Der Markusschrein
Der bedeutende Markusschrein aus dem Jahr 1305, die Gebeine des Evangelisten Markus.
Zur Zeit des großen Kaisers Karl lebte in Italien Ratolt, der Nachfolger Eginos von Verona auf dem Veroneser Bischofssitz. Ratolt hätte die Nachfolge Eginos auch gerne in Reichenau-Niederzell angetreten, bekam aber von Erlebald, dem damaligen Abt des Inselklosters, dazu nicht die Erlaubnis.
Zum Ausgleich hatte man ihm auf dem gegenüberliegenden Festland ein Gebiet angeboten, wo er ein eigenes Kloster - die Ratoltescella - das heutige Radolfzell gründen konnte. Als Gegenleistung schenkte Ratolt der Reichenau im Jahr 830 die Reliquien des heiligen Markus.
Ratolt wiederum hatte die Gebeine von einem Mann aus Venedig gekauft, sie allerdings nur gegen das Versprechen erhalten, zu seinen Lebzeiten niemals den wahren Namen des Heiligen zu verraten. Die Echtheit der Markusreliquie hatte Ratolt zuvor durch Eid und Gottesurteile geprüft, unter anderem anhand des sogenannten Kesselfangs.
Dazu musste der venetianische Verkäufer die rechte Hand zum Eid erheben, gleichzeitig mit der linken einen Stein aus einem Kessel mit kochendem Wasser herausgreifen, das (vorausgesetzt, die Reliquien waren echt) keine Verbrennungsspuren hervorrufen durfte. Offenar hatte der Verkäufer die Prüfung bestanden.
So kam Markus im Jahr 830 also zunächst inkognito auf die Insel und wurde dort als St. Valens verehrt. Doch der Heilige sollte seine Identität bald selbst offenbaren: Er erschien dem Konstanzer Bischof Gebhard im Traum, bekannte zuerst seinen wahren Namen und beklagte sich dann bei ihm über die unsachgemäße Verwahrung seiner Gebeine auf der Reichenau, die dort bereits in Fäulnis übergegangen seien.
Als der Bischof den Auftrag, den Reichenauer Abt zu einer würdigeren Unterbringung zu veranlassen, nicht sofort erfüllte, erschien Markus ihm in zwei weiteren Visionen, den unfolgsamen Gebhard heftig tadelnd: Warum hast du es versäumt, meinen Auftrag auszuführen? Und er fügte hinzu: Du sollst wissen, daß du in kurzer Zeit an dir selbst spüren wirst, wie gefährlich es für dich ist, meinen Befehl nicht erfüllen zu wollen.
Heftig erschrocken berichtete der Bischof von dem Erlebten und gab den wahren Namen des Heiligen bekannt, der Konvent veranlaßte sofort eine adäquate Unterbringung der Gebeine. Dennoch wurde Bischof Gebhard unmittelbar nach diesem Erlebnis von einer Krankheit ergriffen und starb.
Freilich gab Markus nicht nur dieses eine Zeichen seiner Kraft, in der Folge wird von mehreren Heilungswundern berichtet. Bei Zweifeln an der Echtheit der Reliquie fand Markus sofort Mittel und Wege, diese zu zerstreuen. So geschah es bei zwei auswärtigen Brüdern, die im Reichenauer Kloster zu Gast waren.
Kaum hatten sie ihre Bedenken geäußert, erschien er einem der Ungläubigen im Traum: Ich bin Markus der Theologe, aus weiter Ferne hierher gebracht, gab ersich zu erkennen. Er könnte keine Ruhe findenund sei in schwerer Sorge, so offenbarte er dem zweifelnden Bruder, denn in wenigen Tagen werden sehr viele Orte niedergebrannt, Kirchen werden zerstört und der größte Teil des Volkes wird dem Schwert zum Opfer fallen.
Da sich diese Weissagung mit den Ungarneinfällen im Jahr 926 tatsächlich bewahrheitete, konnte die Echtheit der Markusreliquie nach der Lektüre dieser Schrift auch von Skeptikern nur noch schwerlich angefochten werden.
aus: Reichenau-privat.de
Vitória Castelo Santos 18/09/2020 14:13
Ein gutes Bild.LG und ein schönes Wochenende