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"Emma", München 2009

Emma Elmes, Europa- und Weltmeisterin in Freestyle Martial Arts - Backstage beim Malympex-Turnier 09
in München.

Bereits 1984 im Alter von 6 Jahren begann die heutige 25jährige mit dem Kampfkunst-Training und erreichte mit 11 den schwarzen Gürtel in Tang Soo Do. Es folgte der Einstieg in die Freestyle Martial Arts und bereits 1 Jahr später gewann sie die Weltmeisterschaft in Deutschland. Seitdem folgten 15 weitere Weltmeistertitel und zusätzliche 24 britische und 16 europäische.
Gemeinsam mit ihren Brüdern tritt sie als "Silver Dragons" weltweit auf. China, Dubai, Mexiko, die USA, Deutschland und viele weitere Orte stehen inzwischen in Ihrer Vita.

München, ein trüber Tag im März. Ich stehe vor dem Kulturzentrum Trudering, einem hässlichen, ockerfarben gestrichenen Bau, dessen Architekt zu viele Bauhaus-Bildbände gelesen hat. Der Parkplatz ist gut gefüllt und im ersten Stock sieht man durch die von Schweiß beschlagenen Scheiben einige Männer Hebeltechniken trainieren.

In der Eingangshalle eilen geschäftig Kampfsportler verschiedener Richtungen an mir vorbei zu Seminaren oder in die kleine Cafeteria. Wer einen Schwarzgurt hat, trägt natürlich Kampfanzug. Die Rückenaufnäher zeigen den Verein an und manch Aufnäher ist größer als der Athlet breit.

Aus der Halle dringen gedämpft Kampfschreie - die Kata-Wettkämpfe der Kinder bis 10 Jahre haben bereits begonnen und am Rand steht akurat ein Paar "Prinzessin Lilifee"-Schuhe neben einer Tasche mit Wettkampfutensilien.
Das britische Team sitzt am Rand der Halle unter dem etwas windschief aufgehängten Union-Jack und ist damit beschäftigt, den eineinhalb-jährigen Nachwuchs zweier Schwarzgurt-Eltern vom Entern der Wettkampffläche abzuhalten.
Der Veranstaltungsleiter sagt das Seminar mit Emma Elmes an und ich beeile mich um sie noch für ein Portrait zu erwischen.
Emma sitzt in der Cafeteria und ist sofort bereit mit mir in den Flur im Obergeschoss zu kommen, den ich vorher dafür ausgesucht hatte.
Ich lasse sie posen wie sie möchte und mache ein paar Bilder. Zwei Mädchen kommen angerannt, sehen die Pose, werden ganz still und schauen ihr bewundernd zu.

Ich sehe die beiden und erinnere mich an meine Jugend zwischen Michael Dudikoff und Jean Claude van Damme. Blood Sport und American Fighter waren für uns eine Offenbarung, wir hatten die "Ninja"-Bücher von Stehphen K. Hayes aus dem Falkenverlag - Teil 1 bis 4 -, übten fleissig mit nachgebauten Nunchakus und selbstgefeilten Wurfsternen die Techniken von Bruce Lee ein und scheiterten natürlich kläglich
Die harten martialischen Kampfszenen in den amerikanischen Billigproduktionen faszinierten uns und am Wochenende schleppten wir die frisch erstandenen Videorekorder unserer Eltern zu Freunden um die abgenudelten VHS-Tapes, der im gerade erst befreiten Osten neu eröffneten Videothekenketten, zu kopieren.

Doch nichts, nichts faszinierte und packte uns so sehr wie dieser eine Aufritt bei der Budo Gala 1990 in Paris Bercy.
Nachts im Spätprogramm, als es noch kein Showview gab und man immer umrechnen musste, ob "Montag der 23., 01:30 Uhr" jetzt noch Montag oder doch schon "Dienstag, der 24." ist.

Jean Frenette.
Weisse Hose, rote Jacke, Halbglatze.
Er reckt die zum Dreieck geformten Hände zur Hallendecke und es wird ganz still im zitternden Licht der auf ihn gerichteten Spots. Er holt tief Luft, ein Kontrollton kündigt den Beginn der Musik an und dann geht sie zu den brachialen Riffs von Frank Stallones „Far From Over“ los:
Die Mutter aller Katas. Die perfekte Symbiose aus Musik, Kraft, Eleganz. Unsere wahr gewordenen Träume. Gebannt auf Magnetband das wir so oft abspielen werden, bis es irgendwann reisst oder das Bild nur noch schräg über den Schirm flimmert.

Die Ernüchterung kam irgendwann schleichend. Wie enttäuscht waren wir, als wir erfuhren, dass Michael Dudikoff gar kein Ninjutsu konnte und alle Bewegungen nur wie eine Tanzchoreographie eingeübt hatte. Damals brach für uns eine Welt zusammen und es hätte böse für ihn geendet, wenn er sich in unsere thüringische Kleinstadt getraut hätte.

Die Peinlichkeiten kamen Schlag auf Schlag. Während sich das frühere Canon-AE1-Kameraanleitungsmodel Stephen K. Hayes weiter die Ninja-Leiter nach oben arbeitete und Bodyguard beim Dalai Lama war (ganz klar: nur ein Ninja kann so was!!!) rutschten viele der anderen ehemaligen Helden weiter die Leiter nach unten.
Das letzte was ich von Jean Claude van Damme sah war sein Talkshowauftritt in enger Leggins ,bei der live er einen Ständer bekam, als er mit einer Tänzerin kurz improvisieren sollte.
Dudikoffs letzte B-Movies heissen „Stranded“, „Ablaze“ und „Quicksand“ – quod erat demonstrandum.

Vor einem Jahr verirrte ich mich dann noch mal auf die Seite von Stephen Hayes. Dort gibt es jetzt Online-Video-Trainingskurse bis hin zum schwarzen Gürtel. „Kaufen Sie für 329$ das 16teilige DVD-Set und schicken Sie zur Gürtel-Prüfung ein eigenes Video von sich an uns.“
Das Vermächtnis der Schattenkämpfer.

Nur auf einen ist Verlass. Jean Frenette. Mit dem 8ten Dan in der Tasche hat er in mehr als 170 Filmen als Stunt Coordinator mitgewirkt und unterrichtet weiterhin sein Karate.
Danke Jean.

„Emma, they are waiting for you!“ – eine Koordinatorin der Veranstaltung hetzt durch den Gang und gibt uns Bescheid, dass unten schon alle auf ihre Vorführung warten.
Es bleibt kaum Zeit für eine Verabschiedung und ein Danke, da ist die quirlige Engländerin schon die Treppe heruntergesaust und steht in der großen Halle auf der Matte.
Die Bedingungen könnten armseliger nicht sein - der Moderator hält sein Mikrofon an die eingebauten Billiglautsprecher in Emmas Laptop und auf den Freiflächen wird gequatscht, gegessen und sich für den nächsten Kampf gedehnt.
Und doch wird es still als die Musik anfängt.

Emma Elmes.
Schwarze Hose, schwarze Jacke, die Haare zum Zopf gebunden.
Sie streckt die Arme in Pose und es wird ganz still im trüben Licht des durch die Fenster einfallenden Märzlichtes. Sie holt tief Luft, ein Kontrollton kündigt den Beginn der Musik an und dann geht es zu brachialer Technomusik los.

Und wie damals, 1990 in Paris Bercy, 1992 auf VHS im Wohnzimmer in einer Kleinstadt in Thüringen, wird dieser Zauber fühlbar und alle brechen in Jubel aus, als Emma sich wie Jean zum Rhythmus der Musik kraftvoll auf ihrem linken Fuß im Kreis dreht und dabei ein dutzend Powerkicks in den Himmel macht...

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