Die Pfalz
Die "Pfalz" im Eisenbahnmuseum Neustadt. Dahinter steht die 23 105.
Die „Crampton“-Dampflokomotive hat nur eine einzige, weit hinter dem Kessel angeordnete Treibachse mit großen Rädern von bis zu 2,15 m Durchmesser (in Europa). Sie wurde 1843 von Thomas Russell Crampton erdacht. Er verfolgte die Absicht, die Nachteile der von Stephenson entwickelten „Long Boiler“ (Langkessel) zu vermeiden. Diese ragten vorne und hinten über die Achsen hinaus und neigten damit bei hohen Geschwindigkeiten zum Nicken und Entgleisen. Bei der Bauart „Crampton“ ließen sich trotz tiefer Lage des Langkessels große Treibräder für hohe Geschwindigkeiten verwenden. Die besonders tiefe Kessellage wurde damals irrtümlicherweise als wichtig für eine hohe Laufruhe und Laufgüte der Maschine angesehen. Diese Auffassung wurde insbesondere durch die Konstruktionen Karl Gölsdorfs mit besonders hoher Kessellage widerlegt. Dass die Crampton-Lokomotiven tatsächlich wesentlich laufruhiger waren als die „Long Boiler“-Maschinen, lag an der insgesamt besseren Gewichtsverteilung und den nahe dem Lokschwerpunkt angebrachten Zylinder, was dazu beitrug, dass die irrige Meinung bezüglich der tiefen Kessellage sehr zählebig war.
Nachteilig ist bei dieser Konstruktion, dass nur ein verhältnismäßig geringes Gewicht auf der angetriebenen Achse liegt. Damit ist auch die Zugkraft gering, und die Treibräder neigen zum Schleudern (Durchdrehen). Dennoch war die Crampton zwischen 1850 und 1900 vor allem in Frankreich und auch in Süddeutschland mit einer Stückzahl von über 300 Lokomotiven sehr verbreitet, Beispiele sind etwa die Lokomotiven „Die Pfalz“ und die Badische Reihe IX.
In England, dem Heimatland des Erfinders, konnte sich die Bauart nicht durchsetzen, jedoch trug eine besonders leistungsfähige Maschine der Bauart Crampton durch einen Geschwindigkeitsrekord von 126 km/h dazu bei, dass sich die Normalspur von Stephenson durchsetzte und die Great Western Bahn die von ihr bevorzugte Breitspur (2134 mm) aufgeben musste.
Die nicht offensichtlichen Vorzüge der Crampton-Lokomotive wurden jedoch von den zeitgenössischen Ingenieuren nicht wahrgenommen, obwohl diese Vorzüge ohne weiteres auf andere Bauarten übertragbar gewesen wären. Dazu zählen insbesondere:
1.Eine tadellose Rahmenbauweise, welche die Zugkräfte vom Kessel fernhält. Dies war insbesondere bei den Lokomotiven Stephensons nicht der Fall.
2.Möglichst kurze, wenig gekrümmte Dampfleitungen mit großem Querschnitt, um die Drosselverluste gering zu halten. Diese thermodynamischen Konstruktionsgrundsätze wurden erst von André Chapelon wiederentdeckt und konsequent umgesetzt. Nicht nur der große Treibraddurchmesser allein, sondern auch die günstig bemessenen Dampfleitungen trugen dazu bei, dass die Crampton-Lokomotiven wesentlich höhere Geschwindigkeiten erreichen konnten als andere zeitgenössische Konstruktionen.
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