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die SonnE

"Die Sonne", begann er mit leiser, aber fester Stimme.
"Die Sonne hat keine Hände, aber sie kann dennoch streicheln.
Du fühlst wie sich ihre Finger an dein Gesicht legen,
wie sie deine Haut wärmen, wie sie in dich eindringen und auch dein Herz wärmen. Mal so sanft wie der Hauch eines warmen Windes,
mal so kräftig wie die Flamme eines Lagerfeuers, an dem du ganz nahe sitzt. Die Hände können deinen ganzen Körper einhüllen, und dann fühlst du dich so wohl und geborgen wie ein kleines Baby im Bauch seiner Mutter.
Und wenn sie am Abend untergeht, die Sonne, dann tut sie das nicht schnell, sondern verabschiedet sich mit vielen kleinen Berührungen, dann ist es, als würdest du aus warmem Wasser aufsteigen, und dort, wo deine Haut nicht mehr im Wasser ist, spürst du die schwindende Sonne als kühlen Hauch, aber sie hinterlässt die Gewissheit, dass sie immer wiederkehren wird".

Ein großer Bruder beschreibt seiner kleinen blinden Schwester die Sonne.
Auszug aus einem Buch von Andreas Winkelmann

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