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Das Schicksal der COSTA CONCORDIA ereilte die AMERICAN STAR vor Fuerteventura (Foto: April 2005)

Das Schicksal der COSTA CONCORDIA ereilte die AMERICAN STAR vor Fuerteventura (Foto: April 2005)

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Dietmar Guth


Free Account, Koblenz

Das Schicksal der COSTA CONCORDIA ereilte die AMERICAN STAR vor Fuerteventura (Foto: April 2005)

FUERTEVENTURA Autor: Ulli Kulke
"American Star", ein Wrack wie die "Costa Concordia"
Vor Fuerteventura strandete 1994 der Luxusliner "American Star". Inselbewohner griffen nach der Inneneinrichtung. Mancher bezahlte das mit seinem Leben.

Der stete Nordostpassat, der gewöhnlich an dieser Stelle weht, hatte sich zu einem heftigen Wintersturm aufgebaut. Doch die beiden Schiffe, die am 15. Januar 1994, von Gibraltar kommend, im Schleppverband auf die Kanarischen Inseln zusteuerten, waren schwer genug, ihm standzuhalten.
Die "American Star" – gestrandet und geplündert

Eine lange, aber wenig ruhmreiche Schiffskarriere: Die "American Star". 1939 wurde sie als "America" getauft. Danach hieß sie "USS Westpoint ", "Australis", "Italis", "Noga", "Alferdoss" und "American Star".
Der robuste ukrainische Hochseeschlepper „Neftegaz 67“ und erst recht das Kreuzfahrtschiff „American Star“, betagt zwar, aber noch stabil und 26.500 Bruttoregistertonnen stark, vom Ukrainer am Tau gezogen. Auch als der Sturm zum Orkan heranwuchs, steckten die Schiffe das weg. Nur das Tau nicht, es knallte durch. Die „American Star“ war manövrierunfähig.
Das Schiff wurde zum Abenteuerspielplatz

Zwei Tage lang trieb der gut 220 Meter lange Ozeanriese mit seiner vierköpfigen Besatzung hilflos weiter in Sturm und Strömung. Vorbei noch an Lanzarote, Fuerteventura schaffte er dann nicht mehr. In der Nacht zum 17. Januar schob er sich auf den Strand. Die Insel, deren Name sich je nach Belieben mit „Starke Winde“ oder „Großes Abenteuer“ übersetzen lässt, wurde zu seinem Schicksal.
Wie ein gestrandeter Wal lag er fortan an der Küste – wie heute die "Costa Concordia" –, verwandelte sich von einem stolzen Wasserfahrzeug in eine pompöse Landmarke, in einen unerschöpflichen Fundus für Möbel, Pianos und Inventar unzähliger Eigenheime auf der Insel – aber auch in einen Abenteuerspielplatz für allzu Mutige, für mindestens sieben Todeskandidaten, manche sprechen sogar von 30.
Einmal, da wurde die „American Star“ sogar zum Kunstobjekt. Als ihr Heck von der Mitte an längst weggerissen war, da durften all die Bullaugen der noch vorhandenen vorderen Hälfte leuchten, nächtelang. Wer die Szenerie sah, musste meinen, der „Fliegende Holländer“ rausche vorbei dort drüben. Langsam, ohne Geräusch, ohne Dampf, hoch über Strand und Meer.
Inselbewohner zogen ihren Nutzen aus dem Unglück

Dass der Sturm vorhersehbar war, dass keiner Anstalten machte, die Schleppverbindung wiederherzustellen, und der Schlepper ganz im Gegenteil umgehend verschwand nach Marokko, dass das eigentlich schon für die Verschrottung vorgesehene Schiff zuletzt angeblich zum Umbau in ein schwimmendes Hotel nach Thailand geschleppt werden sollte – all dies sorgte nur kurz für Gesprächsstoff.
Versicherungsbetrug hin oder her, das Schiff lag nun da. Es war gekommen, um zu bleiben. Und schien niemandem zu gehören. Die Inselbewohner machten das Beste daraus. Das Steuerrad, an dem die vier Männer der Notbesatzung in jener Sturmnacht vergeblich versucht haben dürften, Kurs zu halten, steht heute fest verankert im Dachsalon von Antonio Gonzales an der Ostküste Fuerteventuras.
Für den Salon hat der Rentner eigens sein Haus aufgestockt, denn hier steht nicht nur das Steuerrad, sondern auch zwei Maschinentelegrafen, die Schiffsglocke, die Wetterstation der Brücke und vieles mehr. Zwei verglaste Flügeltüren aus dem Schiff führen auf die Dachterrasse hinaus in Richtung Meer, unter dem Holzschild „Boat Station No. 10“ hindurch.
"Manches scheint gemacht für die Ewigkeit“

Draußen ist die riesige Aluminiumkarte in die Wand eingelassen, auf der früher in der Lobby des Schiffes stets dessen aktuelle Position markiert wurde. Gegenüber den Fotografen der Zeitschrift „Mare“, die ihn in den 90er-Jahren besuchten, freute sich Antonio über die unverwüstlichen Geräte: „Manches scheint gemacht für die Ewigkeit.“ Er habe es als seine Pflicht empfunden, der Brückeneinrichtung für immer den Ausblick auf das Meer zu garantieren.
Wer sich wundert, wie all dies von dem zwanzig Meter hohen Deck durch die wütenden Elemente bis an Land geschafft werden konnte, der gehe erst einmal in andere Häuser und Wohnungen, in denen zwei Konzertflügel des Schiffes und die Pianos landeten, der gehe in der Inselhauptstadt in die Bar „El Naufragio“, wo die Toilettenschüsseln und Waschbecken einschließlich der Hähne, die Glastüren des Promenadendecks, die Feuerlöscher ihr zweites Leben an Land fristen.
Das beste Stück: der Kühlschrank aus der Großkombüse, mit zwölf Quadratmeter Frontfläche. „Der schwimmt. Wir haben ihn einfach über die Reling geworfen“, erzählte der Barbesitzer. In einem Haus dient die frühere Balustrade des Ranges im Bordtheater als Terrassengeländer, im anderen warten die sorgfältig verpackten Intarsienvertäfelungen im Art-déco-Stil darauf, endlich irgendeine Wand zu schmücken.
Nach zwei Tagen brach das Heck weg

Ein junger Mann, der sich gleich nach 1994 als besonders eifriger Ausschlachter betätigt hat – auch für andere, auf Honorarbasis –, hat die Wohnung seiner Eltern so vollgestopft mit der Schiffseinrichtung und dem halben Maschinenraum, dass sie sich schließlich eine andere Bleibe suchten. Besonders Pfiffige schweißten ein Gerüst an die Bordwand für den Abtransport.
Ein Sammler bockte seinen alten Simca am Strand auf, entfernte einen Reifen und trieb über die Felge eine Seilbahn zum Schiff an. Die Brecher, die regelmäßig bis zu zehn Meter hoch auf die Bordwand prallten und anschließend das Schiff umspülten, rissen die Installationen nach und nach ein, verwandelten ihre Reste in lebensgefährliche Klettersteige.
Riskant war der Ausflug zum Schiff von Anfang an. Unmittelbar nach dem Auflaufen hatte der hintere Teil zunächst noch in der Luft gehangen, etwa so, als würde ein kleines Modell auf dem Wohnzimmertisch durch einen darunterliegenden Bleistift angehoben. Nur zwei Tage widerstand die Konstruktion dem viele Tausend Tonnen schweren Druck und Zug, dann brach das Heck weg, vom Schornstein an.
Mindestens sieben Menschen starben

Es zerfiel in Einzelteile, die nach und nach in Sand und Wellen versanken. Ab sofort war auch das Innenleben des vorderen Teils Wind und Wellen ausgesetzt. Wer es geschafft hatte durch die hohen Brecher, der war anschließend im Schiff auf glitschigen, feuchtsalzigen Böden unterwegs, die obendrein, wie auch die Treppen, Geländer und Wandungen, maroder wurden.
Immer wieder taten sich neue Abgründe auf; Schlünde mit verbogenen Treppen und Geländerstücken, hohlen Zähnen gleich, die auf allzu Unvorsichtige warteten. Wer Pech hatte und zur falschen Zeit sich auf dem Deck herumtrieb, dem konnten auch noch Kugeln um die Ohren fliegen. Das spanische Verteidigungsministerium, das davon ausging, das herrenlose Schiff obliege seiner Obhut, ließ die Luftwaffe des Landes Schießübungen veranstalten.
Niemand weiß, wie viele Menschen beim Ausflug zum Schiff ums Leben kamen, sieben Fälle sind bekannt. Manche schaurige Szene mussten am Strand sitzende, Picknick haltende Schaulustige miterleben. Vor den Augen der Ehefrau und seines kleinen Kindes wurde ein allzu waghalsiger Familienvater bei hohem Seegang vom Wrack regelrecht verschluckt und tauchte nie wieder auf.
Die Karriere der "American Star" begann 1939

Warnende Berichte von Vorwitzigen, Touristen wie Einheimischen, die auf das Schiff wollten, aber gerade noch rechtzeitig aufgaben, kann auf der Insel überall jeder hören, der sie hören will. Sowieso raten die Behörden an weiten Abschnitten der Westküste Fuerteventuras dringend vom Baden ab, aufgrund der mörderischen Brandung und der Unterströmungen, schon gar an jener Stelle rund sechs Kilometer südlich des Fischerdörfchens Ajuy, wo die „American Star“ auflief – ein denkbar einsamer Ort, an dem niemand Hilfe erwarten darf.
Dass die „American Star“ nicht zimperlich mit Menschen und Menschenleben umging, könnten übersinnlich veranlagte Naturen auch als späte Rache auslegen. Besonders gut war man all die Jahre nicht zu dem Schiff gewesen, seine Karriere verlief – unter sieben verschiedenen Namen – wenig glamourös. Damals, 1938, mag sie als angehender Luxusliner für die Nordatlantikroute in den USA auf Kiel gelegt worden sein.
Doch bereits ein Tag nach ihrem Stapellauf am 31. August 1939 brach der Krieg aus, und spätestens bei ihrer Indienststellung im Juni 1940 war klar, dass die europäischen Gewässer zu gefährlich wurden. Zwei Jahre musste sie sich mehr schlecht als recht als Kreuzfahrtschiff in der Karibik durchschlagen.
Das Schiff musste auf Grund gelegt werden

1942, bei Kriegseintritt, wurde sie als Truppentransporter von der Marine eingezogen, durfte nun auch den Nordatlantik befahren, aber mit GIs statt gehobeneren Kreisen in den Kabinen. Nach dem Krieg changierte sie zwischen Kreuzfahrt und Liniendienst, der ab 1960, als sich der Luftverkehr endgültig etabliert hatte, nicht mehr profitabel zu betreiben war.
Keiner der wechselnden Eigner konnte sich dazu durchringen, den Kesselantrieb durch einen modernen Schiffsdiesel zu ersetzen, sodass das Schiff als der letzte wirkliche Dampfer dieser Größenordnung die Weltmeere befuhr. In den 80er-Jahren war er sogar schon an einen Schrotthändler verkauft, der sich alsbald jedoch aus dem Geschäft wieder zurückzog.
Jahrelang lag die „American Star“ unbeachtet im griechischen Hafen von Eleusis nordwestlich von Athen. Mit ersten Alterserscheinungen. Ein Bilgenrohr brach, Wasser drang ein, das Schiff musste durch Ankermanöver auf Grund gesetzt werden, damit es nicht untergeht. Nicht mal mehr das Wasser unter dem Kiel hatte man ihm gelassen.
Elf Jahre lang trotzte der Bug dem Wasser

So gesehen brachte die letzte Ortsverlagerung nach Fuerteventura, die die „American Star“ überstand, schwimmbehindert schon und nicht mehr aus eigener Kraft, keine vollkommen neue Erfahrung für den schlanken, klassischen Ozeandampfer. Immerhin, er durfte nun einfach noch mal etwas erleben. Wind, Wetter und Wellen. Und Menschen, für die er etwas wirklich Besonderes war – womöglich zum ersten Mal in seinem wenig spektakulären Dasein.
Nichts hält ewig, schon gar nicht in dem so dynamischen Grenzbereich zwischen Land und Meer. Nachdem bereits zwei Tage nach der Strandung die hintere Hälfte weggebrochen und nach zwei Jahren nahezu komplett verschwunden war, trotzte der Bug immerhin elf Jahre allem, was auf ihn einstürmte.
Im Jahr 2005 war es dann wieder ein Wintersturm, im November dieses Mal, der dem Bugteil in einer Nacht eine Schlagseite von 30 Grad verpasste. Es war der Anfang vom endgültigen Untergang. Als wenig später der Schornstein verschwand, war es nur noch ein Trauerspiel.
2007 sank das Wrack

Die Wellen mussten sich nicht mehr an den festen Bordwänden abarbeiten, hatten Zugang durch die Decks, die Oberlichter und Niedergänge. Immer tiefer schob sich das Wrack in den Sand, nun seitwärts. Ende 2007 ging es unter.
Einige wenige Teile ragten im März 2008 noch aus dem Wasser. Eigentlich waren sie nicht mehr der Rede wert, und doch ist dies ein markantes Datum für die „American Star“. In jenem Monat nämlich krachte vor Hongkong der Hochseeschlepper „Neftegaz 67“, der den einstigen Luxusliner damals auf halber Strecke allein gelassen hatte, mit einem anderen Schiff zusammen und sank.
Seither liegt er komplett in 35 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund. Die „American Star“ hielt sich länger über Wasser. Jedenfalls Teile von ihr.

aus: WELT online

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