Alfons Gellweiler


Premium (Pro), Aalen (BW)

Blende acht, die Sonne lacht

Das Photo oben entstand im Leica Museum in Wetzlar


Blende acht, die Sonne lacht
Blende acht, die Sonne lacht
Alfons Gellweiler


Werner ließ das soeben belichtete Blatt Photopapier in die Entwicklerschale gleiten, stellte die Stoppuhr auf drei Minuten und drehte nach etwa fünfzehn Sekunden das Blatt mit der Entwicklerzange um, so dass die Schichtseite nach oben zeigte. An der Schmalseite hob er in regelmäßigen Abständen die Schale leicht an, um die Entwicklerflüssigkeit in Bewegung zu halten und so dafür zu sorgen, dass mittels stets frischer Chemie das zunächst latente Bild auf der Schichtseite sichtbar gemacht wurde. Nach weiteren 30 Sekunden wurden erste Schwärzungen sichtbar. Auch nach unzähligen Vergrößerungen, die Werner schon in der Dunkelkammer angefertigt hatte, war es für ihn immer noch wunderbar, diesem Entwicklungsvorgang zu folgen, in dessen Verlauf das zunächst Unsichtbare langsam sichtbar wurde, zu erleben, wie eine verborgene Realität im roten Laborlicht schwimmend Gestalt annahm, wie sich erste Strukturen und dunkle Flächen erahnen ließen, langsam, geheimnisvoll anwachsend zu Figuren, zu Körpern: Vier Uniformierte. Noch kopflos. Wenig später schon ließen sich vage Gesichtszüge erkennen und Helme, die die Augen der Träger beschatteten. Drei Hände, verschiedenen Polizisten zuzuordnen, trugen in Hüfthöhe zwischen sich einen menschlichen Kopf an dessen langen Haaren. Der Kopf gehörte offenbar einem jungen Menschen, der über den Boden geschleift wurde und dessen Körper durch die Uniformmäntel weitgehend verdeckt war, auf den aber der vierte Uniformierte mit einem Schlagstock deutlich sichtbar eindrosch. Die Wellenbewegungen in der Schale ließen den Vorgang erschreckend lebendig erscheinen. Die Zeitschaltuhr klingelte. Werner nahm die Vergrößerung aus dem Entwicklerbad und beförderte sie, nachdem er zuvor die Entwicklerflüssigkeit hatte abtropfen lassen, in das Unterbrecherbad, um schließlich in einer dritten Schale mit Fixierbad dem Zeitzeugnis Dauer zu verleihen. Er schaltete das Licht an, um das Photo genauer betrachten zu können. Die Aufnahme war leicht unterbelichtet. Das vom Schnee reflektierte Licht am Tag der Aufnahme hatte die genaue Belichtungsmessung erschwert. In den dunklen Bildpartien fehlte etwas die Zeichnung. Da würde man mit einer weicheren Papiergradation mehr rauskitzeln können. Aber Werner war sofort klar, dass er das hier gar nicht wollte. Die Bildschwärzen und die harten Kontraste unterstrichen in seinen Augen die Wirkung dieser Photographie.

(Textauszug, Blende acht, die Sonne lacht)

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APN LEICA M (Typ 262)
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ISO 1600

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