Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Andreas und die Currywurst

Meine damalige Assistenz war ein Himmelfahrtskommando ohne Ergebnis. Es gab einen großen Lichtblick, welcher mindestens 1,98 m maß. Er war der Freund meines Anvertrauten und mindestens sein 27. Bester nach seinen eigenen Worten. Oft schneite er in seine kleine Wohnküche: Dein Assistent kriegt jetzt Gyros und Ouzo!“ So zwang er mich flexibel mit den Dienstvorschriften umzugehen. Die Sprache von Andreas war eine eigene, direkte, unverblümte. Jeden Donnerstag gab es Rollstuhldisco von ihm organisiert, in Harburg oder Altona – ich blickte da nie so richtig durch. Er selbst nannte sich der König von Wilhelmsburg. Er war ein Geheimtippgeber für Flaschensammler und selbst übte er das Fliegen durch viele Flaschen Sekt und Schnaps. Die brauchte er für Stimme und gute Ideen und um durchs Leben zu kommen.

Seinen Kumpel nannte er Ashraf. Ein vom Himalaya verlorener kriegsvertriebener Sohn ohne Heimat und Manieren. Andreas gab sich derweil als Sohn von Jimmy Carter aus und wurde im Plaza festgenommen, weil er zwei Steaks verdrückt hatte, ohne zu zahlen. Seine Freunde lud er aber immer ein, zum Essen mit den Armen, Entrechteten, Behinderten und Alten. Zum Beispiel auf die Elbe mit dem Kutter an seinem 51. Geburtstag. Ich war dabei und bekam Likörpralinen. Er verdiente sich Cent und Euro dazu, durch Nettigkeiten. Aufgrund seiner Rente konnte er ja gut leben, wie er meinte. Tabletten und menschliche Schrägheit verbaten ihm richtig zu arbeiten. Des Nachts rief er immer wieder seine Freunde an. Sie sollten ihm einen Grund sagen, warum er nicht aus dem 8. Stock seiner Wohnung nach unten springen soll.

Im März 2012 besuchte ich ihn mit Ashraf in Wilhelmsburg. Andreas holte uns von der Bushaltestelle ab und erklärte uns sein Königreich. Seine Wohnung war eine Fundgrube für Plastiktütenliebhaber. Dann bemutterte er uns. Er hatte eine Friteuse und es gab Currywurst mit Pommes, selbst gemacht. Was anderes konnte er nicht. Aber seine Currywurst konnte jedem guten Imbiss Paroli bieten. Er philosophierte über das richtige Grundprodukt in den anliegenden Aldis und Lidls.

Ich suchte mir bald einen anderen Job. Mit dem verlorenen Freund von Andreas ging es nicht mehr. Der Kontakt zu Andreas riss ab. Ich erfuhr noch, dass er im Sommer seine langjährige Freundin heiratete.

Im Juli 2013, ein paar Wochen danach, nahm er vom Fenstersims seiner Wohnung die erste Flugstunde und stürzte ab.

(für Andreas 1960 – 2013)

15. August 2013

Andreas
Andreas
Matthias von Schramm


http://www.elbe-wochenblatt.de/wilhelmsburg/lokales/er-liebt-halloween-d13165.html

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