Der blaue Menck – Die Wucht am Rhein 06
Einerseits ist es natürlich gut, dass nicht schon wieder ein so langes Niedrigwasser wie im Jahr 2018 am Rhein herrscht.
Andererseits steht der Blaue Menck - Die Wucht vom Rhein - scheinbar nur noch traurig am Ufer bei Kornsand herum. Mit Schrecken und Wut musste ich feststellen, dass inzwischen auch einige Schrauben in seinen Ketten fehlen.
Hoffentlich darf der Blaue Menck – ob mit oder ohne Niedrigwasser – bald wieder tun, was er so gut kann: Baggern.
Hier noch Informationen zum Menck M60 und seiner Geschichte:
„Die Wucht am Rhein
Von Daniel Bazcyk
Mit einem 64 Jahre alten Seilbagger sorgt Michael Riebensahm dafür, dass die Fähre am Kornsand zwischen dem Ried und Rheinhessen trotz Dürre genügend Wasser unterm Kiel hat.
NIERSTEIN/KORNSAND - Schwierig ist bloß das Abschmieren. „Dick darf man nicht sein“, sagt Michael Riebensahm. „Vorne im Führerstand geht es noch. Aber wie eine Schlange muss man sich da hinten reinwinden zu den Schmiernippeln.“ Und davon gibt es mehr als 100 im Motor- und Getrieberaum des ehrwürdigen M 60-Seilbaggers der Firma Menck & Hambrock aus Hamburg-Altona. Manche von ihnen fordern täglich frisches Fett. Riebensahm gibt es ihnen, so entlegen sie auch liegen mögen zwischen Hebeln, Stangen und Gelenken, Seiltrommeln und mächtigen Zahnrädern.
Der M 60 dankt ihm den öligen Einsatz mit unverdrossener Arbeitsbereitschaft auch in seinem 64. Dienstjahr. Und dem Dank dürfen sich getrost alle Passagiere der Kornsand-Fähre anschließen: Denn ohne Michael Riebensahm und seinen Seilbagger wäre der fast ausgetrocknete Rhein Endstation ihrer Fahrten gewesen. Die Fähre hätte im Dürresommer ihren Betrieb einstellen müssen, hätten Mann und Maschine nicht die Fahrrinne zum Anleger in unermüdlicher Arbeit über Monate vertieft und freigehalten.
Der 49 Jahre alte Mainzer ist dabei mit seinem fauchenden Dieselungetüm selbst zur Attraktion am Kornsand geworden. „Hier kommen viele Baggertouristen“, erzählt er. Die Maschine in Aktion wird fotografiert und gefilmt; manche Enthusiasten begeben sich dabei in Lebensgefahr, indem sie im Bereich der per Seilzug bewegten Baggerschaufel – genauer: des Schürfkübels – nach der besten Perspektive suchen.
Ein Ausgleich für den Frachtpiloten
Wie kam es zu dieser speziellen Aufführung am östlichen Rheinufer? Sie wird nur dann gegeben, wenn Riebensahms eigentlicher Broterwerb ihm die Muße dafür lässt. Er ist hauptberuflich Frachtpilot bei der Lufthansa, allerdings mit reduzierter Arbeitszeit. So bleiben nach längeren Einsätzen auch mal ein paar Tage frei zur Pflege seines Hobbys.
Hat alles begonnen mit dem Spielzeugbagger im Kinderzimmer? Der Mainzer weiß es nicht genau. Dass es aber auch schon ein blaues Menck-Baggermodell war, das da fast naturgetreu funktionierte, daran erinnert er sich.
Später unternahm er Radtouren mit den Eltern, die dann am Kornsand ihren Kaffee mit Rheinblick genossen, während der junge Michael auf dem Seilbagger herumkletterte. Anfang der 80er Jahre muss das gewesen sein, der M 60 war da schon ausgemustert beim Kieshandel Hahn Wedel KG. Riebensahms Leidenschaft für alte Seilbagger war bereits gekeimt. Später brachte das Internet Kontakte zu Gleichgesinnten. Zehn Jahre ist es her, dass Riebensahm in Wiesbaden bei der Verladung eines ausgedienten Seilbaggers half. „Danach habe ich gesagt: Jetzt brauche ich auch einen.“ Das Schrauben liegt dem Piloten im Blut – einen VW Käfer, einen T 1-Bus und weitere alte Kfz hält er am Laufen. „Aber das hier ist schon eine andere Dimension.“ Die Zeit war gekommen, als auch am Kornsand der M 60 nur noch vor sich hin rostete. „Ich bin bei Hahn Wedel ins Büro gegangen und habe gefragt: Was passiert damit? Der wird verschrottet, hieß es. Die Sekretärin fragte mich: Wollen Sie ihn kaufen?“
Riebensahm brauchte einen zweiwöchigen Urlaub als Bedenkzeit. Dann griff er zu – mit der Bedingung, dass der Bagger am Kornsand stehen bleiben und dort auch restauriert werden konnte. Beides wurde zugesagt. Für 1500 Euro wechselten 19 Tonnen Stahl den Besitzer.
Rund 500 Arbeitsstunden habe der Seilbagger seit seiner aufwendigen technischen und optischen Erneuerung schon wieder geleistet, erzählt Michael Riebensahm. Den Umgang mit dem durch und durch mechanisch arbeitenden Gerät hat er sich geduldig selbst beigebracht. Auf den Baustellen haben Hydraulikbagger längst die Seilbagger verdrängt.
„Einen solchen Bagger fahren, das können in Deutschland vielleicht noch 50 Leute“, schätzt der M-60-Besitzer, „wenn überhaupt.“ Dabei habe die Seiltechnik durchaus Vorteile, etwa bei der Reichweite des 15 Meter langen Arms – mit dem richtigen Schwung des versierten Baggerführers kommt der 900 Kilo schwere Schürfkübel sogar 20 Meter weit.
Bis zu zehneinhalb Stunden pro Tag hat Riebensahm im Sommer an Hebeln und Pedalen im Führerhaus gesessen. 65 Euro pro Stunde berechnet er dafür – ein Bruchteil der Summe, die ein Schwimmbagger das Fährunternehmen gekostet hätte.
Für den wartungsintensiven Seilbaggerbetrieb sind die Einnahmen nicht viel mehr als kostendeckend. Doch Riebensahm macht sein Hobby nach wie vor richtig Spaß. „Das ist ein schöner Ausgleich zum Fliegen.“ Die heimische Couch lockt ihn nicht, einen Fernseher besitzt er gar nicht.
Vor dem Bagger erstreckt sich mittlerweile eine selbst aufgeschüttete Landzunge aus Sand, Kies und Muscheln. In deren Schutz zieht die Fähre ihre Bahnen. Da ergiebiger Regen weiter auf sich warten lässt, hat der Bagger auch im Dezember noch zu tun.“
Allgemeine Zeitung, 06.12.18
https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/oppenheim/vg-rhein-selz/nierstein/die-wucht-am-rhein_19639215#
Hessen, Südhessen, Landkreis Groß-Gerau, Trebur, Kornsand, 30.01.21.
Panasonic Lumix, LX 15.
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