1 795 47

Klacky


Premium (World), aus dem sonnigen WestWing

Der kapitale Hürsch

Der Achtzehnender


Für Karl-Hugo sollte heute ein Traum in Erfüllung gehen. Er wollte den ersten Achtzehnender seines Lebens erlegen.
Poff, mitten durchs Herz sollte die Kugel gehen, und nochmal poff, ein Schuß zur Sicherheit hinterher.


Karl-Hugo Knallenbrink, Kleinindustrieller aus dem Sauerländischen, er machte in Lampen, hatte sich die Sache was kosten lassen. Sein neues Gewehr hatte ihn nichts gekostet, das hatte ihm seine Frau geschenkt, Isolde die immer genau wußte, was Männerherzen höherschlagen läßt. Es war ihr Weihnachtgeschenk an ihn gewesen, und er hatte sich mit der wunderbaren Waffe sofort ins Raucherzimmer zurückgezogen, um den Lauf durchzuziehen und liebevoll einzuölen. Immer wieder spannte er an diesem Abend das Gewehr, legte auf die Bücherwand an, nahm einen neuen Nobelpreisträger ins Visier, drei Meter von ihnen standen im obersten Regal, und drückte ab. Trocken natürlich, obwohl er schon an Heiligabend mal gerne einen hätte krachen lassen.


Aber zum Glück war er Mitglied der Stenkelfelder Jagdgemeinschaft und hatte so viel Gelegenheit zum Üben. Immer wieder schlich er sich hinaus auf den Hochsitz und machte bei Wind und Wetter Zielübungen, denn er wollte sich im Herbst in Rumänien ja nicht blamieren. So mancher süße Hase fiel dabei der groben Munition seines neuen Gewehres zum Opfer und ward auch nicht mehr genießbar, weil nicht auffindbar, zumindest nicht im Ganzen.


Dann im Herbst war es so weit. Karl-Hugo belud seinen neuen Range Rover, den war er sich schuldig gewesen, der gehörte ebenso zum „Gesamtpaket Achtzehnender“ wie das neue Gewehr, mit High End Zielfernrohr und GPS natürlich, der Tarnanzug und der versilberte Flachmann mit einem Fassungsvermögen von 1,5 Liter köstlichen Malts. Mit von der Partie waren Jupp, der Direktor der Kreissparkasse von Neheim-Hüstel, und Walter, der Oberkreisdirektor von Sauerländischen Kreis. Drei Tage dauerte die Anfahrt nach Rumänien, denn unterwegs wurde bei Jagdkumpanen in Bayern und Österreich noch Halt gemacht, und der Achtzehnender wurde perspektiv schon mal ausgiebig begossen. Waidmanns Heil!


Doch nun waren diese ganzen Preliminarien vorüber, und Karl-Hugo saß in seinem Unterstand auf der besten Lichtung, wo der Achtzehnender bald aus dem Wald heraustreten würde. Ein kräftiges Trinkgeld an den örtlichen Förster hatte ihm den Vorteil des guten Platzes verschafft. Der Mond war mittlerweile aufgegangen und die Sternlein taten am Himmel hell und klar prangen und gaben bestes Büchsenlicht. Uuuaaaaahhhh röhrte es, uuuaaaahhhhh. Karl-Hugos Herz schlug schneller und höher. Das mußte er sein, der kapitale Hirsch. Uuuuaaaaahhhhh erscholl es immer lauter. (Anmerkung des Autoren: Man hätte auch „rööööööööhr“ schreiben können, weil Hirsche ja röhren, aber das sieht so komisch aus und könnte mit Mannesmann verwechselt werden, daher wird in dieser Geschichte mit uaaaaahhhhh geröhrt.) Karl-Hugo nahm noch schnell einen Schluck aus dem Flachmann und äugte aufgeregt auf die Lichtung. Und wieder erscholl es dumpf und überlaut uuaaaaaahhhhhh, diesmal ganz nah. Es knisterte im Gebüsch. Die Spannung stieg und näherte sich dem Alkoholgehalt in Karl-Hugos Blutbahn, denn der Flachmann war schon recht leer.


Da, ein Schatten auf der Lichtung am gegenüberliegenden Waldrand. Karl-Hugo griff zum Gewehr und schaute durch das Zielfernrohr. Doch was sah er da? Zuerst kaum wahrnehmbare Schatten huschten über die Lichtung, doch im hellen Mondenscheine erkannte der wackere Jägersmann es ganz genau. Elfen waren es, liebliche kleine Elfen, leicht gewandet und mit langen güldenen Haar, Sie huschten hin und her, einige hielten kleine Flöten in den Händchen und spielten leise Melodien, doch nur anfangs leise. Die Elfen wurden größer, die Musik lauter. Tanderadei! Ja, tanderadei riefen sie, klatschten in die Hände und fingen an zu tanzen. Spitzentanz, Ringelrein, Polka, Square Dance und Line Dance. Hussa! Da ging die Post ab. Karl-Hugo traute seinen Augen nicht. Das auf seiner Lichtung, wo doch gerade der Achtzehnender kommen sollte. Verdammte Hacke! Wer spielte ihm da einen Streich? War es der Single Malt, oder wer war es? Es hielt ihn nicht mehr in der Deckung. Er stürmte aus seinem Unterstand und riß diesen halb mit. An seinem Hintern klebte noch der Jagdstuhl wie bei einer Magd der Melkschemel. „Wer ist das?“ schrie er auf die Lichtung. Doch plötzlich war alles still. Die Musik verstummte, und die Elfchen waren verschwunden wie vom Erdboden verschluckt. Nur an einem Baum lehnte eine Frau, die süffisant lächelte und schweigend an einem Stück Schokolade knabberte. Karl-Hugo glaubte, eine Frau H. G. aus B. zu erkennen, bekannt als Elfenspezialistin.


Uuuuuaaaaahhhhhhhhhh röhrte es, aber diesmal von der Nachbarlichtung, wo Jupp und Walter saßen, ein langgezogenes Uuuuuuaaaaahhhhhhhhh. Dann fielen zwei Schüsse, poff und nochmal poff, und unendliche Stille legte sich über die Wälder Rumäniens, nur unterbrochen vom Schluchzen eines Mannes auf einer Lichtung mit einem Jagdstuhl am Hintern.


Die Frau am Baum knabberte vergnügt und zufrieden an einem Stück Ingwerschokolade ...







Euch allen ein schönes Wochenende!



.

Commentaire 47