Die Räumung

Die Räumung

„Ich liebe es, auf deiner Veranda zu sitzen und zu quatschen!“, sagte ich zur Maus.
„Ja, ich auch. Ich freue mich immer auf deinen Besuch!“ Die Maus schenkte uns von einem hervorragenden australischen Shiraz nach.
„Cheers! Und danke für deine Einladung.“ Die Weingläser erklangen hell, als sie sich beim Anstoßen berührten.
„Wie lange wohnst du hier jetzt eigentlich schon?“, wollte ich vom Mäuslein wissen.
„Eine halbe Ewigkeit“, antworte es. „Aber damit ist es jetzt vorbei!“
„Warum denn das?“
„Ich muss ausziehen. Das Gartenbauamt hat gesagt, dass meine Wohnung eine Gefahr für die Besucher des Parks darstellt. Sie könnten stürzen. Deshalb wollen sie hier alles einebnen.“
„Aber deine Wohnung ist mindestens fünf Meter von jeglichem Fußweg entfernt!“
„Das habe ich denen auch gesagt. Aber sie meinten nur „Loch ist Loch und das muss zugeschüttet werden!“ Wo soll ich jetzt hin?“
Die Maus war ziemlich verzweifelt.
Wie viele Weine, wie viele französische Weichkäse hatte ich mit dem kleinen Nager auf seiner Veranda bereits verköstigt? Wie oft hatten wir hier gesessen und aus tiefstem Herzen bis tief in die Nacht gelacht? Auch ich konnte nicht glauben, dass dies nun ein Ende haben sollte. Ich versprach meinem Freund, mich um die Angelegenheit zu kümmern.
Ich fragte beim Mieterverein nach und hatte ein Gespräch beim Gartenbauamt. Dann ging es weiter zum Bürgermeister. Doch alle zuckten nur mit den Schultern. „Ist doch nur ´ne Maus!“, war die einhellige Meinung. Meine Petition bei der Landesregierung wurde wohl nie gelesen. In meiner Verzweiflung protestierte ich in der Fußgängerzone, verteilte dort Flugblätter und erntete von den Passanten doch nur Kopfschütteln.
Als ich ein paar Tage später die Maus besuchen wollte, hatten die Gärtner bereits Tatsachen geschaffen. Dort, wo früher die offene Veranda war, befand sich nun lockeres, ebenes Erdreich, aus dem bereits die ersten frischen Grashalme und Frühlingsblumen sprossen. Ich muss zugeben, es sah hübsch aus. Aber es war totenstill. Wie sehr hatte ich das Rascheln des trockenen Laubes geliebt, wenn die kleine Maus gut gelaunt aus ihrer Wohnung geflitzt kam um mich zu begrüßen. Ich vermisste meinen Freund und war mir sicher, dass ich ihn wohl niemals wiedersehen würde...