Die "Alte Universität" Wien
Der Sitz der Universität Wien bis 1884
1384–1884
Die Baugestalt der „Alten Universität“, welche sich im ehemaligen „Stubenviertel“ der Wiener Innenstadt befindet, geht im Wesentlichen auf die Bau-Aktivitäten des Jesuitenordens zurück. 1623 wurde dieser auf kaiserliche Anordnung in die Wiener Universität inkorporiert, und erhielt den Auftrag, für sich und die Universität Wien ein eigenes, neues Gebäude zu errichten. Der hier befindliche Vorgängerbau, das mittelalterliche Herzogskolleg der Universität Wien, wurde abgerissen. Auch andere Bauten mussten weichen, und im Laufe der folgenden Jahre entstand ein Kollegsgebäude mit angrenzender Kirche. Die baulichen Maßnahmen bedeuteten einen massiven Eingriff in das mittelalterliche Stadtbild. Straßenzüge verschwanden, und wo vorher Häuser waren, entstand ein neuer Platz (Universitätsplatz, heute Ignaz Seipel-Platz).
Der Komplex umfasste neben der den hl. Ignatius und Franz Xaver 1631 geweihten Universitätskirche eine große Bibliothek, ein Observatorium, einen Theatersaal, das Akademische Gymnasium, Hörsaal-, Wohn- und Wirtschaftsgebäude und sogar einen Weinkeller. Nebenan wurde ein separates Verwaltungsgebäude (Domus antiqua) als Sitz des Rektors adaptiert, in dem auch der große Senatssitzungssaal, die vom Syndikus geführte Universitätskanzlei, das Archiv und der Karzer untergebracht waren (Sonnenfelsgasse 19).
Unter Maria Theresia wurde dann ein weiterer großer Neubau im Stile eines spätbarocken Schlosses errichtet, die "Neue Aula" (1756), die seit 1857 Sitz der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist. Sie ist sichtbarer Ausdruck der in diesem Zeitraum eingeleiteten Universitäts- und Unterrichtsreformen und symbolisierte die Abkehr von der jesuitischen Dominanz an der Universität Wien.
In den Jahrzehnten danach gab es nur eine wesentliche bauliche Veränderung im Bereich der Alten Universität: den Erweiterungsbau für die Universitätsbibliothek am Standort Postgasse 9 (1827-1829).
Die Universität als Kaserne
Die Parteinahme der Wiener Studentenschaft für die Revolution 1848 hatte für die Raumsituation der Universität gravierende Konsequenzen: Das Militär besetzte die Neue Aula, und verwendete sie als Kaserne. Nach Wiedereröffnung der Universität 1849 war man daher gezwungen, den Studienbetrieb großteils außerhalb der Stadtmauern abzuhalten: Die Juridische und die Philosophische Fakultät hielten ihre Vorlesungen im Theresianum (Favoritenstraße 15) ab, die Medizinische in der vorübergehend aufgelassenen medizinisch-chirurgischen Josephsakademie (Josephinum) und später auch im Hoftrakt der ehemaligen Gewehrfabrik (Währinger Straße / Schwarzspanierstraße).
Das Misstrauen der neoabsolutistischen Regierung gegen die potentiell aufständischen Studenten war so groß, dass man das Militär erst aus der Universität abziehen wollte, nachdem die neu errichteten „Defensionskasernen“ zur militärischen Beobachtung und „Befriedung“ der Stadt Wien fertig gestellt waren: Arsenal, Rossauer Kaserne und die nicht mehr existierende Franz-Josephs-Kaserne in unmittelbarer Nähe der Universität.
Zu diesem Zeitpunkt hatten jedoch schon die Planungen für ein neues Hauptgebäude der Universität eingesetzt. Die Neue Aula wurde nicht der Universität zurückgegeben, sondern zum Sitz der 1847 gegründeten kaiserlichen Akademie der Wissenschaften erkoren. Die Universität durfte nur den Festsaal für akademische Feiern nutzen. Das Universitätshaus (Domus antiqua) in der Sonnenfelsgasse 19 diente noch bis 1884 als Verwaltungszentrum der Universität, wo auch der Rektor residierte. Mit der Eröffnung des neuen Hauptgebäudes an der Ringstraße verließ die Universität das Stubenviertel; auch die Bibliothek musste übersiedeln. Erst im 20. Jahrhundert kehrten zwei Einrichtungen in die Alte Universität zurück: das Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, und das Archiv der Universität Wien.
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