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dann durchwallt es meinen ganzen Körper

dann durchwallt es meinen ganzen Körper

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dann durchwallt es meinen ganzen Körper

In einem „Hülfbüchlein in allen Lebenslagen“ um das Jahr 1900 fand ich folgenden Liebesbrief, der für einen Handwerkburschen auf Wanderschaft an seine große Liebe gedacht war:

Innigst geliebte Ottilie!
Nachdem ich drei Wochen gewandert bin, habe ich endlich hier Arbeit gefunden, Ach, mein Engel, Du kannst denken, wie traurig ich bin, dass ich mich von Dir trennen musste. Seitdem ich Dich verlassen musste, ist aller Frohsinn dahin. Oft, wenn ich in der Werkstatt sitze, kommen die Tränen der Wehmut in die Augen, dann durchwallt meinen ganzen Körper meine Liebe zu Dir. Ich arbeite dann schneller, damit die anderen Gesellen es nicht merken sollen, denn sonst würden sie mich gewiss verspotten.

Bei den meisten Wanderburschen heißt es ja: Aus den Augen, aus dem Sinn – eine anderes Städtchen, ein anderes Mädchen – ach, mein gutes liebes Mädchen, ich denke nicht so, ich bleibe Dir ewig, ewig treu. Kann ich das von Dir auch hoffen? Wirst Du auch mir treu bleiben? Ach, Deine Untreue wäre mein sicherer Tod und Verderben! Aber Du hast mir ja die heiligsten Versicherungen gegeben, dass Dein Herz nie einem Anderen gehören werde, als mir und ich habe das festeste Zutrauen zu Dir, dass Deine Schwüre aufrichtig sind. Du bist ja so gut und brav und dies beruhigt mich.

Ich habe hier einen guten Verdienst, und komme ich nächstes Jahr nach Hause, so mache ich das Meister Examen, und dann liebes Mädchen gibt’s Hochzeit. Ach, was wollen wir ein vergnügtes, friedliches und liebevolles Leben zusammen führen. Grüße Deine Eltern herzlich! Schreibe mir bald auch einmal, und zwar recht viel. Eben gerade weine ich wieder Tränen des tiefsten Verlangens nach Dir!

Dein Dich innigst liebender Theobald, Du bist mein Glück oder mein Verderben, schreib mir bald, aber recht viel. Könnte ich doch nur Deine verlangenden Lippen spüren.

Commentaire 50

  • Manuel Gloger 20/01/2023 23:43

    Ein gut gewähltes Bild zum Valentinstag. Das verliebte Paar ist miteinander beschäftigt und lässt sich vom spannenden Fotografen überhaupt nicht stören. Mit der Zunge im Hals lassen sich schlecht Liebesschwüre in's Ohr der Angebeteten säuseln. 

    Eheschließungen 1950: 750 452 (11 je 100.000)
    Eheschließungen 2021: 357 785 (4,3 je 100.000)
    Ehescheidungen  1950:   84 674
    Ehescheidungen  2021: 142 751
    Durchschnittliche Ehedauer 2000: 12,9 Jahre
    Durchschnittliche Ehedauer 2021: 14,5 Jahre
    Quelle:  https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Eheschliessungen-Ehescheidungen-Lebenspartnerschaften/_inhalt.html

    "Bis dass der Tod euch scheidet: 69 von 100 Ehen dauern ein Leben lang und enden erst durch den Tod des Partners. Wenn es vorher auseinandergeht, reicht meist die Frau die Scheidung ein."
    Quelle: https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiz_KPMltf8AhX-SfEDHZ4UDUUQFnoECCUQAw&url=https%3A%2F%2Fwww.faz.net%2Faktuell%2Fwirtschaft%2Fschneller-schlau%2Fdie-meisten-ehen-enden-im-grab-16510316.html&usg=AOvVaw2v0kzCjpXqAFs9I2o7D4vJ

    Auf jeden Fall eine größere Chance als beim Lotto. ;-)

    LG Manuel
    • Günter K. 21/01/2023 6:12

      danke manuel für diesen ausführlichen kommentar, der dieses foto bzw. die thematik von einer gegenätzlichen Seite beleuchtet. durch diese oft beschrieene schnelllebigkeit scheint auch die "liebe oder zweisamkeit" unter die räder zu kommen. mglw. spielen die zunehmend, meiner meinung nach zeitumstände eine rolle, die informationsflut, manche zeitgenossen meinen ihren tausenden von "freunden" mitteilen zu müssen , dass sie einen furz gelassen haben.  man nimmt sich nicht mehr die  zeit miteinander zu sprechen, auch wenn es um "streitereien" geht. etc. das findet seinen niederschlag in deinen ausführungen.
      LG Günter
    • Manuel Gloger 21/01/2023 12:27

      Da kann ich dir nur zustimmen. Die Auswahl ist größer und die Bindung geringer. Nach dem Motto: "Jeder ist austauschbar." Miteinander offen zu reden anstatt zu streiten kann helfen.
  • Monsieur M 08/03/2022 14:44

    Hach......wie schön
    LG Norbert
  • Sylvia Schulz 26/02/2022 12:26

    schön die Szene von Dir mit den begleitenden Worten, wenn es doch immer so einfach wäre...
    LG Syliva
  • Gerlinde Weninger 17/02/2022 20:25

    Diese Wanderarbeiter gibt es heute auch noch und deiner war sehr wortgewaltig und poetisch, was in dieser Zunft eigentlich sehr ungewöhnlich war, ist!?
    Das Bild passt zum Valentinstag!
    ;-)
    Ein Servus von Gerlinde
  • Ruth U. 14/02/2022 18:49

    Da kommen ja auch mir die Tränen, was hatten die es doch damals schwer, heute schickt man sich einfach per WhatsÄpp einen Gruß oder man telefoniert per Videoanruf, tja, das Leben hat sich verändert ... das Bild ist wirklich passend zum Text, eine wirklich bezaubernde Szene und ganz toll mir dem Licht, das in ihren Haaren spielt.
    Günter Du bist ein Romantiker!
    LG Ruth
    • Günter K. 14/02/2022 19:28

      ja, der verfasser dieses quasi musterbriefges drückte mit amacht auf die tränendrüsen. auf alle  fälle gab man sich mehr mühe als mit der heutigen kommunikation, ausnahmen mag es ja geben ;-)"Romantiker", huch *rotwerd* ;-)
      LG Günter
    • Ruth U. 14/02/2022 19:48

      Du hast ja ziemliches Talent zum Schreiben. Früher war ich auch mal gut, meine Aufsätze in der Schule waren oft Vorzeigeobjekte, aber wenn man das nicht trainiert, verliert man die Fähigkeit. Heute  fehlt mir oft die Fantasie ;-))
    • Günter K. 14/02/2022 19:51

      du musst  gar nicht dein licht unter den scheffel stellen! ich freue mich über jeden beitrag von dir, der sich vom in der fc weit verbreiteten blabla abhebt ;-)
    • Ruth U. 14/02/2022 19:53

      Danke. lieber Günter :-)
  • Helga Niekammer 14/02/2022 18:40

    Das ist doch DAS FOTO zum Valentinstag. Eine Begegnng voller Leidenschaft. Ich bin mir sicher, da kommen auch Wallungen auf. Immerhin können die Liebenden die verlangenden Lippen spüren. Deine Zeilen machen deutlich, das Handwerksburschen auf  Reisen auch sehr gute Briefe schreiben konnten. Kaum vorstellbat dass ein junger Mann wirklcih geschrieben hat: Eben gerade weine ich wieder Tränen des tiefsten Verlangens nach Dir. Ach wie schön, es lebe die Liebe - 365 Tage im Jahr :-)
    • Günter K. 14/02/2022 19:25

      danke für deinen besuch ;-), ja, die beiden gönnten sich keine verschnaufpause. ist schon einige jahre her und die anonymität wird ja gewahrt. ;-) der text stammt aus einem musterbuch, das briefe für ganz verschiedenste lebenssituationen  enthält, über manche muss man heute herzhaft lachen. da ist etwa ein text drin, wo ein "untergebener" den untergang eines schiffes der rederei meldet, das ist zum brüllen ;-)  usw.
  • Suze 14/02/2022 16:26

    Das Foto oder dieser ‚festgehaltene‘ Moment finde ich sehr innig und passend zum heutigen Valentinstag. Allerdings bekomme ich irgendwie den wallenden Körper nicht so recht aus dem Kopf und gerne würde ich jetzt paar Emojis hinterlassen. Bleibt mir nur :-)))) und für Deine Schreibkunst ein großes Kompliment oder ein ‚Daumen hoch‘ Emojis ;-) viele Grüße Suze
    • Günter K. 14/02/2022 16:33

      der text und das bild sind  quasi liebe  vor über hundert jahren und der  jetztzeit vereint. heute haben wir es, was die überwindung von entfernung angeht zumindest leichter. die kommunikation über handy oder andere elektronische helferlein macht es gefühle auszudrücken ebenfalls leichter. und vielleicht oberflächlicher ? ich bin da etwas hin- und hergezerrt ;-)
      LG Günter
  • Anne Berger 14/02/2022 15:10

    Hach, seufz….die konnten früher noch Liebesbriefe schreiben! 
    Heute machen das Emojis über WhatsApp kurz und schmerzlos. :-)
    LG Anne
  • DoroS 14/02/2022 13:15

    Das passt zum heutigen Valentinstag, obwohl es zur Zeit der Wanderburschen solche Sitten nicht gab. Ich habe sogar zwei Wanderbrief von meinen Vorfahren, ob die verliebt waren geht daraus nicht hervor.
    LG Doro
    • Günter K. 14/02/2022 16:38

      genau für den valentinstag war es gedacht ;-) solche tage gab es damals nicht. diese wanderbriefe sind seltene dokumente, die mir  in einem archiv mal über den weg gelaufen sind. darauf kann man heute durchaus stolz sein. und man sollte sie hüten wie einen augapfel ;-)
      LG Günter
  • Klacky 14/02/2022 11:57

    1.
    Das mit Versicherungen ist sonne Sache, wenn's ans Zahlen geht, kneifense.

    2.
    Der Jung da oben hat's wohl eher auf die Handtasche der Ledi abgesehen und lullt sie mal erst ein. Das ist die edle Methode, die primitive ist abreißen und wegrennen.
    Das ist ein Handtaschenroiber der alten Generation, Kavalier der alten Schule ehm.
    Versetzt das Opfer vorher noch und unentgeltlich in einen Hochzustand.
    Dufte Kerl!,
  • Ev S.K. 14/02/2022 11:14

    Theobald.. im Geiste ein Küsschen und noch ein Küsschen. Ich hoffe so sehr dass er seine Liebste noch in die Arme schliessen konnte, der nächste Krieg steht ja leider schon bald in den Puschen...
    So freut man sich doch über diese wunderbaren Zeilen die noch nichts von facebook oder Insta wissen.
    Liebe Grüsse
    Evelin
    • Günter K. 14/02/2022 11:25

      mag mag ihm eine tickes für eine bahnfahrt spendieren, um seine liebste ottilie in die arme zu nehmen und zu herzen. ;-) ja, wenn man dann die zeitschiene sieht, was damals lebende Menschen in den Folgejahren erleiden mussten, furchtbar.
      Liebesbriefe, wer schreibt die heute noch `? weiß nicht, ausnahmsweise vielleicht schon, aber  irgendwie schade drum ;-)
      LG Günter
  • nenirak 14/02/2022 9:26

    einen schönen intimen Moment hast du hier festgehalten der gut zu diesem Brief passt, der seine Liebste bestimmt auch zu Tränen rührte.
    Der Arme leidet ja gar fürchterlich. Das Wiedersehen wird bestimmt ganz stürmisch
  • Marina Luise 14/02/2022 9:22

    Welch rührendes Zeitdokument - ich habe nur vom Lesen schon einen Kloß im Hals!
    Auch seine schnell erstickten Zweifel an seinem so lieben und guten und treuen Mädchen - man leidet förmlich mit!
    Was mich wundert sind seine für damals sehr offenen Wort betreffs seines "tiefsten Verlangens" nach ihr und ihrer "verlangenden Lippen" - na wenn das die Eltern in die Finger bekommen - und damals schrieb man nicht an ein unverheiratetes Fräulein, ohne dass der Brief durch elterliche Hände ging - dann braucht er die Grüße nicht mehr ausrichten - dann ist seine Hoffnung vom Tisch! :)))
    Ein wunderbares Zeugnis wirrer - äh wahrer Liebe und dazu ein passend inniges Foto - wenn ihr Mann diese Tasche erkennt, die er ihr letztes Jahr zum Valentinstag schenkte ... ich stell's mir lieber nicht vor! ;)
    • Günter K. 14/02/2022 11:32

      wir wären vermutlich daran gescheitert. gut die völlig andere zeit,, anderes denken (das wurde zumindest vor sich hergetragen). ich kenne schriftliche zeugnisse aus dem 18. Jhdt., strafpredigten von pfarrern von der kanzel, weil eine braut schwanger war. das brautpaar stand im büßergewand vor der kirchengemeinde mit einer kerze in der hand, während der pfarrer regelrecht tobte und kübelweise  unglaubliche formulierungen von sich gab.

      bei einer vergewaltigung auf offenem feld sollte die betreffende frau frau "ruhe geben" und ein bestimmtes gebet  laut beten oder vielmehr schreien.
    • Marina Luise 14/02/2022 13:23

      Heute geht das zum Glück nicht mehr Obwohl ich mir von einer Freundin sagen ließ,dass noch in den frûhen 80ern eine schwangere Braut mit Bräutigam vor dem Dom zu ... stand und man ihr den Eintritt verweigerte!
      Und ich hatte eine trägerfreie Corsage am Kleid und musste mir ne Stola umlegen!  :))))).
    • Günter K. 14/02/2022 16:36

      nein, die frauen waren damals so eine art fußabtreter, menschen zweiter klasse, menschen  aus unserm kaff wunderte sich um 1850 nach der auswanderung nach amerika: "die frauen darf man hier gar nicht prigeln"  ;-)) zumindest hatte er das verinnerlicht..
    • Marina Luise 14/02/2022 17:05

      Das gibt's aber auch noch heute in manchen Gesellschaften im Jahr 2022!
      "Zurück in die Zukunft" (Erich von Dänicken) war gestern - heute heißt es zurück in die Steinzeit!
  • Petra-Maria Oechsner 14/02/2022 9:08

    ich hatte ja schon den genuss, diesen liebesbrief und noch einen anderen zu lesen :-)
    damals hatte man doch noch eine ganz andere, für uns ungewohnte
    und schwülstige schreibweise, die aber auch irgendwie rührend ist in ihrer art
    ich werde demnächst neben dem valentinstag noch auf ein kleines geburtstagsfrühstück
    gehen..
    bis denne :-)
    lg petra
    • Günter K. 14/02/2022 9:16

      ehmja ;-)  verklemmt waren sie damals nicht, die mädels und jungs, vielleicht eher in einer moralischen zwangsjacke vom heutigen standpunkt aus betrachtet. und drüber reden, wenn man das so bezeichnen mag, fiel bestimmt um einiges schwerer als heute. in einer zeit, in der man per SMS eine  langjährige beziehung beendet ;-)
      vermutlich wurden beziehungen unter jungen menschen geduldet, solange nichts passierte, eine frau schwanger wurde. dann war es keiner weiter weg vom "lieben mädel" hin zu einer moralisch zwielichtigen person. 
      wir haben  hier im kaff eine polizeiordnung von 1732, wo es heißt "der ehebruch einer frau ist schlimmer und hart zu bestrafen, da es es sich um einen doppelten ehebruch handelt, da sie ihrem ehegenoss einen bankert unterschiebt."  die frau war dann mit "stangenschlägen" aus dem ort zu jagen. Der Liebhaber ging allerdings frei ins Theater ;-)
      LG Günter
  • Stefan Jo Fuchs 14/02/2022 8:55

    was hat man vor über hundert Jahren noch für herrliche Ergüsse verzapft, wenn es um die Liebe ging! Irgendwie schön und anrührend, in Zeiten von SMS und WhatsApp undenkbar!
    Schöner Beitrag in Bild und Text zum Valentinstag!
    lg stefan