger beliebten Kunst- oder Musikrichtungen geöffnet. Der einzige Wechsel, den du nie überwunden hast, war die Trennung von deiner Heimat, dem Norden Deutschlands. Immer hast du «dein» Rostock vor dir gesehen, «dein» Warnemünde, «dein» Meer. Auch hat dich der durch Nazis herbeigeführte Verlust deines Vaters bis zum Schluss gequält.

Nebst intensiven und vielfältig künstlerischen Interessen hast du mit Vater und mir, später alleine, Einklang in der Natur gesucht, alles Schöne fiel dir auf, du hast in einer Welt von Bemerkenswertem gelebt. Unsere gemeinsamen Ausflüge zu Seen und Moränenlandschaften sind für mich unvergesslich. Die Fahrten durch gewaltige offene, je nach Jahreszeit anders geprägte Räume, die gemeinsame Bewunderung für Licht und Farben; das Staunen beim Betrachten des Wolkensspiels an einem Himmel, der für dich Dach und Durchgang zugleich war, haben uns eine starke Verbundenheit erleben lassen.

Ein reiches, tief erlebtes, langes Leben ist nun zu Ende gegangen. Du warst eine grenzenlos liebende Mutter. Nichts war dir zu viel für mich. Ich trage in mir, was du mir vermittelt hast und verabschiede mich traurig, dankbar und mit Erleichterung, dass du nicht länger an der zunehmenden altersbedingten Einschränkung deiner dir über alles wichtigen Freiheit leiden musst. Ich danke dir für alles.

Deine Heidi


Nicht nur in Grau zeigt sich die Ostsee
Je nach Wind, Licht und Jahreszeit
Ist oft aufgewühlt das Meer
Mit weißem Schaum und blauen Wellen
Wolken wandernd hell darüber hin.
Die weiße, dicke Möwe mit Geschrei
Schwingt sich hoch über den Wellen hin und der
Ausschau haltend nach Partner und Beute
Auf und nieder mit dem Wind.
Alle Farben verschwinden langsam am Abend
In dem großen, roten Ball der Abendsonne

Ilse Schneider


Eine Allee zu begehen;
Den Schnee unter den Füssen
Ein kurzer Vogelruf
Den halb erscheinenden Sonnenstahl zu begrüßen
Der Norden mit Weite und Meer
Hat mich vieles gelehrt.
Wie Goethe es wusste:
„Die Natur ist Meister aller Meister
sie lehrt uns erst den Geist der Geister.“
Sie zeigt den Weg
Von Werden und Vergehen.

Ilse Schneider

Danksagung:

Ich danke allen, die dich in den letzten Phase deines Lebens begleitet haben und dir Freude und Kraft vermitteln konnten, als du zunehmend weniger davon selber mobilisieren konntest:

Svetlana Gruijic, Slavica Abegg, Vesna Kravar, Vesna Egeric haben dich wie eine Mutter liebevoll gepflegt; die Gespräche und Spaziergänge mit Iwan Zihlmann waren für dich tiefe Erfahrungen und wöchentliches Highlight; die Ärzte waren dir nahe und verbanden dich mit der Heimat: Dr. Jaadan, Dr. Becker und seine Engel: Frau Herman und Frau Hofstetter; Frau Nadal und Frau Erb haben sich sehr lieb um dich und den Haushalt gekümmert und geschaut, dass du auch an die frische Luft kamst; Familie Alagic von nebenan hat dich verwöhnt und geliebt und dir in mancher schwierigen Situation geholfen und dir Trost gespendet; die Nachbarschaft mit Frau Kunz und Frau Lohri hat dich täglich erfreut; so viele Freunde und weitere Nachbarn haben dich bis zuletzt treu begleitet und dir ihre Zuneigung und Verbundenheit gezeigt.