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Oliver Schiebek


Premium (World), Düsseldorf

Der Düsterwald

„Sie kommen hier nicht durch!“, sagte die Wächterin am Tor zu mir und ihre drei Hunde nickten.
„Warum nicht?“, wollte ich wissen.
„Dies ist der Eingang zum Düsterwald. Da drin ist es sehr gefährlich!“ Die Hunde nickten erneut.
„Ach, das ist mir egal. Mir wird schon nichts passieren.“ Zuversichtlich legte ich meine Hand an das Tor, um es zu öffnen.
„Moment! Was wollen sie überhaupt im Wald?“
„Ich? Im Wald? Eigentlich nichts“, antwortete ich keck.
„Na sehen sie. Dann macht es ihnen sicherlich nichts aus, wenn ich sie nicht durchlasse.“
„Oh doch, gute Wächtersfrau! Sie müssen nämlich wissen, dass hinter diesem Wald - sei er auch noch so düster und noch so garstig – eine Frittenbude mit der schärfsten Currywurst der Welt liegt. Dorthin gelüstet es mich.“ Ich zückte mein Handy und zeigte ihr die Navigations-App, die eindeutig den Weg durch den Wald kennzeichnete.
„Scharfe Currywurst?“, fragten die Hunde und sabberten dabei.
„Ja, die wollte ich immer schon einmal probieren.“ Ich grinste.
„Dürfen wir mit?“ Die Hunde sahen ihr Frauchen bettelnd an.
„Nichts da, ihr bleibt bei mir! Aber was sie betrifft: Ich könnte sie durchlassen. Für einen kleinen Obolus und auf eigenes Risiko.“
„Prima, dann sind wir im Geschäft.“
Die Hunde sahen mir traurig hinterher, als ich durch das Tor schritt und im Düsterwald verschwand.
Dort im finsteren Gehölz gruselte es mich sehr. Lange dunkle Schatten, Nebelschwaden und fremdartige Geräusche ließen mich erzittern.
Aber ich wusste ja, was mich am Ende des Weges erwartete und so schritt ich mutig voran.
Als der Nebel sich lichtete, strahlte mir die Leuchtreklame eines Schnell-Imbiss entgegen. Ich war am Ziel. Vorsichtig klopfte ich an, öffnete die Tür und trat ein. Eine bucklige alte Frau stand an der Fritteuse und musterte mich argwöhnisch.
„Was darf es sein?“, fragte sie.
„Ihre Currywurst hätte ich gerne. Sie soll ja sehr scharf sein!“ Ich kramte den Werbe-Flyer mit dem Rabatt-Coupon aus meiner Hosentasche.
„Gib mir erst einmal die Hand“, forderte die Alte mich auf.
„Oh ja, selbstverständlich.“ Ich wollte nicht unhöflich sein und schüttelte ihr die Hand.
„Mager, sehr mager!“, nuschelte sie.
„Wie bitte?“ Ich war mir nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden hatte.
„Ach nichts, Kleiner. Nimm doch Platz. Das Essen wird gleich fertig sein“, kicherte sie. Sie griff zu einem großen Messer und schärfte es an einem Wetzstahl, während ich es mir gemütlich machte und mich auf die schärfste Currywurst der Welt freute…

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