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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Auschwitz und Ich...

Mit diesem Foto möchte ich mich "hochladetechnisch" 2016 von euch verabschieden !
Mit meinem guten FC Freund Joachim Irelandeddie der übrigens das Foto mit Silver Efex Pro2 für mich bearbeitet hat fahre ich vom 27. - 30.12. nach Auschwitz.

Auschwitz und Ich

Warum immer wieder dieser schreckliche Ort ? Warum immer wieder Bilder und Erläuterungen von mir ?
Nein, ich will hier nicht den Moralapostel spielen, ganz bestimmt nicht ! Es ist über 70 Jahre her und ich kann eh nichts mehr ungeschehen machen ! Mahnen, Erinnern – ja, das kann ich, aber das können auch andere, ob es etwas nützt frage ich mich heutzutage mehr denn je !
Warum ich immer wieder von diesem Ort berichte ???
Ich kann diese Frage nicht beantworten ! Ich habe keinen Verwandten dort verloren. Ich habe keinen Verwandten der dort auf der Seite der „Herrenrasse“ tätig war. Es ist vielleicht eine innere Aufruhr in mir, genau kann ich das gar nicht beantworten. Als ich anfing mich für das Thema zu interessieren bekam ich des öfteren zu hören: "Mein Gott, nun muss doch mal gut sein damit ! Wir haben unsere Schuld beglichen..." ! Ich will doch auch gar nicht das irgendjemand sich schuldig fühlen soll !!! Mich kotzt es aber an, wenn ich im nächsten Atemzug erwähne, dass wir 1954 Fussball-Weltmeister geworden sind, und niemand mit dem Satz kommt: "Mein Gott, nun muss doch mal Gut sein damit" ! Oder: "Das ist doch schon so lange her" ! Nein, das kannst du jedem Deutschen noch in 200 Jahren erzählen... !!!
Ich kam erst spät zum Thema Holocaust. Begriffe wie Judenverfolgung oder Auschwitz waren mir noch vor einigen Jahren gänzlich unbekannt ! In der Schule nicht aufgepasst ? Oh doch – aber als ich zur Schule ging (1976 – 1986) wurde dieses Thema totgeschwiegen, so ist der Deutsche, das ist jetzt meine Meinung, er möchte nur an das Gute erinnert werden !
Ich war früher ein Fan von Comics, Bücher ohne Bilder habe ich nicht angerührt. Gegen Ende der 90´er Jahre steckte ich in einer tiefen Depression, ich hasste meinen Job, mein Leben, war auf jeden neidisch, dem es besser ging als mir. Dabei hatte gerade ich als Beamter doch kein schlechtes Leben. Irgendwann drückte mir meine Frau, damals wie heute übrigens eine echte Leseratte, ein Buch in die Hand. Ja – ein Buch ohne Bilder. Genervt und angewidert fuhr ich sie an : „Was soll ich damit“ ? „Lies das“ ! „Du bist nur am rummeckern, dabei weißt du gar nicht wie gut es dir geht“ ! Das Buch hieß : Die Hoffnung erhielt mich am Leben von Ruth Elias. Natürlich konnte ich damals weder mit dem Titel noch dem Namen der Schriftstellerin etwas anfangen. Ja, ich gebe es hier zu, nur widerwillig begann ich es zu lesen. Doch ich merkte relativ schnell, dass dieses Buch mich irgendwie faszinierte. Zum einen konnte man eigentlich gar nicht glauben, eigentlich gar nicht begreifen, was man da liest, zum anderen begann meine Phantasie zu rattern. Ich malte mir diesen Ort aus. Versuchte mich in die Person hineinzuversetzen. Es folgten Bücher über Bücher ! Ich bemerkte, dass das Lesen mich und mein Verhalten, mich und mein Denken über diese Welt da draußen, mich und meine Einstellung zum Leben veränderte. Das ist doch irgendwie der Wahnsinn !!! Auschwitz – die Hölle auf Erden machte aus mir einen anderen Menschen !!! Ja, und ich behaupte auch, dieses Buch, dieses Interesse, hat irgendwie meine Ehe gerettet, denn nach und nach begriff ich, was ich doch für ein „Stinkstiefel“ die Jahre zuvor war. Klar, nicht alles hat sich an mir geändert, jeder hat so seine Eigenarten, seine Macken und schlechten Züge, aber doch hat sich vieles geändert was meine Sicht auf einiges betrifft. Ich danke meiner Frau das sie in dieser Zeit überhaupt noch an mir festgehalten hat, denn wahrhaftig war ich damals kein leichter Mensch. Klar, auch heute ist nicht alles Perfekt an mir - aber wer ist das schon ?
Es folgte einige Jahre später dann der Langersehnte erste Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz – Birkenau, 2008 um genau zu sein. Man malt sich vorher soviel aus. Man stellt sich so vieles vor von diesem Ort…
Und dann stehst du zum ersten mal dort ! Es prallen Eindrücke ohne Ende auf dich ein. In deiner Phantasie sah er doch so anders aus, dieser Ort ! Nein, bedrückt bist du im ersten Moment nicht, es ist eher vollkommene Sprachlosigkeit. Du erinnerst dich an das was du gelesen hast, sagst dir immer wieder : „Das kann doch alles nicht wahr sein“ ! Du schreitest mit der Masse durch das Tor mit dem Schriftzug „ARBEIT MACHT FREI“ und registrierst in diesem Moment nicht wirklich wer du bist und wo du bist ! Das alles kommt erst später…
Ich sage immer gerne, dass dies ein Ort ist, an dem man pure Geschichte atmet.
Nun, ob das so auch ist, empfindet jeder anders ! Der eine kommt mit Vorkenntnissen dorthin, ein anderer Ahnungslos bzgl. dieses Ortes. Und das genau macht den Unterschied ! Um Auschwitz zu spüren, um sich in einen Häftling nur halbwegs hineinzuversetzen, ist Vorkenntnis eine Sache, die dich diesen Ort mit anderen Augen sehen lässt.
Seit meinem ersten Besuch der Gedenkstätte fahre ich nur noch im Winter dorthin. Ihr fragt euch verständlicher Weise warum ? Als ich das erste mal dort war, Anfang Oktober 2008, bemerkte ich Menschenmassen ohne Ende. Ich bin und war noch nie ein Freund von großen Menschenansammlungen muss ich dazu sagen. Aber noch schlimmer war das bemerken von Desinteresse einiger Besucher. Ihnen schien es vollkommen egal gewesen zu sein was hier damals passiert ist. Viele Schulklassen aus Polen liefen unter anderem dort herum. Ich nehme es ihnen keinesfalls übel, das das Smartphone interessanter war, als irgendwelche Backsteingebäude und deren Geschichte – es ist auch lange vor ihrer Geburt passiert. Warum sollte es sie noch Interessieren ?
Und es war warm ! Wie oft las ich in den Biografien von der schrecklichen Kälte, die Kälte untereinander und die Kälte an sich. Wir standen nie im Drillichanzug, ohne Schuhe, abgemagert und Hungrig, Krank und schwach, beim Appell. Wir wissen nicht wie das ist, wenn im Winter noch der Schnee dazu kommt, wenn ein eisiger Ostwind dir ins Gesicht bläst, du eigentlich keinerlei Hoffnung mehr in dir hegst, diesen Ort lebendig und nicht durch einen Schornstein zu verlassen !
Ich wollte Ruhe ! Ein Grund warum ich nur im Winter dort bin. Das Lager ist leer, nur wenige Menschen verirren sich dorthin. Und du hast einen kleinen Hauch von dem was andere hier durchmachen mussten !
Auch du frierst, zwar nicht so wie ein Häftling, aber immerhin frierst du…
Seit dem ersten Buch beschäftigt mich immer wieder diese eine Frage : „Hättest du das hier überlebt“ ???
Nein, diese Frage wird mir niemals beantwortet werden. Ich weiß noch nicht einmal warum ich mir diese Frage stelle ? Ich kann doch froh sein damals nicht dabei gewesen zu sein, höre ich schon viele Schreien ! Was bringt es mir wenn ich weiß ich hätte Auschwitz überlebt, was bringt es mir wenn ich weiß ich hätte es nicht überlebt ?
Auch im Winter und vollkommener Stille an diesem Ort, werde ich keine Lösung auf diese Frage finden ! Aber ich bin allein ! Ich kann das gelesene besser reflektieren. Ich kann mich besser in den Überlebenden hineinversetzen…
Ich kann dadurch mehr Emotion in ein Foto packen, auch wenn diese Emotion nicht jeder erkennt, denn wer Auschwitz und dessen Geschichte nicht kennt, wird diesbezüglich Gefühlsblind sein. Es ist nicht einfach durch die Fotografie eines alten Backsteingebäudes im Betrachter Emotionen zu wecken, darum brauche ich auch die Kälte des Winters, die Stille die dort vorherrscht, all das unterstützt aufkommende Emotionen…
Ich sehe vor mir was hier und dort passiert, befinde mich gerade dort, zu der Zeit wo es passiert, all die Erinnerungen des gelesenen schießen gerade in meinen Kopf. Wenn ich durch das Lager gehe, ganz gleich ob Auschwitz oder Birkenau, bin ich nicht allein, nein – da sind viele Menschen, da ist viel Geschrei, ich höre und sehe sie…
Und immer wieder kommt der Tag wo ich diesen Ort wieder verlasse, ich fahre jetzt zum vierten Mal dorthin, bin jedes Mal fast eine Woche dort und wieder aufs Neue deprimiert. Deprimiert über die Tatsache, wozu Menschen fähig sind ! Und doch brauche ich diese Deprimiertheit immer wieder. Auschwitz lässt mich nicht mehr los…
Geht es mir danach besser ? Beruhigt es mein Gewissen, da ich ja auch Deutscher bin ? Fragen die ich nicht mit ja und auch nicht mit nein beantworten kann !
Ihr seht es ist ein komplexes Thema, es überfordert mich nicht, es lässt mich aber auch nicht mehr los. Es gibt in mir selber soviel unbeantwortete Fragen…
Ich wollte einfach nur mal schreiben, schreiben warum ich diesen Ort immer und immer wieder besuche. Vielleicht finde ich ja irgendwann Antworten, ganz gleich ob hier daheim oder in Auschwitz ?
Aber eins weiß ich ! Der Ort bringt mich gedanklich immer wieder in die Zeit zurück, als ich ein anderer Mensch war als der, der ich heute bin...




Euch allen wünsche ich schöne und besinnliche Feiertage im Kreise eurer liebsten sowie einen guten Rutsch und alles Gute für 2017 !
Habt weiterhin Spaß und Freude an der Fotografie und bleibt vor allem Gesund und Munter !
Euer Stefan

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