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Legolas1709


Premium (Pro), Hardt

Ein anderes ich...

Das Bild wurde aufgenommen von Nechtan bei Hallia Venezia 2013
Bei der Suche nach diversen Berichten über diesen Sonntag ist mir der dazu gehörige Zeitungsbericht in die Hände geraten und ich finde er ist es wert gelesen zu werden...
Ich habe mir so manche Gedanken darüber gemacht, vor allem über den Titel, daher habe ich das Bild genauso genannt...
Ich kann sehr gut nachvollziehen wie sich die Dame gefühlt haben muss, es fällt einem fast das Herz in die Hose wenn man in seinem "Alter-Ego" auf einmal in der Öffentlichkeit rumstrolcht und überhaupt nicht weiß was man jetzt machen soll. Aber es ist eine Erfahrung die ich nicht missen möchte, sagen wir mal - es ist ein faszinierendes, grandioses, gleichzeitig auch merkwürdiges Gefühl...

Ich bin nicht ich...
vielleicht gerade deswegen
schauen mich heute alle an
und gehen nicht an mir vorbei
so wie sonst immer
unachtsam, selbst bei einem Lächeln
ignorant, selbst bei einem offenen Blick
ich bin nicht ich..
heute bin ich jemand anderes
für jeden der, den er sehen möchte
Raum für jedermanns Träume
Ich bin nicht ich...
trage was ich mit eigenen Händen schuf
und doch fühle ich mich fremd
geheimes Sehnen nach dem
wie man mich haben wollte
und ich es nie war
Ich bin nicht ich...
denn heute war ich jemand
für einen kurzen Zeitraum
Morgen wird wieder alles
so sein wie vorher
auch für mich
denn dann
bin ich wieder ich...

So habe ich es empfunden...

Wie es Sonja-Alexa Schmitz (Die Dame hinter der Maske auf dem Bild) empfand könnt ihr hier lesen, der Artikel erschien in der Südwest Presse am 04.02.2013 und ist 1:1 übernommen:

Das hat mit Fasching nichts zu tun! Es ist nicht besser und nicht schlechter, es ist einfach anders. Die einzige Gemeinsamkeit besteht in der Überwindung, kostümiert auf die Straße zu gehen. Soll ich wirklich zu Hallia Venezia raus gehen, mich den Menschen, die mich alle ansehen werden, zur Schau stellen?

Ich parke nahe der Kunsthalle. Ich weiß, dass von hier die nach venezianischem Vorbild verkleideten Menschen durch die Altstadt streifen. Die ersten Schritte sind nicht leicht. Ich bewege mich zu flink. Ich schaue meine verkleideten "Kollegen" an und versuche, mir etwas von deren Anmut abzuschauen. Ich hätte ein Accessoire mitnehmen sollen. Einen Fächer oder einen Stab, dann hätte ich gewusst, wohin mit meinen Händen.

Man schaut mich an, macht Fotos. Ich lächle unter meiner Maske. Ein Reflex. Manche Fotografen suchen meine Augen. Der einzige Punkt, wo man von Mensch zu Mensch kommunizieren könnte. Manch einer bedankt sich für das Foto. "Bitte" kann ich nicht sagen. Das Kostüm wirkt: Ich nicke bedächtig mit leicht schrägem Kopf.

Mein Kostüm ist improvisiert. Nicht gerade das, wonach sich alle umdrehen. Ich fühle mich wie das hässliche Entlein unter Schwänen. Wenn nicht hin und wieder die Linse auch auf mich gehalten würde, fühlte ich mich ziemlich einsam in meiner Anonymität.

Ich sehe eine Maske, die ich vom Maskenbau-Kurs kenne. Sie ist weiß und rot. Ich war dabei, wie die Frau die Pailletten aufgeklebt hat. Sie hat sich ein sehr schönes Kleid dazu genäht. Wie fühlt sie sich? Es ist auch ihre Premiere bei Hallia Venezia. Aber Reden ist verboten - ein ungeschriebenes Gesetz. In diesem Kostüm steckend, verstehe ich es. Man kann nicht losquatschen, fragen, wo hast du geparkt? Ist dir kalt? Weißt du, wo ich mal aufs Klo kann?

Langsam schreite ich die Treppe hinunter zur Mauerstraße. Anmut kommt fast zwangsläufig, weil das Sichtfeld eingegrenzt ist und man nicht nach unten blicken kann. Auf dem Roten Steg schreite ich hinter zwei anderen Maskenträgern her; beide viel schöner als ich. Die erste trägt eine Rokoko-Perücke und einen Vogelkäfig in weiß behandschuhten Händen. Auf dem Unterwöhrd nähert sich eine Frau. Sie führt ihren Finger zum Mund. "Pscht!" Ich versteh nicht. Fliegt meine Kopfbedeckung weg? Gerade kommt eine Böe und das Ding sitzt nicht sehr fest. Sie nimmt meinen Finger und führt ihn zu meinem Maskenmund. Ach so! Ich soll auch "Pscht" machen. Anfängerpech.

"Pscht" mache ich jetzt öfter, das gefällt den Fotografen. Eine Frau fotografiert mich. Ich spüre etwas an meinem Bein. Ihre zwei Kinder haben sich nah zu mir gestellt. Soll ich ihnen meine Hände auf die Schultern legen? Bevor ich mich entschließe, ist das Bild gemacht und die Kinder sind bei ihrer Mutter.

Ich denke an den Masken-Kurs. Eine erfahrene Hallia-Venezia-Teilnehmerin erzählt mir, dass sie verstehen können, dass junge Frauen gern Model werden wollen - vor allem dann, wenn sie selbst die Große Treppe vor St. Michael im Defilée hinunterwandle. Ja, ich verstehe das auch. Seit heute.

Chapeau Fr. Schmitz - ich verneige mich schweigend, mit einem "Pscht" auf den maskierten Lippen...

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Dossier Hallia Venezia 2012
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