Brunetti löst den Fall

Brunetti löst den Fall

Was war ...

Vollkommen übermüdet, weil ihn dieser besondere Fall 'Rialto' keine Ruhe gelassen und er von 'Tod in Venedig' geträumt hatte, schlenderte Brunetti durch die Gassen Venedigs Richtung Rialtobrücke. Es war noch ruhig. Nur das sanfte Kratzen der Reisigbesen der Straßenreinigung und ab und an ein Lieferbote mit Karren waren zu hören. Und seine Fußtritte. Ab und an kamen ihm adrett gekleidete Menschen entgegen - auf dem Weg zu deren Arbeit in einem der unzähligen, noch geschlossenen Geschäfte, welche tagsüber die Massen aus aller Welt befriedigen. Beim Bäcker, der morgens Croissons und nachmittags Pizza in Massen verkauft, roch es verführerisch. Vor ihm die hellen, glatt getretenen Stufen. Die Geschäfte waren noch geschlossen. Der Müll vom Vortag war zu Haufen zum Auflesen gefegt. Die steinernen Geländer, blank geschliffen von zigmillionen sich daran stützender Touristenhände. Oben der Blick auf den Canal Grande. Dieses pastellene Licht eines frühen Morgens gegen 6 Uhr. Ein Lastenkahn legt an. Männer mit Sackkarren warten. Die paar Gondeln dümpeln verdeckt hin und her. Da stand er auf dem glatten Handlauf. Klein, zerbrechlich, ruhig. Es schien, als genieße er einfach den Moment.
Ich habe dich gesucht, kleiner Mann.
'Ja, manchmal gehe ich verloren.'
...
'Bist du müde?'
Kann man wohl so sagen.
'Ich gehe verloren, aber ich gehe nicht unter. Und du?'
Und ich?
'Ja, du. Hast du dich gefunden in der letzten Nacht?'
Ich habe an dich gedacht und mir Sorgen gemacht. Und ich habe nicht gut geträumt.
'Du hast gesucht.'
Ja, kann man so sagen.
'Aber nicht dich. Wann willst du dich finden?'
Brunetti sagte nichts mehr. All diese Fälle, die er zu lösen hatte. Wo war er? War er je auf der Suche ... nach sich?
Er und der Holzkamerad schauten noch lange dem kommenden Tag entgegen. Es würde ein schöner Tag werden ... wenn man ihn so in Ruhe da auf oder an dem steinernen, glatt polierten Handlauf verbringen könnte.


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