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Das Lied von den Rössern

Das Lied von den Rössern

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Garrulus glandarius


Premium (Pro), Hannover

Das Lied von den Rössern

Die kalte Rauhnacht hatte das Lager des fahrenden Volkes wie ein schwerer Mantel umhüllt. Die Wagen standen dicht beieinander, im flackernden Schein der Feuerstelle blass und träumerisch. Im Inneren der Wohnwagen schliefen die Menschen tief und fest, geschützt vor der eisigen Kälte, die wie ein Raubtier um das Lager schlich.
Doch einer schlief nicht. Marek, ein zwölfjähriger Junge, saß allein am Feuer. Die Decke über seinen Schultern bot kaum Schutz vor dem Frost, doch seine Augen glänzten wachsam im Tanz der Flammen. Er hielt seine Geige fest umklammert, als würde sie ihm Halt geben in der unergründlichen Stille der Nacht. Sein Vater hatte ihn gewarnt, die Geige in den Rauhnächten keinesfalls zu spielen. „Diese Nächte gehören den Geistern“, hatte er gesagt. Doch Marek spürte etwas, das ihn nicht ruhen ließ – eine Melodie, die tief in ihm schlummerte, eine Sehnsucht, die wie ein flüsternder Wind in seinem Inneren wuchs.
Er erhob sich, setzte die Geige an und ließ den Bogen über die Saiten gleiten. Die Melodie war seltsam, fremdartig, wie ein uralter Ruf. Sie erzählte von galoppierenden Pferden, von winddurchpeitschten Ebenen und einer Wildheit, die sich der Welt entzog.
Das Feuer flackerte, als hätte die Melodie es berührt. Marek hielt inne, doch der Rauch begann sich zu drehen, spiralförmig nach oben zu steigen. Erstaunt sah er, wie aus den dichten Schwaden Formen entstanden – Pferde mit leuchtenden Augen und Mähnen, die im unsichtbaren Wind flatterten.
Er wollte aufhören zu spielen, doch seine Hände gehorchten ihm nicht mehr. Die Melodie floss weiter, und mit ihr erhoben sich immer mehr geisterhafte Gestalten aus dem Rauch. Die Pferde schnaubten, ihre Hufe traten lautlos auf den Boden, und ein kalter Hauch wehte durch das Lager.
Marek sah sich um, wollte rufen, doch in den Wohnwagen regte sich niemand. Es war, als ob die ganze Welt schlief, gefangen in einem Traum, den nur er sehen konnte.
Ein gewaltiger Hengst trat aus dem Rauch hervor, mit Augen, die wie schwelende Kohlen glühten. Er senkte den Kopf und wieherte leise, ein Ton, der durch Mark und Bein ging. Marek spürte die Einladung, den Befehl.
Er zögerte, doch die Melodie zog ihn vorwärts. Er ließ die Geige sinken, und die Pferde blieben, wartend, wie treue Begleiter aus einer anderen Welt. Marek trat zögernd näher, seine Schritte wie in einem Traum.
Der Hengst nickte ihm zu und Marek schwang sich auf seinen Rücken. In diesem Moment zersprang die Stille, und die Herde setzte sich in Bewegung. Sie jagten hinaus in die Nacht, vorbei an den schlafenden Wagen und hinaus in die Dunkelheit. Marek hörte die Melodie noch in seinem Kopf, selbst als das Lager hinter ihm verschwand.
Am Morgen fanden Mareks Leute nur seine Geige am erloschenen Feuer. Kein Fußabdruck, keine Spur verriet, wohin er gegangen war. Doch in den Rauhnächten hört man manchmal die Melodie wieder – eine Geige, begleitet vom unsichtbaren Galopp geisterhafter Hufe.

Mein fünfter Beitrag zur 16. KI-Kreativ-Challenge „Im Bann der Rauhnächte“:

Im Bann der Rauhnächte
Im Bann der Rauhnächte
Garrulus glandarius


Composing aus mehreren mit leonardo.ai generierten Bildern,
ver- und bearbeitet mit PSE 8, Paintshop und Emotion Projects.

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